Weniger wie ein glückliches Geburtstagskind und eher skeptisch schaut der nicht mehr ganz junge Mann unter seiner imposanten Perücke hervor. Trotzdem sieht er für seine 325 Jahren noch erstaunlich wohl erhalten aus – der kurfürstliche Baumeister Joseph Effner, hier wohl konserviert durch den Pinsel des Jacopo Amigoni von 1720/21 (Schloss Schleißheim).
Am 4. Februar 1687, so meldet es ein alter Kirchenbucheintrag, wurde der Sohn des Dachauer Hofgärtners Effner oder Oeffner getauft – und feiert so sein 3-1/4- Jahrhundertsjubiläum im Windschatten seines hochwohlgeborenen Chefs und Hauptauftragsgebers: dem „blauen Kurfürsten“ Max Emanuel, dessen 350. Geburtstag am 11. Juli 2012 begangen wird. Möglich, dass Max Emanuel nicht der sympathischste und sicher nicht der erfolgreichste in der langen Reihe der über Bayern herrschenden Wittelsbacher war. Sicher aber ist er derjenige, der am glanz- und lustvollsten zu repräsentieren verstand: Die barocken Umgestaltungen in der Residenz, an den Schlössern Nymphenburg und Dachau und vor allem die imposante Palastanlage, die er in Schleißheim errichten ließ, sprechen für sich.
An der ganzen Pracht hatte Effner einen gehörigen Anteil, war er doch der leitende Künstler, der die Ausstattung der Räume, das Mobiliar, die Stuckdekorationen und Schnitzereien der Vertäfelungen entwarf und ihre Ausführung durch verschiedene Künstler und Kunsthandwerker koordinierte.
Etwas Glück gehörte zu Anfang natürlich auch dazu – vielleicht wäre der junge Joseph als Nachfolger im väterlichen Gärtnerberuf versauert und nie aus den Beeten bis ins feine Innere eines Schlosses vorgedrungen, wenn es ihm nicht gelungen wäre, Max Emanuel mit seinen Talenten auf sich aufmerksam zu machen. Da der Kurfürst immer um die Förderung heimischer Künstler bemüht war, um seine weitreichenden Visionen umzusetzen, investierte er in Effner. 1706 schickte er ihn zur Ausbildung ins damalige Zentrum aller aktuellen Mode- und Kunstströmungen: nach Paris und – später – auch nach Italien. Als Effner 1715 aus Frankreich zurückkehrte wo er sich in den Ateliers führender Architekten, vor allem bei Germain Boffrand, weitergebildet hatte, war er bereit „loszulegen“: Die Ergebnisse kann man bis heute im Münchner Umland bestaunen: Etwa die barocke Fassade von Schloss Dachau, große Teile von Nymphenburg zusammen mit drei der berühmten „Parkburgen“, Schloss Fürstenried im Süden von München… Vieles allerdings ist auch wieder verschwunden – darunter bedauerlicherweise das meiste, das Effner für die Residenz geschaffen hat: Vor allem die von ihm bis 1726 neu eingerichteten Wohnräume Max Emanuels sind in großen Teilen bereit 1729 einem großen Brand zum Opfer gefallen. Die erhaltenen Reste sind dann zwei Jahrhunderte später im Weltkrieg weiter zerstört worden.
Umso froher müssen wir über das Erhaltene sein, das wir am Geburtstag unseres Helden natürlich gern vorführen: Etwa die Ahnengalerie im Erdgeschoss der Residenz.
Ihr prächtiges Erscheinungsbild mit den umgreifenden Ornamentschnitzereien, die die Bilder der alten Wittelsbacher in ein goldenes Gespinst von Palmwedeln, Blütenranken und fabelhaften Mischwesen einbinden, veranschaulicht Effners Begeisterung für den französischen „Régence-Stil“, den er in Paris hatte studieren können.
Dieser Vorläufer des Rokoko wurde in Deutschland ansonsten vor allem duch Musterbücher mit Kupferstichen bekannt, die Effner vielleicht zusätzliche Inspiration für seine Gestaltung boten. Wie so ein verwickeltes Régence-Ornament ins Dreidimensionale überführt werden kann, zeigen besonders schön zwei vergoldete Konsoltische (also Tische die nur zwei Beine haben und sich an eine Wand „anlehnen“) in Raum 56.
Die eigentlich starren, kantigen Tischbeine schwingen vor und zurück und stehen vielleicht auch wegen dieser „Sprungfreudigkeit“ auf Bocksfüßen. Ihre Ecken und Kurven dienen einer kleinen Menagerie als Tummelplatz: Da winden sich Schlangen, und wer neugierig unter die Tischplatte linst, wird statt von einem gelangweilten Schoßhund von einem geflügelten Drachen angeknurrt – zum Glück angekettet. Als Kontrast zu so vielen gefährlichen Reptilien lächeln von den Ecken dafür schöne, wenn auch körperlose Damenköpfe: Die ganze Phantasie einer Ornamentik, die architektonische, figürliche und erzählerische Elemente frei miteinander kombiniert, macht so aus einem schlichten Möbel gleich eine ganze Erlebniswelt. Die kurfürstlichen Vorzimmer, in denen sich die Konsoltische befinden, gehörte bis zu den Zerstörungen des 2. Weltkriegs zu den wenigen Gemächern der Residenz, die noch einen guten Eindruck von Effners Dekorationsstil vermitteln konnten. Unser historisches Foto zeigt, dass die vertäfelten Wände, die plastischen Kachelöfen, Wandleuchter und Bilderrahmen in gleicher Weise wie die erhaltenen Konsoltische einen festlichen und phantasievollen Gesamteindruck herstellten.
Trotzdem bewahrte sein Können Effner nicht davor, in der zweiten Lebenshälfte einen heftigen Karriereknick zu erleiden: Max Emanuels Sohn, der neue Kurfürst Karl Albrecht, zog den jüngeren Cuvilliés vor, der modernere Lösungen für die neu anstehenden Bauaufgaben anzubieten hatte. Ein Grund mehr für uns, heute umso nachdrücklicher zu gratulieren: nicht nur Effner, sondern auch uns, dass wir einige seiner schönsten Werke unseren Besuchern bis heute präsentieren können!
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