Ein Gastbeitrag von Priscilla Pfannmüller
Kuratorin am Bayerischen Armeemuseum //
Als am 25. Februar 1623 Herzog Maximilian von Bayern (1573-1651) zum Kurfürsten erhoben wurde und die Kurwürde damit von der pfalzbayerischen auf die Münchener Linie übertragen wurde, war dies schon längst beschlossene Sache. Rangerhöhungen, aber auch generell Reichstage boten den Fürsten des Heiligen Römischen Reiches Gelegenheit, im Rahmen des strengen Zeremoniells die eigene Stellung sowie persönliche Ambitionen einer breiten Öffentlichkeit zu zeigen: Durch prunkvolle Kleidung, ein ausladendes Gefolge und nicht zuletzt eine opulente Reitausstattung konnte man dies alles nach außen kommunizieren.
Im Marstallmuseum in Schloss Nymphenburg sowie im Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt (siehe Titelbild) haben sich zwei derartige Prunkreitzeuge nahezu vollständig erhalten.
Sie stehen beide in engem Zusammenhang mit den Reichstagen und künden vom Anspruch des ersten bayerischen Kurfürsten, der ein halbes Jahrhundert lang die Geschicke des Reiches maßgeblich mitprägte.
Von München nach Mailand nach München
Äußerst gut dokumentiert ist der Auftrag für die Reitgarnitur im Marstallmuseum: Ein Dekret vom 19. Juni 1630 belegt die Zahlung von „ain Gwaldrappa, Item ain Credentzdöckhen, haubtgstiedl und ander auf ain Pferdt gehörig“, die in der Woche zuvor in die kurfürstliche Harnischkammer geliefert wurde. Dies heißt, man zahlte eine Waldrappe, eine Kredenzdecke, das zugehörige Zaumzeug sowie weiteres Zubehör, etwa Sattel und Steigbügel.
Die Reitgarnitur, die sich durch ihren tiefrote Samt und die delikate Goldstickerei auszeichnet, wurde in Mailand gefertigt und in München von dem Hofmaler Wilhelm Schöpfer (+ 1634) entworfen – eigens für den Kurfürstentag. Es galt, auch durch das äußere Erscheinungsbild, dem Kaiser eine Botschaft zu vermitteln: Trotz des seit 1618 andauernden Krieges war man in München in der Lage, eine derartige teure und prestigeträchtige Prunkgarnitur im fernen Mailand zu bestellen.
Eine Sonne, viele Monde und noch mehr Sterne
Weit weniger gut dokumentiert ist die Herkunft einer zweiten maximilianischen Reitgarnitur, die im Bayerischen Armeemuseum seit 2022 als Teil der Dauerausstellung „Bayern wird Kurfürstentum“ gezeigt wird. Die Reitgarnitur wurde im Verlauf der Jahrhunderte mehrfach transloziert und verschiedenen Sammlungen zugeschlagen, sodass sich Teile heute im Besitz des Bayerischen Nationalmuseums, des Marstallmuseums sowie des Bayerischen Armeemuseums befinden. In Ingolstadt wird eine der beiden Garnituren nun erstmals nach mehr als 100 Jahren wieder zusammen gezeigt.
Erste Nachweise von Teilen dieser Garnituren, zu der heute neben zwei Satteln und einer Satteldecke, zwei Paar Steigbügel, zwei Zaumzeuge sowie ein Pallasch mit Scheide gehört, finden sich in der Kammergalerie Maximilians: Im Jahr 1627 werden im Inventar der Galerie der Pallasch und ein heute verlorener Säbel aufgelistet. Die Beschreibungen sind äußerst spärlich und stehen in krassem Gegensatz zum üppigen Dekor: Die Satteldecke ist vollständig mit kleinen Sternen, Halbmonden und unzähligen (Glas-)Steinen besetzt, über allem thront mittig eine Sonne mit geflämmten Strahlen. Eingefasst wird die Decke von drei umlaufenden Bändern mit floralen Zierelementen und Emailfüllungen.
Wann genau die beiden Garnituren nach München gelangten, ist unklar. Dennoch erscheint es plausibel, einen gewissen Zusammenhang zur Erhebung Bayerns zum Kurfürstentum zu sehen; denn die Garnituren wurden in Prag gefertigt. Dort residierte Kaiser Rudolf II. bis zu seinem Tod 1612. Seine Nachfolger, die Kaiser Matthias und Ferdinand II. verlegten den Hof schrittweise zurück nach Wien, doch einige Handwerker und Künstler verblieben dort.
Aus Prag und doch „türckisch“
So auch der Goldschmied Johann Michael, der wohl als eine Art Hauptauftragnehmer fungierte und verschiedene Gewerke als eine Art von Subunternehmern beauftragte, bzw. beschäftigte. Zwar ist sein Name nicht aus Münchener Quellen zu erschließen, jedoch aus Dresdner: Dort hat sich eine ganz ähnliche Garnitur erhalten, die heute in der Türckischen Cammer präsentiert wird. Aus den sächsischen Inventaren geht hervor, dass die Garnitur ab etwa 1610 in mehreren Tranchen bis etwa 1613 in Prag bei einem gewissen Johann Michael bestellt wurde. Die Übereinstimmungen sind frappierend: Dieselben Monde und Sterne zieren die Satteldecke, das gleiche Emaildekor findet sich auf den schmückenden Bordüren auf dem Zaumzeug. Fast seriell mutet die Gestaltung in der Gegenüberstellung der beiden Garnituren an.
Und doch sind sie besonders: Derartige Dekore waren für Reitgarnituren unüblich. Bereits die Zeitgenossen nahmen die Andersartigkeit der Garnituren sowie der Waffen wahr und umschrieben dies mit einem – aus heutiger Sicht – überraschenden Adjektiv, nämlich „türckisch“. Damit versuchte man auszudrücken, dass die Garnitur einen exotischen, fremden Eindruck erweckte und scheinbar an osmanische Objekte erinnerte. Durchweg durch alle Inventare der Münchener Sattelkammer werden die Garnituren als „türckisch“ bezeichnet. Noch 1976 stellte man Teile der Garnitur in der ersten bayerischen Landesausstellung „Kurfürst Max Emanuel. Bayern und Europa um 1700“ im Alten sowie im Neuen Schloss Schleißheim als Beutestücke Kurfürst Maximilians II. Emanuel (1662-1726) aus den Türkenkriegen aus. Dass diese Zuschreibung nicht zu halten ist, belegt nicht zuletzt die Dresdner Garnitur: Auch an anderen hochrangigen Höfen finden sich Stücke aus der Prager Werkstatt Johann Michaels, etwa ein heute als spanisches Krönungszepter verwendeter Pusikan, ein Zaumzeug in der Rüstkammer des Kremls in Moskau oder auch ein weiterer Pusikan in der Schatzkammer des Deutschen Ordens in Wien.
Gebt dem Kurfürsten, was des Kurfürsten ist
Doch zurück zu den beiden Reitgarnituren und ihrer Bedeutung zu ihrer Zeit. Sie unterstreichen sinnfällig den Anspruch des bayerischen Kurfürsten: Nur der Kaiser selbst und die anderen Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg sowie die dem Kurfürstenkollegium angehörigen Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier konnten und durften derartige Prunkgarnituren besitzen und in der Öffentlichkeit zeigen. Dies regelte die 1577 erlassene Polizeiordnung: Nur ein kleiner Kreis durfte Reitzeuge aus Gold, Samt, Seide und Silber verwenden; die beiden Reitgarnituren tragen dem Rechnung und verwenden diese Materialien reichlich. Man könnte flapsig sagen: Gebt dem Kurfürsten, was des Kurfürsten ist…
Titelbild: Der neugestaltete Raum im Bayerischen Armeemuseum © Bayerisches Armeemuseum
Für Leser, die das Thema noch vertiefen möchten:
Priscilla Pfannmüller und Ansgar Reiß (Hrsg.): Sonne, Mond und Sterne. Eine Reitgarnitur des Kurfürsten Maximilian I. von Bayern. Kataloge des Bayerischen Armeemuseums Band 21. München, 2022.
Brigitte Volk-Knüttel: In München entworfen, in Mailand gestickt. Ein Prunkreitzeug Kurfürst Maximilians I. von Bayern, in: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 2000, Bd. 51, S. 137-160.
Priscilla Pfannmüller ist seit September 2023 Kuratorin am Bayerischen Armeemuseum. Zuvor war sie Projektleiterin an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen für den Digitalen Besuchsassistenten – Alte Pinakothek Unframed. Als wissenschaftliche Volontärin an den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen führten sie Stationen an das Bayerische Armeemuseum, das Bayerischen Nationalmuseum sowie die Alten Pinakothek. Bevor sie in Kunstgeschichte promoviert wurde, war sie während des Studiums freie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Münchner Marstallmuseum.