In Bayreuth entsteht derzeit ein neues Museum! Im Redoutenhaus des Markgräflichen Opernhauses Bayreuth könnt ihr im kommenden Jahr im „Opernhausmuseum“ Wissenswertes über die Bayreuther Theatergeschichte sowie die Auftraggeberin und die Architekten des Bauwerks erfahren. Um eure Vorfreude auf das neue Museum zu wecken, erzählen wir euch in den kommenden Monaten zahlreiche spannende Hintergrundgeschichten rund um das Opernhaus sowie das benachbarte Redoutenhaus. Kommt gerne mit und begleitet uns auf dem Countdown zum neuen Museum.
Bereits König Ludwig II. fiel auf, dass das Opernhaus der berühmten Markgräfin Wilhelmine etwas ganz Besonderes war. Welche Maßnahmen er zu seinem Erhalt anordnete, erfahrt ihr im ersten Beitrag unserer neuen Blogserie.
Weltweit bekannt ist das Interesse König Ludwigs II. von Bayern für die mittelalterliche Sagenwelt oder die fantastischen Sphären des Orients und natürlich ganz besonders für die Glanzzeit des französischen Absolutismus. Dass Ludwig II. aber auch das barocke Bayreuth mit dem „Musenhof der Markgräfin Wilhelmine“ faszinierte, rückt leider allzu oft hinter die seit 1876 dort stattfindenden, alles überstrahlenden „Bühnen-Festspiele“ Richard Wagners. Weniger bekannt ist auch, dass wir dem Bayerischen Märchenkönig heute die früheste farbige Innenraumansicht des Markgräflichen Opernhauses von 1879 zu verdanken haben und Ludwig für sich allein in einer Separatvorstellung ein aufwendiges Theaterstück mit Markgräfin Wilhelmine und ihrem Bruder, dem preußischen König Friedrich dem Großen, als Hauptakteure inszenieren ließ.
Auslöser für König Ludwigs Beschäftigung mit der Markgräfin Wilhelmine waren deren Memoiren (ab 1810 publiziert), die er intensiv im Jahr 1879 studierte: „Im vorigen Sommer las ich, wie Ihnen bekannt ist, viel über die Markgräfin Wilhelmine, Friedrichs des Großen berühmte Schwester und über Voltaire.“ (Brief König Ludwig II an Friedrich v. Ziegler am 20. April 1880) Angeregt durch die farbenfrohen Beschreibungen der Markgräfin über ihr Leben und den Bayreuther Hof befahl Ludwig im selben Jahr seinem Hofsekretär die Instandsetzung der Eremitage sowie des Markgräflichen Opernhauses anzugehen: „Bis jetzt ist viel zu wenig zur richtigen Instandhaltung der Eremitage bei Bayreuth und deren Anlagen geschehen, es ist Mein Wille, daß schon in allernächster Zeit damit begonnen werde die dortigen Gebäulichkeiten zu untersuchen und zu restauriren [sic!].“ (Brief König Ludwig II. an Ludwig Bürkel am 06. August 1879) Anscheinend kannte Ludwig II. die Zustände in Bayreuth sehr genau, wenn er fortfährt: „weil es allzu schade wäre diesen reizenden Aufenthalt mehr und mehr herunter kommen zu lassen, was leider nur allzu sehr geschah.“ Wie glaubhaft historisch authentisch er die Aufzeichnungen Wilhelmines ansah, belegt seine Vorgabe zu den Räumlichkeiten in der Eremitage, die „wieder so werden [sollen] wie dieselben in den Mémoiren der berühmten Markgräfin von Bayreuth beschrieben sind.“
Wenig verwunderlich ist es, dass König Ludwig II. auch das alte barocke Opernhaus in Bayreuth aufgrund seiner barocken Pracht aufgefallen ist, zeigte er doch zeitlebens besonderes Interesse für barocke Festsäle und Theater. Auch dieses musste auf königlichen Befehl wieder in neuem Glanz erstrahlen: „Wie das Herunter kommen der Eremitage höchst beklagenswerth ist, so ist es auch mit dem alten Opernhaus welches sich in Bayreuth befindet der Fall, auch bei diesem werden die Kosten der Restauration nicht viel betragen, dieselbe soll also gleichfalls vorgenommen werden.“ Dass es sich beim Bayreuther Opernhaus um etwas ganz Besonderes handelte, hat Ludwig bemerkenswerterweise schon über 100 Jahre vor der UNESCO-Welterebenominierung erkannt: „Dieses sehr schöne interessante Theater ist in dem reiche Style des achtzehnten Jahrhundert [sic!] erbaut; auch einen reichen und besonders schönen Vorhang ähnlich jenem berühmten der von den Franzosen als Kriegsbeute mitgeführt wurde, will ich stiften.“ Leider wissen wir nichts Weiteres über dieses königliche Geschenk für Bayreuth. Ob der Vorhang überhaupt je ausgeführt wurde, ist ungewiss, eine Bereicherung für das barocke Logenhaus wäre er auf jeden Fall geworden.
Sicher ist hingegen, dass die älteste farbliche Innenraumabbildung des Bayreuther Opernhauses auf König Ludwig II. zurückgeht: die bekannte Gouache von Gustav Bauernfeind entstand 1879, die wohl im Zuge der befohlenen Instandsetzung beauftragt wurde. Diese früheste Ansicht des Logenhauses ist für uns heute ein wichtiges Dokument für die barocke Farbigkeit vor den späteren Sanierungen. Auch sind zahlreiche Details, die durch spätere Umbauten (z.B. die Bestuhlung oder die roten Bezüge auf den Balustern) verschwunden sind, hier noch nachweisbar. Gustav Bauernfeind war für König Ludwig II. nur in diesem Fall tätig obwohl er „dem [Maler] der das Bayreuther Theater malte alle Anerkennung aussprechen“ ließ. (Brief von Adalbert Welker an Ludwig Bürkel am 01. Januar 1880)
Die Memoiren Wilhelmines regten König Ludwig II. aber nicht nur an die in die Jahre gekommenen barocken Prachtbauten in Bayreuth wieder mit neuem Glanz zu versehen. Die den König besonders stark interessierenden Themenkreise ließ er sich seit dem Jahr 1872 in sog. Separatvorführungen durch aufwendige Theaterinszenierungen vorführen. Inhalt, Personen und Orte der Dramen gab Ludwig meist detailliert vor, wie auch hier im Falle Wilhelmines: „Es liegt Mir ferner sehr daran daß Sie sich mit dem Dichter Heigel in’s Benehmen setzen wegen eines Stückes, daß im vorigen Jahrhundert zur Zeit des Markgrafen Friedrich des Großen und der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth der geistreichen Schwester Friedrichs des Großen, in der Eremitage spielen soll, auch der Besuch Friedrichs des Großen in dessen Gefolge sich Voltaire befand, soll darin vorkommen. Es ist nothwendig daß der Dichter in dem Stück recht viel feurigen französischen ésprit entwickle.“ (Brief König Ludwig II. an Ludwig Bürkel am 06. August 1879) Der für König Ludwig II. häufig und mit verschiedenen Themen beauftragte Dichter Karl Heigel fertigte für ein Honorar von 4.000 Mark bis März 1880 ein zweibändiges Regiebuch, das dem König offensichtlich gefiel: „auf meine Anregung hin schrieb Heigel ein Stück über jene Zeit, welches demnächst vor mir gegeben werden wird, ich schicke es Ihnen zum Lesen da es für Sie von Interesse sein dürfte. – Es spielt zum Theil in der Eremitage und im Musikzimmer.“ (Brief König Ludwig II an Friedrich v. Ziegler am 20. April 1880)
Aufgeführt wurde das die „Memoiren der Markgräfin“ genannte Theaterstück am 8. und 10. Mai, sowie am 3. November 1880, also nur kurze Zeit nach Fertigstellung der textlichen Fassung. Danach nie wieder! Das über fünf Akte konzipierte Schauspiel setzt vor allem die Bayreuther Eremitage mit dessen Alten Schloss aufwendig in Szene. Auch das dortige steinerne Theater wird innerhalb des Stückes mit der Tragödie Voltaires „Zaire“ bespielt, sozusagen als Schauspiel im Schauspiel.
Um die Liebesbeziehung Markgraf Friedrichs zur Hofdame v. Marwitz hat Karl Heigel mit Rückgriffen aus den Memoiren Wilhelmines ein dramatisches Theaterstück mit dem preußischen König und seiner Schwester gestrickt, das König Ludwig II. sicherlich gefiel. Zentrale Figur ist die kunstsinnige Markgräfin Wilhelmine und ihre Beziehungen zu Ehemann und Bruder, die dramaturgisch letztlich zu einem „Happy End“ geführt wird. Auch der französische Philosoph Voltaire, mit dem Wilhelmine regen Briefkontakt pflegte, musste nach dem Wunsch Ludwigs vorkommen. Voltaires Worte über die Musenwelt Markgräfin Wilhelmines beenden das barocke Schauspiel: „Ah, in Ermitage dünkt mich das Leben ein Fest!“
Ein Gefühl das König Ludwig II. bei seinen Besuchen in Bayreuth, bei denen er stets in der barocken Eremitage residierte, sicherlich gut nachvollziehen konnte.