Kurz vor Weihnachten hat sich die Residenzfamilie um vier stramme Buben vermehrt – Vorhang auf für die Herkulesgruppen des bayerischen Hofbildhauers Roman Anton Boos aus dem späten 18. Jh., die lange Zeit ein Dasein im Abseits führten und nun mit Mitteln der Strascheg-Stiftung restauriert werden konnten. In ihrem Gastbeitrag berichtet Marion Biesalksi, die betreuende Restauratorin in der Schlösserverwaltung, von dem aufwendigen Projekt…
Was ist denn das für ein Material? …
Das fragen sich viele Besucher, die im Foyer der Residenz den vier dunkel schimmernden Skulpturengruppen gegenüberstehen, die hier kürzlich eingezogen sind. Sie stellen vier der zwölf Heldentaten des Herkules dar und wurden von Roman Anton Boos in den Jahren 1779 – 1781 für die nördlichen Hofgartenarkaden geschaffen. Weil man den glänzenden Muskelmännern kaum ansieht, wie ramponiert sie noch vor kurzem waren, soll hier eine kleine Rückschau aus Sicht der Restauratorin gehalten werden.
Die Skulpturen sind aus Holz!
Und weil kaum ein Baum in unseren Breiten so groß wie diese Bildwerke ist, wurden etliche Holzstücke verleimt und verdübelt, um einen ausreichend großen Korpus zu erhalten.
Während der Zeit des 2. Weltkriegs waren die Skulpturen notdürftig eingelagert worden. Was Restauratoren und Bildhauer zusammenpuzzeln mussten, nachdem man überraschend viele Fragmente aus dem Keller des Königsbaus geborgen hatte, lässt sich bei Ansicht dieser Bilder erahnen.
Sobald alle Stücke wieder zusammengesetzt und einige wenige bildhauerische Ergänzungen vorgenommen waren, kam die Restaurierung der Fassung (= Bemalung) an die Reihe.
Die Bemalung schien nur ein ziemlich schäbiger alter graugrüner Anstrich zu sein! Was sollte man tun?
Zunächst untersucht man, wie die Oberfläche in früheren Zeiten gedacht war: Marmor, Stein und Eisen… oder eher Bronze! Verschiedenste Materialien, aus denen solche Monumentalskulpturen sein könnten, waren in der Vergangenheit als Illusionsmalerei immer wieder übereinander aufgetragen worden.
Diese Fassungstreppe, bei der Schicht für Schicht von oben nach unten abgetragen wurde, um zu zeigen, was sich alles unter der Oberfläche verbirgt, haben wir übrigens nicht überdeckt! Finden Sie die Stelle?
Zwei weitere Herkulesgruppen, die heute an anderer Stelle verwahrt werden, sehen ganz anders aus
Eine Imitation von weißem Marmor war vor Jahrzehnten freigelegt worden! Kann man das hier nicht auch machen? Sieht doch edel aus? – Leider nein:
Bei näherem Hinsehen merkt man, dass die Oberfläche, die auf den ersten Blick nach edlem Carraramarmor aussieht, eher ein Flickenteppich aus Resten alter Fassung und Kittungen ist. Wollte man so eine Freilegungsmaßnahme nach heutigem Standard durchführen, inklusive Personenschutz gegen Bleiweißstaub, wäre das kaum finanzierbar.
So sieht die weiße „Marmorfassung“ aus der Nähe aus – die helleren Bereiche sind Kittungen mit Retuschen.
Was also dann? Wir entscheiden uns dafür, die Wirkung wiederherzustellen, die zuletzt beabsichtigt war: Eine Art Bronzeimitation!
Wie aber macht man aus diesem verwahrlosten Zustand eine dunkel glänzende Oberfläche? Einige Versuche später zeigt sich, dass man mit den üblichen Restaurierungsmaßnahmen Festigen, Reinigen und Retuschieren ziemlich weit kommt. Ein Überzug bringt Tiefenlicht und damit auch den dunklen Glanz zurück.
Das erste Bild zeigt auf dem Arm in etwa den Zustand, der auf allen Ausstellungsstücken erreicht wurde.
Natürlich ist die Bemalung nicht „wie neu“. Das ist auch nicht unser Ziel. Das Bestreben einer zeitgemäßen Restaurierung ist, das Kunstwerk durch so wenige Eingriffe wie möglich zu erhalten und seine Qualität wieder zur Geltung zu bringen. Im Vordergrund stand bei der Restaurierung der Herkulesskulpturen der Anspruch, die herausragende Qualität der Schnitzerei wieder ablesbar zu machen.
Mit Restaurierung allein war es aber hier nicht getan: Die Zimmerleute der Schlösserverwaltung haben einen fehlenden Sockel nachgebaut und gemeinsam mit den Bildhauern die schwere Skulpturengruppe „Herkules mit dem nemäischen Löwen“ draufgesetzt (Abb. 1). Unsere Bildhauer haben alte Stücke verleimt und auffällige Fehlstellen bildhauerisch ergänzt (Abb. 2). Die Fassmalerin hat Bereiche ergänzt, die auch bei diesen Figuren bereits auf die weiße „Marmor“- Oberfläche freigelegt waren (Abb. 3) So bildeten bei dieser Restaurierung Spezialisten aus Kunsthandwerk und Handwerk mit den Restauratoren ein Team! Dass alle unter einem Dach versammelt sind, ist eine Besonderheit des Restaurierungszentrums der Schlösserverwaltung. Das Ergebnis sehen Sie bei einem Besuch in der Residenz!