Ab der Sommersaison 2022 werden in Schloss Seehof in der Dauerausstellung einige neue Objekte zu sehen sein. Dies ist nicht zuletzt ein willkommener Anlass, sich noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, wie komplex sich die Einrichtung des Schlosses seit den 1970er Jahren gestaltet hat.
Das Metropolitan Museum of Arts kam über die Stiftung der Lesley und Emma Sheafer Collection in den Besitz einer Kommode mit weiß-goldener Fassung. Der Korpus scheint ganz natürlich zu schwingen, auch die Beschläge fügen sich organisch in den Korpus ein. Die Füße passen sich in ihrer bewegten Dynamik dem organisch-vegetabilen Charakter an, sind mehr Ornament als tragendes Element. Ohne Zweifel sind es gerade Möbelstücke wie jene Kommode, die den Ruhm Schloss Seehofs in der Möbelkunstgeschichte begründet haben. Obwohl diese Kommode nach wie vor im Raum in New York zu besichtigen ist, findet sie sich auch in der Dauerausstellung in den fürstbischöflichen Räumen des Schlosses Seehof – als Kopie.
Dieses wunderbare Möbelstück steht deshalb geradewegs paradigmatisch für die aktuelle Präsentation in Seehof, deren kuratorische Leistung seit der Übernahme durch den Freistaat Bayern in den 1970er Jahren beileibe keine geringe ist. Ganz im Gegenteil: Die Ausgangssituation für die museale Erstausstattung war für die damaligen Kuratoren alles andere als komfortabel. In den eigenen Worten der einst maßgeblichen Protagonisten Michael Petzet und Alfred Schelter:
„Nach dem Tod des letzten, 1951 im Schlossweiher ertrunkenen Baron Franz Joseph von Zandt und dem Übergang des Schlossbesitzes an die Familie von Hessberg brachten Versuche einer landwirtschaftlichen Spezialisierung keinen wirtschaftlichen Erfolg. Und leider scheiterte 1966 auch der Versuch, den gesamten Schlossbesitz an den Staat zu veräußern. Dem Exodus einzelner Möbel, Bilder und Gartenfiguren folgte bald ein systematischer Ausverkauf über den Kunsthandel, der zum weitgehenden Verlust des Inventars von Seehof führte. Im Zuge dieses von den privaten Eigentümern seit 1956 betriebenen Ausverkaufs nicht nur der Schlossausstattung, sondern auch der Parkfiguren, wurden zahlreiche Stücke aus Seehof in alle Welt zerstreut, gelangten in Privatbesitz oder in verschiedene Museen (…). Erst 1975 war es dank des neuen bayerischen Denkmalschutzgesetzes möglich, den weiteren Ausverkauf zu verhindern und – statt einer nach dem Gesetz möglichen Enteignung – Schloss und Park aus Mitteln des vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst verwalteten Entschädigungsfonds für den Freistaat Bayern zu erwerben. Seitdem werden wesentliche Teile des Schlosses und der Nebengebäude als Außenstelle des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege genutzt, das bis zum 31.12.2002 auch die Instandsetzungs- und Restaurierungsarbeiten durchführen ließ.“ (Amtlicher Führer, S. 25ff.)
Für die ehemaligen Prunkräume bedeutete dies nicht zuletzt ein stetes Suchen nach Originalen, die entweder als Leihgaben zurück ins Schloss kamen oder sukzessive angekauft werden mussten. In einigen wenigen Fällen waren Möbel und Kunstwerke noch vor Ort verblieben. In anderen Fällen – und dies führt uns zurück zur Kommode – waren noch vor dem Verkauf Repliken angefertigt worden, um zumindest den Rest einer wohnlichen Atmosphäre auf Schloss Seehof zu erhalten.
So wird heute im Schlafzimmer des Fürstbischofs tatsächlich eine handwerklich hervorragend gearbeitete Kopie der 1960er Jahre gezeigt. Aber erst an ihrem Gegenüber wird die heutige Logik der Ausstellung in den Prunkräumen richtig greifbar: In den 2000er Jahren entdeckte der zuständige Referent der Schlösserverwaltung eine Kommode im Kunsthandel, die in eine von der Forschung beschriebene Reihe von formähnlichen fränkischen Kommoden, deren ansehnlichster Vertreter eben jene Seehofer Kommode ist, zu passen schien. So wird der Seehofer Bestand am originalen Ort heute durch eine hervorragende Replik und ein wohl nicht aus dem Schloss stammendes, aber ähnliches Objekt vertreten.
Seehof als Höhepunkt des Rokokos im Bamberger Fürstbistum
Der Blick auf die Kommoden zeigt eindrücklich, wie komplex sich die Situation in Seehof einerseits gestaltet, wie weit man aber andererseits in den letzten Jahrzehnten schon gekommen ist. Im Bereich der Möblierung des Museums werden sich, auch aufgrund der begrenzten Ausstellungsfläche, tatsächlich nur noch Nuancen ändern können. Doch Nuancen entfalten hier in einem kontinuierlich gewachsenen Schauraumkonzept bereits große Wirkung.
So mag beispielsweise die Aufstellung eines großen Barockschranks im Bereich des Gardesaals für sich genommen auf den ersten Blick für die Möblierung der Hauptraumflucht nicht wirklich maßgeblich sein, sie ist aber ein weiterer Baustein, um den Besucherinnen und Besuchern die unglaubliche Fülle an hervorragenden Stücken zu zeigen, die einst in Seehof geherrscht haben muss. Seehof war eben nicht nur der Höhepunkt des Rokoko im Fürstbistum Bamberg mit den bekannten großen Namen – es zeigt auch und gerade in jenen Stücken, die man zunächst gerne übersieht, jene handwerkliche Perfektion, die der kunstvollen Möbelschreinerei Bamberger Provenienz seit Heinrich Kreisel gerne zugeschrieben wird.
Trotzdem landen wir nun im Folgenden tatsächlich wieder bei jenen, bereits angesprochenen großen Namen: Neben Balthasar Neumann, der für die Planung der Orangerien verantwortlich zeichnet, sind es bekanntermaßen vor allem drei Künstler, die den Ruhm Seehofs begründet haben: Der Bildhauer Ferdinand Tietz, der Maler Giuseppe Appiani und – wie jüngere Forschungen hervorgehoben haben – Ferdinand Hundt als Kunsttischler. Sie bilden rund um das Jahr 1751, in dem auch der Weiße Saal als wichtigstes Seehofer Raumkunstwerk entstanden ist, nichts weniger als eine fruchtbare Künstlergemeinschaft von nationalem Rang.
Umso schöner ist es, dass nun in Seehof ein Ölskizze Appianis, ein so genannter Bozzetto, erlaubt, gleichsam visuell in die Genese des Weißen Saales einzutauchen. Wer sich in die kleinformatige Skizze eingesehen hat, wird wohl Appianis Kunstfertigkeit noch stärker zu schätzen wissen, als durch die bloße Betrachtung des ausgeführten Deckengemäldes. Mit sehr flottem Pinsel zaubert Appiani eine Stimmung, die sich so dann tatsächlich auch gar nicht vollständig in der sorgfältigen Ausführung widerspiegeln kann. Dort verändert grundsätzlich nur wenig: Er legt die Gruppe insgesamt etwas flächiger an, bleibt aber streng bei der skizzierten pyramidalen Anlage der Figurengruppe rund um den antiken Gott des Meeres Neptun.
Ein Detail scheint gerade im Zusammenhang mit der ursprünglichen Arbeitsteilung zwischen Appiani und möglicherweise Ferdinand Hundt als Gestalter der Kaminrahmungen interessant zu sein: Appiani legt bereits in seinem Skizzenblatt das Ineinandergreifen von Wandgestaltung und Deckenmalerei an. Das Detail einer Welle, die sich bereits formal hin zum dekorativen Element, zur Rocaille auflöst, hat Appiani recht unmissverständlich bereits in seiner schnellen Ölskizze eingeführt. Den künftigen Besuchern Schloss Seehofs ermöglicht die Ölskizze nun zweierlei: Das Staunen über Appianis Meisterschaft, auch und gerade in der kleinen, vermeintlich unpräzisen Form und den detaillierten Vergleich zwischen Präsentationsentwurf und Ausführung.
Weitere Objekte ergänzen die Ausstellung
Ein weiteres Gemälde komplettiert künftig die Sammlung des Schlosses.
In der Bischofsreihe im Gardesaal klaffte eine empfindliche Lücke, die nur notdürftig mit einem zweiten Portrait des wirkmächtigen Fürstbischofs Adam Friedrich von Seinsheim geschlossen werden konnte.
In der Reihe der Würdenträger fehlte ausgerechnet der spiritus rector des Weißen Saals, jener Fürstbischof, der als erster Ferdinand Tietz nach Seehof gebracht, Hundt mit der Innenausstattung und Appiani mit dem großen Deckengemälde des Weißen Saals beauftragt hatte – Fürstbischof Johann Philipp Anton Frankenstein war bislang in Seehof nicht in persona präsent.
An Möbeln ergänzen die Ausstellung nun zwei Neuzugänge. Aus einer Bamberger Sammlung stammt eine Rokokokommode mit ursprünglich Seehofer Provenienz. Sie illustriert recht gut das hohe Ausstattungsniveau Seehofs Mitte des 18. Jahrhunderts. Das zweite Möbelstück gelangte auf einem durchaus ungewöhnlichen Weg wieder zurück nach Seehof. Mit ihm verbindet sich eine kuriose Geschichte. Wer heute das Sofa im Audienzzimmer betrachtet, wird recht schnell erkennen, dass es sich hier um dieselbe Garnitur handelt, die vor Ort bereits gezeigt wird – nur mit einem deutlich anderen textilen Bezug.
Das ist richtig und falsch zugleich. Bis auf zwei Ausnahmen – Leihgaben des Metropolitan Museums – werden heute im Audienzzimmer ausschließlich Kopien der originalen Garnitur gezeigt. Es sind Kopien, die selbst schon fast wieder einen eigenen Kunstwert entwickelt haben. Sie stammen wie die eingangs erwähnte Kommode direkt aus dem Zusammenhang des einstigen Ausverkaufs der Ausstattung. Allerdings wurden die Stühle und Armlehnsessel in den 1990er Jahren mit den originalen Bezügen mit chinoisen Motiven versehen.
Natürlich steht die Frage im Raum, welcher Sammler das ansehnliche Originalsofa abgegeben hat. Die Antwort ist einfach und komplex zugleich, weil sie noch einmal die Tragik der Seehofer Ausstattung in nuce verdeutlicht: Die Bayerische Schlösserverwaltung hat sich dieses Sofa gleichsam selbst zur Verfügung gestellt. Nur bedingt durch die Räumung des großen Depots der Festung Marienberg in Würzburg konnte den Kolleginnen und Kollegen vor Ort überhaupt ins Auge fallen, dass es sich hier um ein Seehofer Stück handelt. Die Schlösserverwaltung hatte sich tatsächlich ebenso wie andere Institutionen in den 1960er und 70er Jahren um den Ankauf von Seehofer Kunstgut bemüht. So blieben Teile des einstigen Mobiliars zumindest in den Händen des Freistaats. Im Neuen Schloss Bayreuth lassen sich noch heute weitere Möbel dieser Garnitur bewundern. Im Bayreuther Rokoko steckt deswegen zumindest auf Möbelbasis auch eine gute Portion Seehofer Rokoko.
Jenes Seehofer Rokoko kommt wohl in den beiden Wandappliken, die nun im Kammerdienerzimmer den würdigen Abschluss der Schauraumpräsentation bilden, am eindrucksvollsten zum Ausdruck. Nichts mehr an diesen Appliken scheint konstruktiv begründet zu sein, alles ist zur reinen Form, zur Feier der Natur und ihres Reichtums geworden. Auch wenn sich die beiden Leuchter ähneln, gleich sind sie, wie eben auch die Formen der Natur, selbstverständlich nicht. In ihrem freien Formenspiel, in ihrer Zartheit sind sie tatsächlich so etwas wie das Signum des Seehofer Rokoko, das mit den neu in die Ausstellung integrierten Objekten nun, so bleibt zu hoffen, noch etwas eindrucksvoller zu erleben ist.