„Manager“ sind in unserer Arbeitswelt meist dort im Einsatz, wo großes Kapital verwaltet wird. Börsennotierte Unternehmen, Popstars und andere bedeutende Firmen oder Persönlichkeiten leisten sich in der Regel ein Management, und nun auch die Bayerische Schlösserverwaltung: Ein Baum-Management.
Das „Kapital“ unserer historischen Gartenanlagen sind die Bäume, und wie bei guten Weinen sind die ältesten oft die wertvollsten. Sie stammen dann meist noch aus der ursprünglichen Gartenanlage und legen ein lebendiges Zeugnis einer längst vergangenen Epoche ab.
Bäume sind unser wichtigstes Bau-Material in den Gärten. Wichtiger als die „harten“ Materialien wie Steine und Ziegel, Glas und Metall, die natürlich ebenfalls in den historischen Gärten zu finden sind. Denn allein mit den Pflanzen ließe sich bereits ein Landschaftsgarten gestalten, die Wege sind dabei nur die „stummen Führer“, die den Spaziergänger durch den Garten geleiten.
Die Gehölze als vegetabiles Bau-Material sind allerdings einem weit stärkeren Wandel unterworfen als der Stein, aus dem die Gebäude errichtet werden. Die wenigsten Bäume leben länger als zweihundert Jahre, und wenn sie dann ableben, hinterlassen sie große Lücken in den Gärten. Daher muss rechtzeitig Ersatz geschaffen werden: In geschlossenen Gehölzbeständen warten nächste Generationen bereits unter dem Kronendach, um den Platz der ausgefallenen Bäume möglichst nahtlos zu übernehmen. In Alleen ist das nicht so leicht möglich, Lücken bleiben hier sehr viel länger augenfällig.
Klimawandel und Schaderreger
Der Klimawandel verstärkt zudem die Erosion an unseren Gehölzbeständen in beispielloser Vehemenz. Gerade die nordbayerischen Gärten leiden immer häufiger unter extrem trockenen Sommern. Bestandsprägende Baumarten wie die Buche leiden, gerade ältere Exemplare sterben vorzeitig ab, weil sie sich nicht so schnell an die veränderten klimatischen Bedingungen anpassen können. In extremen Sommern können selbst äußerlich völlig gesunde Äste versagen, man spricht dann von „Grünastbruch“. In allen Parks leiden die Eschen unter dem Eschen-Triebsterben, hervorgerufen durch einen eingeschleppten Pilz. Durch ihn sterben die Kronen langsam zurück, durch sekundäre Schaderreger wie dem Hallimasch-Pilz wird in der Folge die Standsicherheit der Bäume bedroht.
Erhalt der Verkehrssicherheit
Millionen von Besuchern in den Gartenanlagen der Bayerischen Schlösserverwaltung rücken ein Thema in den Vordergrund, das in allen Bereichen des täglichen Lebens zunehmend an Bedeutung gewinnt: Die Verkehrssicherheit. Der Parkbesucher muss sich in unseren Anlagen sicher bewegen können: Es sollten weder Äste herunter fallen noch ganze Bäume umstürzen. Dies ist eine der Kernaufgaben unseres Baummanagements. Es ist ein Spagat zwischen Ästhetik, Naturschutz, Denkmalpflege und Sicherheitserwartung.
Genau wie im Straßenverkehr ist eine hundertprozentige Sicherheit weder erreichbar noch anzustreben. Jeder einzelne Baum birgt per se ein Sicherheitsrisiko, das in der Regel gering ist, das aber gerade im Alter und zunehmender Vergreisung sich erhöhen kann.
Kompetenzstützpunkte für Baum-Management
Derzeit sind drei sogenannte Kompetenzstützpunkte im Aufbau: In München, Garmisch-Partenkirchen und Seehof. Jeweils drei Mitarbeiter je Stützpunkt aus dem Fachgebiet der Arboristik überprüfen jährlich rund 150.000 Bäume in den 39 Anlagen der Schlösserverwaltung sowie an den 17 bayerischen Seen, darunter Chiemsee, Starnberger See und Ammersee, an deren Ufern ebenfalls tausende von Bäumen stehen. Dabei wird jeder Baum einer umfassenden Sichtprüfung unterzogen, bei schwierigen Fällen erfolgen auch noch eingehendere Untersuchungen: Zugversuche, Schall-Tomografien, Befahrungen mit Hebebühnen usw.
Digitales Baumkataster
Die Untersuchungsergebnisse werden dann sorgfältig in einem digitalen Baumkataster festgehalten. Neben dem exakten Standort werden Baumdaten wie zum Beispiel Baumart, Stammumfang, Baumhöhe und Kronendurchmesser erfasst. Aber auch viele Angabe zu Gesundheitszustand und Schadbewertung.
Sind Maßnahmen an den Bäumen erforderlich, werden diese ebenfalls im Geoinformationssystem des Baumkatasters festgehalten, zum Beispiel: Entfernung von Totholz, Einkürzung von Kronenteilen, Fällungen etc.
Der goldene Mittelweg im Baum-Management
Jede Maßnahme an unseren Bäumen ist ein Eingriff in die Substanz unserer Gartenkunstwerke. Größere Verluste an „Bau(m)-Material“ schädigen nicht nur die Stabilität der Gehölzbestände, sie verändern auch das Aussehen der Anlage. Daher müssen die rechtlichen Vorgaben für die Verkehrssicherheit, der Natur- und Artenschutz sowie unsere denkmalfachlichen Vorstellungen möglichst gut in Einklang gebracht werden.
Sprich: Unsere Gartenanlagen sollen attraktiv, denkmalgerecht, ökologisch wertvoll und sicher sein. Ein Spagat, der unserer Meinung nach bislang sehr gut gelingt.
Die Gartenkunstwerke der Bayerischen Schlösserverwaltung zählen zu den bedeutendsten Denkmälern Europas. Viele davon sind als naturschutzrechtliche Schutzgebiete wie Natura 2000, Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen. Und der Besucherzustrom in unsere historischen Gärten ist seit vielen Jahren ungebrochen. Wir sehen dies durchaus als Auszeichnung für die Qualität unserer Arbeit.