Restauratorin Barbara Nahstoll von der Bayerischen Schlösserverwaltung berichtet über einen ganz besonderen „Patienten“ aus Schloss Linderhof.
Lange Jahre harrte dieses prunkvolle Schreibzeug des bayerischen Königs Ludwig II. – durch Diebstahl eineinhalb seiner Globen und seiner Glockenkrone beraubt – recht ramponiert und eingestaubt in einem Schrank im Schlossdepot seiner Renaissance.
Es ist nicht nur per se ein singuläres Artefakt Meissner Porzellankunst aus dem 19. Jh., nein, es hat eine wirklich spannende Geschichte zu erzählen. Es ist nicht nur ein opulentes Porzellanschreibset, es ist Teil eines politischen Statements, Mosaikstein eines ausgeklügelten Raumprogramms…
Doch ganz der Reihe nach:
Das blaue Tintenzeug hat einen bedeutsamen Vorfahren in Smaragdgrün: das sogenannte Tintenzeug der Madame Pompadour (1721-1764) der königlichen Manufaktur Sèvres (1738 gegründet) aus dem Jahre 1756. Es soll exakt nach ihren Wünschen angefertigt worden sein und war Teil ihres persönlichen Besitzes und Gebrauchs. Weltweit gibt es von diesem Prunkschreibzeug in königlicher Manier nur drei unterschiedliche Exemplare.
Das Prunkschreibzeug, welches bis heute eines der wertvollsten Porzellanobjekte der Residenz München darstellt, hat vergoldete Tintenfass und Sandstreubüchse, die in einen wunderbar fein staffierten Himmels-, und einen Erdglobus eingelassen sind. Die ebenfalls vergoldete Glocke zum Herbeiholen von Personal ist in der wie geklöppelt wirkenden, à-jour gearbeiteten Porzellankrone versteckt. Die Platte ist mit üppigen Goldauflagen sowie mit die Globen unrahmenden Streublumen und Schäferszenen versehen. Es ist überliefert, dass das Artefakt als diplomatisches Geschenk der Königin Marie Antoinette (1755-1793), Gattin Ludwigs XVI. von Frankreich, an den Bayerischen Hof gelangte.
Die Porzellan-Sammelleidenschaft Ludwigs II.
Ludwig II. kannte die Porzellansammlung der Residenz und die große Bedeutung einiger Stücke sehr genau und bediente sich der historischen Vorbilder. In den 1870er Jahren tätigte er – für Schloss Linderhof und Schloss Herrenchiemsee – die größte Porzellanbestellung, welche die Manufaktur Meissen je erhalten hatte. Die im geheimen Hausarchiv der Wittelsbacher erhaltenen Cassabücher belegen kistenweise Porzellananlieferungen aus Meissen. Ebenso ist überliefert, dass die Modeln zur Herstellung der Porzellane zerstört werden mussten, um sicherzustellen, dass keine weiteren Ausformungen aus Porzellan hergestellt werden konnten. Unter den Meissener Porzellanen war auch eine Kopie – oder besser Neuauflage des pompadourschen Tintenzeugs.
Nicht nur fast 20 cm größer sollte es sein. Nein, auch in royalem Blau und mit absolutistisch- monarchischen Szenen wurde es verziert. Die Schäferidylle ist der unglaublich fein gemalten Thronbesteigung und dem Königsumzug Ludwigs XV. von Frankreich gewichen. Interessant auch, dass die Malerei nicht in Meissen, sondern in München erfolgte – als Auftrag an die Firma Hannes & Wieninger.
Ludwig II. und die Bourbonen
Der Sonnenkönig Louis XIV. und sein Nachfolger Louis XV. waren die größten Vorbilder für Ludwig II., der sich als legitimer Nachfolger der Bourbonen und als eigentlichen deutschen Kaiseranwärter sah.
Schloss Linderhof, das ein französisches Lustschlösschen in übersteigerter Form zelebriert, wird zum opulenten Schatzkästchen seiner in Szene gesetzten Herrscheransprüche. Da ist nichts dem Zufall überlassen, kein ikonographischer Wink ausgelassen. Vor diesem Hintergrund erklären sich die vom König gewünschten Darstellungen. Schloss Linderhof ist ein Panoptikum absolutistischer Selbstdarstellung im Zeitalter des Historismus. Das Prunkschreibzeug ist ebenso Teil davon – wie der Schreibtisch, auf dem es steht, oder die große Marmorstatuette Louis XV., die dominant mitten auf dem Schreibtisch zu sehen ist.
Die Restaurierung
Die Restaurierung im Jahr 2014 war sehr aufwändig, da sowohl die fehlenden Globenteile, als auch die komplette Krone rekonstruiert werden mussten, was sich als recht anspruchsvoll herausstellte. Die Krone ist nun eher summarisch wiedergegeben, da eine feine à-Jour-Arbeit nicht möglich war. Ebenso war gar nicht klar, ob sie bei diesem Tintenzeug tatsächlich durchbrochen gearbeitet war.
Denn auch die Gold- Staffierung weicht erheblich vom „Vorbild“ ab.
Die Bemalung der Globen
Die feine Malerei auf den ergänzten Globen wurde separat von einer Porzellanmalerin nach den erhaltenen Globen bemalt. Feine Meridianlinien, winzige Schrift und Miniatursternbilder stellten uns vor besondere Herausforderungen, die jedoch zu guter Letzt sehr gut gemeistert wurden. Nach Vollendung der Restaurierung gelangte das wunderbare Schreibzeug an seinen historisch belegten Platz auf dem Schreibtisch von König Ludwig II. zurück.
Viel Freude beim Besuch des Prunktintenzeugs auf dem in Schloss Linderhof wünscht Barbara Nahstoll, Restauratorin für Keramik der Bayerischen Schlösserverwaltung.
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