Unter den zurzeit im Residenzmuseum laufenden Restaurierungsprojekten hätte König Ludwig I. (reg. 1825-1848) wohl vor allem eines besonders am Herzen gelegen: Die Konservierung und Wiederinstandsetzung des Freskenzyklus mit italienischen Landschaften, der in seinem Auftrag 1830-33 von dem jungen Maler Carl Rottmann (1797-1850) geschaffen wurde.
Seit mehreren Jahren bemühen wir uns, diesem für die deutsche Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts sehr bedeutenden Ensemble von Wandgemälden seinen alten Glanz zu verleihen. Ursprünglich schmückten die 28 Fresken die westlichen Arkaden des Hofgartens (der nördliche Arkadengang sollte im Gegenzug mit griechischen Landschaften ausgestattet werden, die heute in der Neuen Pinakothek bewundert werden können). Im Krieg musste die dünne Putzschicht mit der Malerei hastig von den Wänden der Arkaden abgetragen und geborgen werden und erlitt dabei starke Beschädigungen
Die neue Montierung auf Trägerplatten in den 1950er Jahren hat ebenfalls ihre konservatorischen Probleme. So führen die stark nachgedunkelten und großflächig überarbeiteten Fresken ein wenig beachtetes „Schattendasein“ im (ansonsten schön erleuchteten) Allerheiligengang des Residenzmuseums.
Mehr als genug Grund also, hier tätig zu werden: Denn nicht nur gilt es, die ursprüngliche Schönheit von Rottmanns Landschaften wieder mehr ins Bewusstsein der Besucher zu bringen, auch die Geschichte der Bilder ist spannend. Schließlich zeigen sie in fast 30 Etappen den virtuellen Besuch eines Reisenden, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus dem nasskalten und unwirtlichen Deutschland kommend, ganz Italien bis nach Sizilien hinunter kennenlernt.
Der Reisende ist niemand anderes als König Ludwig I. selbst, der bereits als Kronzprinz und danach immer wieder begeistert Italien durchzog. Hier sammelte er, unterstützt von seinem Architekten Klenze, Inspiration für den späteren Umbau Münchens und der Residenz. Nebenbei absolvierte er zudem fern seiner Gattin ein intensives amouröses Reiseprogramm.
Aus mehr als einem Grund also erschien Ludwig Italien als der klassische Ort seiner Sehnsucht und diese Liebe für das südliche Land schlug sich auch schriftlich nieder: Der König, der in sich lebenslang eine starke poetische Ader pochen fühlte, versuchte seine Eindrücke im Angesicht der Landschaften und Ruinen Italiens in klassischen Zweizeilern („Distichen“) festzuhalten. Dabei bemühte er ein Pathos, das uns heute zweifellos manchmal den Genuss der royalen Verse erschwert, aber die Schönheit des antiken Erbes Italiens in der gebundenen Sprache widerspiegeln sollte.
„Flieh aus den Mauern von Rom, um Rom das alte zu fühlen,
Flieh in die Einsamkeit her, wo es sich lebet dem Geist“.
Mit diesen Worten beschrieb Ludwig das Motiv „unseres“, gerade im Restaurierungsatelier bearbeiteten Freskos: Es zeigt – momentan noch verschattet und ohne viel Tiefenlicht – die „Acqua Acetosa“, die Reste eines antiken, im 17. Jahrhundert neu gestalteten Brunnenhauses, in dessen Grund eine Quelle entspringt. Heute im Stadtgebiet, vor 200 Jahren aber noch vor den Toren Roms gelegen, ist es immer noch ein schönes, kühles Plätzchen für den Wanderer. Zu der Zeit, als Ludwig I. und einige Jahre später Carl Rottmann Italien besuchten, muss von dem Nebeneinander lebendigen Wassers und Trümmern der römischen Hochkultur inmitten der weiten Campagna mit dem breit strömenden Tiber eine besondere, leicht schwermütige Stimmung ausgegangen sein.
Es ist vor allem diese romantische Atmosphäre, die Begrenztheit menschlicher Zivilisation gegenüber den ewigen Konstanten Zeit und Natur, auf die sich der Künstler Rottmann in seiner Interpretation konzentriert hat. Ludwig I. auf jeden Fall ließ rund um die Quelle Bänke aufstellen, wohl um im Angesicht der kleinen Ruine die besungene Einsamkeit zu genießen, in der er die große Vergangenheit Roms eindringlich erahnte. Übrigens vor allem für das Auge ein wohltuender Eindruck: Dem Wörterbuch entnehme ich, dass sich die Bezeichnung „acetosa“ vom italienischen Wort für Essig ableitet, mithin die Qualität des antiken Gewässers offenbar etwas zu wünschen übrig ließ. Verständlich also, dass Ludwig seinen Durst in der Regel im Kreis verschiedener Künstler in Roms „spanischer Taverne“ zu löschen pflegte. Vielleicht ist in der Gedanke für den italienischen Freskenzyklus dort in sentimental-animierter Weinstimmung entstanden?
Wir auf jeden Fall sind nach Kräften bemüht, die ehemalige Vision einer Traumlandschaft unter ewig blauem Himmel wiedererstehen zu lassen.
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