Tatsächlich wirkt der rundliche Marmorkopf mit den etwas feisten Wangen so, als habe sein distinguierter Träger zu viel von der Salzburger Schokospezialität verkostet. Und warum auch nicht, es ist schließlich der berühmte Kompositeur selbst – Wolfgang Amadeus Mozart, das „Wolferl“, den man sich physiognomisch gern graziler und anmutiger vorstellt – eher passend zur „Kleinen Nachtmusik“ statt zur wuchtigen Ouverture des „Don Giovanni“ …
An ihrem Platz in den Kurfürstenzimmern der Residenz erinnert die Büste aus dem frühen 19. Jahrhundert an das, für die Münchner Musikgeschichte nur bedauerlich kurze Zwischenspiel, das der junge Komponist hier absolvierte: Nach frühen Konzerten des „Salzburger Wunderkinds“, die bekanntermaßen vom geschäftstüchtigen Vater Leopold gemanagt wurden, kam Mozart, dessen Familie väterlicherseits aus Augsburg stammte, inzwischen ein ausgewachsener Wunder-Twen, erneut in München vorbei. Hier komponierte er bis zum Februar 1775 die Musik für die verwickelte Opera buffa „La finta gardiniera“ – „Die Gärtnerin aus Liebe“ –, die dann als Karnevalsunterhaltung im Redoutenhaus, einer Art öffentlicher Tanzsaal mit Theater, nahe der Residenz gegeben wurde. Ein Hauptinteresse Mozarts an der Münchner Produktion war, den Kurfürsten Max III. Joseph, der persönlich ein großer Musikliebhaber war, und seinen Theaterintendanten Graf Seeau auf sich aufmerksam zu machen und möglichst eine Anstellung als fest besoldeter Hofmusiker zu erwerben.
Mozart auch, Max III. Joseph persönlich zu sprechen. Er passte den Landesherren im Vorzimmer seines Appartements ab, wo sich Bittsteller zu versammeln pflegten – also etwa in dem Bereich, in dem heute die Büste Aufstellung gefunden hat. Aber der Kurfürst, mit ehrlicher oder vorgeschützter Eile gerade auf dem Weg von oder zur Jagd, außerdem bekanntermaßen sparsam, verpasste seine Chance, als visionärer großer Förderer der Münchner Musikgeschichte einzugehen: Mit den berühmten Worten „Es ist leider keine Vaccatur (Vakanz/freie Stelle) da“ wurde Mozart kurz und abschlägig beschieden. Er ging nach Wien und verfolgte dann dort seine bekannte, kurze Karriere von „Entführung aus dem Serail“ und „Figaros Hochzeit“ bis zur „Zauberflöte“ und dem anonymen Armengrab auf dem St. Marx-Friedhof …
Es war dann Ludwig I., der 1811 in seiner Kronprinzenzeit in Rom eine Büste des früh verstorbenen Komponisten durch den Schweizer Bildhauer Heinrich Keller anfertigen ließ. Zwischenzeitlich hatte sich der Ruhm Mozarts international verbreitet und gefestigt. Der Hintergrund von Ludwigs Auftrag war sein damals schon gefasster Plan, ein Ruhmesmonument zu Ehren bedeutender „teutscher“ Helden, Künstler und Denker zu schaffen, ein Projekt, das dann Jahre später im Bau der Walhalla bei Regensburg konkretisiert wurde. Den Auftrag an den Bildhauer vermittelte Ludwigs Kunstagent Martin von Wagner. Für seine Büste standen Keller – fern von Salzburg und Wien – nur wenige Bildquellen zur Verfügung, um die von Ludwig dringend gewünschte Porträtähnlichkeit zu erzielen. Der Bildhauer löste das Problem letztlich, indem er die verschiedenen Vorlagen in seiner Version zusammenfasste. Ob er damit einen authentischen Mozart geschaffen hat, ist fraglich – ähnlich fraglich übrigens aber, wie das ungleiche bekanntere Konterfei Mozarts, das Pralinen- und Musikliebhaber von der Packung der Mozartkugeln kennen und lieben.
Die berühmte Vorlage von Barbara Krafft entstand ebenfalls posthum 1819 – der Vergleich mit der Münchner Büste zeigt – einer der beiden Künstler muss sich wohl irren. Letztlich ist es aber auch egal, wie der Mann aussah – was bleibt, ist die Musik, die immer bezaubert – besonders, wenn man sie sich als Hintergrundmusik in einem zeitgenössischen Rokokoensemble wie den Räumen der Residenz imaginiert!