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Versilbertes Plastik – Ein barocker Wandleuchter aus dem 3D-Drucker

Wandleuchter aus dem Neuen Schloss Schleißheim

Wie gelingt es, eine jahrhundertealte Meisterleistung mit moderner Technologie nachzubilden? In unserem Restaurierungszentrum wird derzeit an einem besonderen Wandleuchterpaar gearbeitet: Einer ist fast 300 Jahre alt, der andere kommt frisch aus dem 3D-Drucker.

Inventarnummer Wandleuchter Neues Schloss Schleißheim

Inventarnummer auf der Rückseite des historischen Wandleuchters

Ein historisches Schmuckstück

Vor ein paar Jahren hat die Bayerische Schlösserverwaltung einen Wandleuchter aus der Zeit von Kurfürst Max III. Joseph auf dem Kunstmarkt erworben. Ein sorgfältig beschriftetes Etikett auf der Rückseite verrät, dass er einst im Neuen Schloss Schleißheim hing. Ursprünglich bildete er zusammen mit einem spiegelbildlichen Wandleuchter ein Ensemble, das an der Fensterseite des Schlafzimmers der Kurfürstin angebracht war. Da zu erwarten ist, dass der zweite Leuchter früher oder später ebenfalls auf dem Kunstmarkt auftauchen wird, soll bis dahin eine Nachbildung seinen Platz neben dem Original einnehmen.

historischer Wandleuchter Schleißheim

Von Hand geschnitzt oder maschinell gefertigt?

Der originale Leuchter ist aus Holz geschnitzt und versilbert. Er besitzt eine Eisendrahtverstärkung, welche trotz der geschwungenen Formen der filigranen Arme Stabilität ermöglicht. Um den etwa 4 mm dicken Eisendraht wurden abschnittsweise Holzklötzchen gelegt, aus denen der Leuchter geschnitzt wurde.

Für die Nachbildung des zweiten, fehlenden Leuchters hätte unsere Bildhauerwerkstatt eine aufwendig handgeschnitzte Kopie anfertigen können. Dies hätte jedoch über 450 Arbeitsstunden erfordert – ein unverhältnismäßig hoher Aufwand für einen vorübergehenden Ersatz. Aus diesem Grund entschieden sich unsere Experten aus dem Restaurierungszentrum, eine neue Methode auszuprobieren: die Herstellung einer gespiegelten Kopie mithilfe eines 3D-Druckers.

Wandleuchter im Computertomograph

Der originale Leuchter lässt sich aufgrund seiner silbernen Oberfläche nicht gut mit einer optischen Rundumaufnahme 3D-scannen. Die Reflexionen verfälschen die Punktwolke des 3D-Modells, sodass die Form nicht richtig wiedergegeben werden kann. Eine Alternative bietet die Computertomographie. Da man allerdings mit seinem historischen Wandleuchter nicht so leicht an einen Termin im Krankenhaus kommt, kooperierte das Restaurierungszentrum mit der Firma ZEISS. Mithilfe eines Industriecomputertomographen konnte ein detailliertes 3D-Modell des Leuchters erstellt und anschließend gespiegelt werden. Ein zusätzlicher Vorteil der des Computertomographen: Die Röntgenstrahlung ermöglicht den Blick in das Innere des Leuchters und macht die Eisendrahtverstärkung im Holz sichtbar.

creabis 3D Druck Wandleuchter

3D Druck mit PMMA Pulver in Kooperation mit der Firma Creabis

3D-Druck barocker Formen

Wer schon einmal den Prozess eines 3D-Drucks beobachtet hat, weiß, dass überhängende Formen einem 3D-Drucker oft Schwierigkeiten bereiten: Während vertikale Strukturen beim schichtweisen Druck problemlos realisiert werden können, erfordern horizontale Formen Stützstrukturen, um nicht während des Drucks in sich zusammenfallen. Ein Blick auf die geschwungene Formensprache unseres Leuchters verrät, dass hier einiges an Stützmaterial zu drucken gewesen wäre.

Für den Leuchter wurde jedoch nicht das herkömmliche 3D-Druckverfahren mit einer Filamentspule verwendet. Stattdessen kam das Pulverdruckverfahren zum Einsatz. Dabei wird feines Polymerpulver Schicht für Schicht in eine Box gefüllt und ein Laser verschmilzt das Pulver an den gewünschten Stellen. Am Ende wird der fertige Leuchter vorsichtig aus dem umgebenden Pulver „freigelegt“.

Wandleuchter Schleißheim 3D-Druck und Original

links: gespiegelter 3D-Druck des Wandleuchters, rechts: historisches Original

Leuchtendes Silber

Der fertige 3D-Druck wurde in unserer Bildhauerwerkstatt sorgfältig nachbearbeitet und anschließend von unserer Vergoldermeisterin mit einer feinen Silberschicht versehen. Die angewandten Techniken waren hierbei dieselben, wie man sie schon vor fast 300 Jahren beim Originalleuchter angewandt hatte. Mit der Ausnahme, dass das Material (PMMA, auch als Acrylglas bekannt) deutlich undankbarer in der Bearbeitung ist als Holz.

Wandleuchter Schleißheim

links: versilberter 3D-Druck, rechts: historisches Original

So wie der Leuchter jetzt gerade aussieht – frisch versilbert und hochglänzend – kann man sich ausmalen, wie die Räume früher ausgesehen haben müssen, als sie erst neu eingerichtet waren. Damit der Leuchter an seinem späteren Standort im Neuen Schloss Schleißheim nicht wie ein leuchtender Fremdkörper hervorsticht, soll der Leuchter in Zukunft noch mit einer angleichenden Retusche versehen werden, die ihn optisch an den historischen Wandleuchter anpasst.

Detail Wandleuchter Schleißheim

links: versilberter 3D-Druck, rechts: historisches Original

Den Unterschied sieht man im Detail

Schaut man sich beide Leuchter ganz genau an, erkennt man, dass der 3D-gedruckte etwas weichere Formen hat und nicht ganz so präzise Linien aufweist wie der originale Leuchter. Das liegt nicht etwa daran, dass der 3D-Scan nicht detailreich genug sei. Es ist auf die Technik der Versilberung zurückzuführen. Bildhauerinnen und Bildhauer schnitzen Ornamente, die versilbert werden sollen, bewusst scharfkantiger als das endgültige Ergebnis aussehen soll. Die vielen Schichten, die für eine Versilberung oder Vergoldung noch über das geschnitzte Objekt gelegt werden, lassen Kanten weicher erscheinen. Da der Scan vom schon versilberten historischen Leuchter gemacht wurde, enthält der 3D-Druck bereits diese weicheren Kanten. Diese werden durch die Versilberung des Drucks zusätzlich geglättet und scheinen deshalb weniger präzise als beim Original.

Neues Schloss Schleißheim Paradeschlafzimmer der Kurfürstin

Neues Schloss Schleißheim, Appartement der Kurfürstin, Paradeschlafzimmer

Letztendlich bleibt die Nachbildung also beim genauen Hinsehen als solche erkennbar, ohne den Gesamteindruck des Raumes zu beeinträchtigen. Wir sind jedenfalls schon gespannt, wie sich die beiden Wandleuchter in Zukunft im Raum präsentieren werden – und freuen uns auf den Tag, an dem das fehlende Original sein Gegenstück wieder ergänzt.