Die schönsten Geschenke sind bekanntermaßen die, die man sich selber macht. Nach diesem Grundsatz sind wir dieses Jahr auch in der Residenz verfahren und bescheren uns und unseren BesucherInnen in diesem Winter einen neuen Ausstellungsbereich:
In den vergangenen Wochen sind über vierzig neue Bewohner in den großen Vierschäftesaal und die angrenzenden Erdgeschossräume am Kaiserhof eingezogen. Dass diese muskulösen Herren und leicht bekleideten Damen, die zahlreichen Kinder und selbst die Tiere alle äußerst schwergewichtig und meist etwas grünlich im Gesicht sind, hat nichts mit dem unmittelbar vor den Fenstern abgehaltenen Weihnachtsmarkt zu tun, sondern mit dem Material: Es sind die berühmten Bronzeplastiken, die zwischen ca. 1580 und 1620 für die Gärten, Höfe und Fassaden der Residenz entstanden. Damals bildete der Münchner Hof unter Herzog Wilhelm V. (reg. 1579 – 1597) und seinem Sohn Maximilian I. (reg. 1597 – 1651) ein Zentrum der internationalen Bronzekunst. Aufgrund der hohen Materialkosten und der schwierigen Technik gehörte die Schaffung lebensgroßer Metallfiguren von jeher zu den prestigereichsten künstlerischen Herausforderungen. Dank seiner dynastischer Verbindungen zu den toskanischen Großherzögen und guter Beziehungen zum einflussreichen Augsburger Handelshaus Fugger gelang es Wilhelm V., einen der raren Experten dieser aufwendigen Kunsttechnologie an seinen Hof zu ziehen: den niederländischen Bildhauer Hubert Gerhard, der in den Florentiner Hofwerkstätten seine künstlerische Ausbildung vollendet hatte.
Ab circa 1582 wurde Gerhard in München tätig, oft in enger Zusammenarbeit mit dem schon zuvor aus Italien angereisten Dekorationsspezialisten Carlo di Cesare del Palagio. Neben kunstvollen Einzelfiguren, meist für die verschiedenen fürstlichen Gartenanlagen, wie dem berühmten Perseus oder der Tellus Bavarica wurden vielteilige Ensembles in Angriff genommen, etwa der Figurenschmuck der gleichfalls von Wilhelm initiierten Jesuitenkirche St. Michael oder der große Prachtbrunnen seines jüngeren Bruders Ferdinand am nah gelegenen Rindermarkt (der später in die Residenz „umzog“ und zum heutigen „Wittelsbacher Brunnen“ umgebaut wurde).
So manches zu ehrgeizige Projekt blieb allerdings auch unvollendet, vor allem Wilhelms großartig geplantes Grabmal, dessen bereits in dem kostbaren Metall vollendete Figuren in Zweitverwendung heute auf mehrere Münchner Kirchen, den Marienplatz und die Residenz verteilt sind. Hierzu gehören etwa die berühmten „Glückslöwen“ vor der Westfassade!
Unter der Herrschaft des sparsameren Maximilian I. verloren die teuren italienischen Bildhauer ihre Arbeit. Allerdings führten einheimische Künstler wie Hans Krumpper nach ihrem Vorbild den Bronzeguss in München auf hohem Niveau noch einige Jahre weiter – damals entstanden etwa die majestätischen Tugendallegorien und die Patrona boiariae an der unter Maximilian erbauten Westfassade. Erst der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges brachte diese Münchner Kunstblüte dann – allerdings rasch – zum Vertrocknen: Die Bronze wanderte wieder, wie vormals, vor allem in die Geschützgießerei…
Dass die Plastiken Gerhards und seiner Kollegen nicht auch einem der ständigen Kriege zum Opfer fielen und zu Kanonen umgeschmolzen wurden, ist reines Glück.
Mittlerweile droht die Hauptgefahr von anderer, perfiderweise unsichtbarer Seite: Die immer rascher zunehmenden und letztlich leider irreparablen Schädigungen, denen die über Jahrhunderte im Freien stehenden Figuren durch die im Regenwasser gelösten Luftschadstoffe ausgesetzt sind, macht die Bergung in geschützten Innenräumen zwingend notwendig: Vor Abgasen und säuerlichem Regen kapituliert eben nicht nur der Weihnachtsbaum, sondern auf lange Sicht auch robuste Bronzehaut – von den feinen Ziselierungen der Metalloberfläche ganz zu schweigen. In Zukunft werden deshalb die bronzenen Götter, Heroen, Fabelwesen und allegorischen Sinnbilder an ihren ursprünglichen Aufstellungsorten durch aufwendig gefertigte Kopien vertreten. Die Originale, erstmals seit ihrer Entstehung unmittelbar Seite an Seite vereint, illustrieren nun in der neuen Präsentation mit der ihnen eigenen Grandezza und sinnlichen Eleganz ein großartiges – wenn auch kurzes – Kapitel bayerischer Kunstgeschichte.
Im direkten Vergleich der einzelnen Figuren treten die unterschiedlichen künstlerischen Interpretationen der menschlichen (und natürlich auch der Löwen-)Gestalt deutlich hervor, nahsichtig anstatt in großer Höhe oder durch einen Wasserspiegel getrennt, offenbaren Göttinnen, Krieger und Putten ganz neue, ungeahnte Ansichten. Bis Februar sind die neuen Säle ganztägig kostenlos für die Besucher geöffnet, danach regelmäßig im Rahmen von Sonderveranstaltungen wie der Residenzwoche. Wir wünschen allen Besuchern viel Freude mit alten – neuen Münchner Bekannten! Infos auf der Residenz-Homepage
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