Geheimnisse, Hinter den Kulissen, Residenz München

„Das wird schon wieder“ – Zu Besuch bei Carl Rottmann im Bild-Hospital

Schon vor einigen Monaten haben wir hier über die anstehende Restaurierung des Freskos einer italienischen Landschaft von Carl Rottmann aus dem Allerheiligengang der Residenz berichtet (https://schloesserblog.bayern.de/?p=1045). Das große Wandgemälde aus einer ganzen Serie italienischer „Tourismus-Highlights“ des frühen 19. Jahrhunderts, die Rottmann um 1830 im Auftrag Ludwigs I. geschaffen hatte, befand sich schon seit Langem in ziemlich schlechtem Zustand.
 

Carl Rottmann (1797-1850), Ansicht der Acqua Acetosa - ab Oktober wieder im Allerheiligengang (Raum 032) im Residenzmuseum


Jahrzehntelange Beeinträchtigungen durch Wind und Wetter, die das ursprünglich in den Arkaden des Hofgartens hinter hölzernen Schutzläden mehr schlecht als recht konservierte Bild erlitten hatte, der hastige Abriss der Malschicht von der Wand während des Kriegs und die anschließende Fixierung auf einer Aluminiumplatte haben dem Werk Schäden zugefügt, die eine Restaurierung zwar auch nicht beheben, aber immerhin deutlich bessern kann.
Bei einem Besuch im Restaurierungsatelier konnten wir uns vor ein paar Wochen einen ersten Eindruck vom Zustand unseres „Patienten“ machen:

Etwas weihevoll und eigentlich ähnlich wie bei uns im Museum ist die Stimmung in der Restaurierungswerkstatt im Münchner Westend: An den Wänden und auf Staffeleien hängen und lehnen gerahmte Bilder und Leinwände in allen Formaten und aus vielen Epochen – vorsichtig bewegen und nichts unerlaubt anzufassen bietet sich an. Aber anders als in unseren Prunkräumen oder auf der Krankenstation, gibt es – in ausreichendem Sicherheitsabstand – erstmal Kaffee und Hörnchen vor der Visite. Zwischen großen Lampen und Tischen, auf denen Pinsel, Handschuhe, Papier und Fläschchen mit verschiedenen Lösungs- und Fixiermitten stehen, ist das Fresko mit Rottmanns Ansicht der römischen Quelle Acqua Acetosa auf einer robusten Staffelei befestigt.
 


Das Wiedererkennen funktioniert gut, die Wiedersehensfreude ist allerdings erstmal etwas ratlos, denn für den Laien oder das berühmte „unbewaffnete Auge“ sieht das Wandgemälde ehrlich gesagt deutlich ramponierter aus, als wir es abgegeben haben: Große schmutzigweiße Partien ziehen sich über die Fläche und sammeln sich vor allem in der unteren Bildhälfte. Das liegt aber nicht an einer fragwürdigen Therapie mit zu scharfem Scheuermittel: In einem mühseligen Prozess, der Geduld und Fingerspitzengefühl erfordert, sind in einem ersten Schritt von der sowieso schon hauchdünnen bemalten Putzschicht, die 1944 von der Rückwand der Hofgartenarkaden abgelöst wurde, zunächst die neuzeitlichen, zum Teil unsachgemäßen Übermalungen der vorangegangenen Jahrzehnte abgetragen worden. So stößt man Zug um Zug auf den „eigentlichen Rottmann“ vor und das, was an ursprünglicher Substanz noch vorhanden ist. Keine einfache Arbeit – wenn man zu sehr  in Schwung (oder Routine) käme,  kann auch die originale Farbschicht vom Skalpell abgehoben werden, denn Rottmann hat seine chemisch mit dem Putz fest verbundene Freskofarben nachträglich mit leichter löslicher Secco („Trocken“)-Malerei ergänzt. Immerhin werden nun im Streiflicht faszinierende Details sichtbar – etwa die Konturen der in den Putz eingeritzten Vorzeichnung, an der sich der Maler orientierte.
 

mit einem Metallgriffel - oder auch dem Pinselstiel - wurden Hauptlinien durch das Papier der Vorzeichnung auf den feuchten Putz durchgepaust


Die Grauschleier, die über dem Bild liegen und so gar nichts mit der berühmten satten Bläue des italienischen Himmels zu tun haben, resultieren teils aus Verschmutzungen, teils aus chemischen Umwandlungsprozessen – die einen lassen sich vorsichtig entfernen, die anderen kann man eventuell reduzieren, muss die Veränderungen aber auch als Zeichen der Zeit und Alterspatina ein Stück weit akzeptieren. Ähnlich ist es mit den zum Teil großen Rissen, die die ganze Darstellung durchziehen – hier wird mittels einer vorsichtigen farblichen Eintönung der Spalt jeweils optisch verkleinert. All das sind die Arbeiten für den Sommer – keine kleine Aufgabe. Auch die rechte untere Bildecke bildet einen ganz schönen Brocken – beziehungsweise nicht mehr, denn der noch vor einigen Wochen hier sichtbare Felsblock mit einer aufgerichteten Schlange ist bei der Reinigung zu großen Teilen verschwunden, war also in dieser Form eine spätere Ergänzung. Wie soll die Leerstelle nun geschlossen werden? – hier einfach den weißen Grund stehen zu lassen, würde den ganzen Bildeindruck verderben.
 

sehr hübsch - aber was davon war davon auch um 1835 zu sehen?


Alte Fotos, die Anhaltspunkte über die ursprüngliche Gestaltung geben können, existieren nicht. Was es aber gibt, sind Skizzen und Vorzeichnungen zu dem Italien-Zyklus sowie kleine Kopien der Gemälde, die Rottmanns Bruder wenige Jahr nach der Enthüllung der Fresken angefertigt hat: In der Vergrößerung werden diese zeitgenössischen Bildquellen, die in verschiedenen deutschen Museen aufbewahrt werden, helfen, eine angemessene Lösung für dieses noch offene restauratorische Problem zu finden – aber soviel zeichnet sich schon mal ab: Die 50er-Jahre-Schlange hat wohl endgültig ausgezüngelt…