Jeder kennt dieses Gefühl: man verlebt schöne Stunden und die Zeit vergeht nur so im Flug. Dieses Empfinden ist in Schloss Ehrenburg auf eine besondere Weise dargestellt. Auf den ersten Blick könnte man das Kunstwerk, von dem die Rede ist, für eine Kleinplastik halten mit ihren Figuren aus Bronze und dem Sockel aus Marmor. Doch was da in Raum 28 auf einem Schreibtisch steht, ist in erster Linie eine Uhr! Nur werden auf ihr die Stunden und Minuten nicht mit Zeigern auf einem Ziffernblatt dargestellt, sondern man liest die Uhrzeit durch ein kleines rundes Fenster ab. Dort wird anhand zweier drehbarer Zylinder die Zeit angezeigt; römische Ziffern für die Stunden und arabische Ziffern für die Minuten.
Besonders ins Auge stechen aber eben die beiden Figuren, die das Uhrwerk einrahmen. Die zwei Kinder scheinen – ihre aufgeblähten Backen verraten es – Luft zu blasen. Der stehende Knabe hielt früher zudem ein Rohr in der Hand, durch das er hindurch blies, um Seifenblasen zu erzeugen. Eine Inschrift auf dem Uhrengehäuse besagt:
„Ludimus et similis bullae vacua effugit hora“, was in etwa folgendermaßen zu übersetzen ist:
„Wir spielen und gleich einer (Seifen-) Blase entflieht nichtig die Stunde.“
Das Motiv der Seifenblasen ist seit der Antike auch ein geläufiges Symbol für das Fortschreiten der Zeit sowie für die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens generell. Die beiden Kinder sind somit nicht nur eine zweifellos entzückende figürliche Darstellung, sondern enthalten auch eine Ermahnung.
Französisches Empire in Coburg
Anhand Archivalien lässt sich nachverfolgen, dass die um 1815 entstandene Stockuhr von der Pariser Werkstatt Lepaute angefertigt und vom Pariser Bronzier Lenoir-Ravrio geliefert wurde. Sie steht stellvertretend für zahlreiche weitere Ausstattungsstücke in Schloss Ehrenburg, die aus französischen Werkstätten stammen und in der Zeit von Herzog Ernst I. angekauft wurden. Neben Uhren, Kandelabern, Lüstern und Kamingarnituren kamen damals auch Möbel aus Paris nach Coburg. Von diesen kaufte man interessanterweise manchmal nur einzelne Modelle, um jene dann – wohl nicht zuletzt aus Kostengründen – vor Ort in Coburger Schreinerwerkstätten nachfertigen zu lassen.
Ernst I. und die Umgestaltung des 19. Jahrhunderts
Die Regentschaft von Ernst I. (reg. 1806-1844) prägte das heutige Erscheinungsbild des Schlosses Ehrenburg jedoch nicht nur im Inneren. Auch die neugotische Außenfassade des Schlosses geht auf ihn zurück. Die Pläne dazu stammen von keinem geringeren als Karl Friedrich Schinkel. Der Herzog beauftragte den damals noch jungen Architekten mit Entwürfen für eine Umgestaltung des Familiensitzes. Schinkels Pläne wurden auch in weiten Teilen umgesetzt, sodass die Ehrenburg zu einem der frühesten Beispiele der Neugotik bei Residenzbauten im deutschsprachigen Raum zählt.
Darüber hinaus werden Freunde der Barockzeit in Schloss Ehrenburg fündig. Denn wohlgemerkt auch aus Zeiten vor Ernst I. haben sich hervorragende Kunstwerke und Räumlichkeiten erhalten – sind also zum Glück nicht vergangen wie Seifenblasen! Ein Rundgang durch Schloss Ehrenburg ist somit wie eine Zeitreise – auf der Ihr freilich auch der kleinen Uhr mit den beiden Kindern begegnen werdet.
Literaturhinweis:
Lorenz Seelig: Möbel und Uhren des französischen Spätempire in der Coburger Ehrenburg, in: Weltkunst 67 (1997), S. 1389-1391.