Als König Ludwig II. von Bayern die Herreninsel im Chiemsee erwarb (1873), hatte er nicht nur den Baugrund für das Neue Schloss Herrenchiemsee gefunden, sondern war auch Herr über eine Brauerei geworden. Diese hatte er vom Vorbesitzer der Insel übernommen und den bestehenden Betrieb in den nachfolgenden Jahren modernisieren lassen. Nach dem Tod des Königs (1886) fiel die Brauerei an seinen Bruder König Otto, der die technische Ausrüstung weiter verbessern ließ. Noch vor der Jahrhundertwende tauchten wirtschaftliche Probleme auf. Die Rentabilität des Unternehmens war in Schieflage geraten, weshalb die Administration des Vermögens König Ottos beschloss, den Betrieb zum 1. Oktober 1914 zu schließen. Den Vertragswirten wurde mitgeteilt, die Jahresverträge nicht weiter verlängern zu wollen und ab Oktober kein Bier mehr zu brauen, und den Mitarbeitern wurde empfohlen, sich neue Arbeitgeber zu suchen.
Die Gründe des Niedergangs sind vielfältig und haben sowohl mit der Geschichte der Insel als auch mit der Entwicklung der Brauerei zu tun. Aus heutiger Sicht ist bemerkenswert, dass sich die ersten Besitzer dazu entschlossen hatten, das Sudhaus und die Mälzerei in die ehemalige Stiftskirche der Augustiner-Chorherren zu bauen. Das führte zu einer Neugliederung des bestehenden Grundrisses und zum Einbau zahlreicher Geschosse und Zwischendecken, die es im vormaligen Kirchenraum nicht gab. Aus heutiger Sicht war der Eingriff barbarisch, aber in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts galt ein klassizistisches Stilideal, das die Kunst des Barock und des Rokoko als Niedergang der bildenden Künste verstand und den Nährboden für die spätere Umnutzung bot.
Aber der Reihe nach!
Im Zuge der Säkularisation (1803) wurde der Konvent der Augustiner-Chorherren auf der Herreninsel aufgehoben, die Stiftskirche aufgelassen und die Ausstattung der Kirche veräußert. 1819-20 wurden der Kirchenchor abgerissen und die Kirchtürme gestutzt. Für sie gab es nachfolgend keine Verwendung mehr.
Der verbliebene Baukörper wurde in den Jahren danach in eine Brauerei umgewandelt, wofür man das offene Dach im Westen schließen und die für den Brauereibetrieb notwendigen Einbauten vornehmen ließ. In der Summe waren die Eingriffe derart gravierend, dass König Ludwig II. wenig Neigung verspürte, den Baukörper in einen Kirchenraum zurückführen zu lassen. Im Gegenteil. Trotz seiner Sympathie für die Kunst des Barock und des Rokoko hielt er an der Umwidmung des Kirchenraums fest und forcierte die technische Modernisierung des Brauereibetriebes. Das galt auch für König Otto, der die Mälzerei im ehemaligen Kirchenraum ausbauen und neue technische Apparaturen einbauen ließ. Zweifellos sollte die Brauerei mit den jüngsten technischen Entwicklungen mithalten können.
1898 war es zu zwei folgenschweren Weichenstellungen gekommen. Dabei ging es zunächst um die Anschaffung einer Flaschenabfüllanlage.
Das Flaschenbier wurde als Alternative zum offenen Fassbier verstanden. Die Wirte wollten es in den Abendstunden ausgeben, um das Öffnen eines neuen Fasses zu vermeiden. Die Sorge war groß, dass das Bier am nächsten Morgen bereits schal war. Den Verlust eines nahezu vollen Fasses suchten die Wirte unbedingt zu vermeiden. Hier bot die Ausgabe von Flaschenbier eine Form der Überbrückung, die den Gästen zugute kam. Auch bot sich die Chance, das Flaschenbier an die Arbeiter auf den Feldern und den Bauernhöfen zu verkaufen. Nur wollten die Wirte, dass das Flaschenbier nicht an die Lebensmittelläden der Umgebung, sondern exklusiv über sie verkauft würde. Die Brauerei willigte ein und schaffte noch im selben Jahr eine Flaschenabfüllanlage an.
1898 war es zu einem weiteren, einschneidenden Ereignis gekommen. Der Vertragswirt aus Rimsting, der sich Jahr für Jahr an die Königliche Brauerei Herrenchiemsee gebunden hatte und sein Bier exklusiv von der Herreninsel bezog, war gegenüber der Brauerei in Zahlungsrückstand geraten. Die Schlossbrauerei Grabenstätt war aber bereit, die Forderungen zu begleichen und dem Wirt ein Darlehen zu gewähren, wenn er sich im Gegenzug verpflichtete, sein Bier zukünftig aus Grabenstätt zu beziehen. Während dieser Abwerbungsversuch verhindert werden konnte, waren die Grabenstätter bei anderen Versuchen erfolgreicher. So ließen sich die Vertragswirte aus Übersee und Hartmannsberg auf einen Brauereiwechsel ein. Für die Königliche Brauerei war der Verlust erheblich, zumal der Wirt aus Übersee die größte Bierlieferung aller Vertragswirte bezog. Die jährliche Bierproduktion der Königlichen Brauerei Herrenchiemsee lag bei durchschnittlich bei 7.000 hl/Jahr. Da wog der Abnahmeverlust von 1.000 hl/Jahr besonders schwer. Zusätzlich hatte der Wirt aus Hartmannsberg durchschnittlich 300 hl/Jahr bezogen. Die Brauerei war aufgefordert, neue Wirte zu gewinnen.
Die Administration des Vermögens König Ottos bestand jedoch darauf, dass die Königliche Brauerei keine Zugeständnisse machte, die zu Lasten der Rentabilität des verkauften Bieres gingen. Die Übernahme von Krediten oder der Ankauf einzelner Gaststätten wurde zurückgewiesen, und die Kosten für den Transport oder bei der Beschaffung von Eis wollte man nur übernehmen, wenn das Entgegenkommen nicht zu Lasten der Rentabilität des einzelnen Auftrags ging.
Durch die Aufnahme neuer Vertragswirte hatte die Brauerei auf der Herreninsel bis 1911 durchschnittlich 7.000 hl/Jahr verkaufen können, aber in den nachfolgenden Jahren ging die Anzahl der Vertragswirte und der Absatz von Bier rapide zurück. Im Gegenzug verursachte die Beschaffung neuer Gerätschaften beachtliche Kosten. Diese Kosten hätten nur durch die Steigerung des Absatzes und der Verkaufserlöse kompensiert werden können, aber dazu war es nicht gekommen. So verschlechterte sich die Rentabilität der Brauerei immer weiter. Die Administration des Vermögens König Ottos zog schließlich die Reißleine und gab die Brauerei zum 1. Oktober 1914 auf. In den nachfolgenden Monaten wurde versucht, das vorhandene Bier, aber auch die Vorprodukte wie Hopfen und Malz zu verkaufen. Das galt auch für die technischen Geräte, die man zuvor für viel Geld erworben hatte. Der Verkauf der Flaschenabfüllanlage, der Malzschrotmühle, des Lokomobils aber auch der Abverkauf von Leerfässern, Pfannen und Bottichen zog sich weit in den Weltkrieg hinein. Danach stand das Brauereigebäude leer. Gelegentlich drangen Mitarbeiter vom Schlosshotel in das verlassene Gebäude und schrieben ihre privaten Botschaften auf die Wand. An einer Stelle heißt es:
„Leni, Ursula und Kathi
Vom Schloßhotel
Verbrachten den Winter
So schlecht und recht im
Klosterleben doch die Hoffnung
Ist nah das Frühjahr ist bald
Da und die 3 Mädel verschwinden
‚Juhe‘ Auf Wiedersehn
Im Massengrab
1940-41“
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