Neuerdings präsentiert sich der malerische Schmuck des Allerheiligengangs, der im Osten der Residenz vom Brunnenhof aus Richtung Norden verläuft, wieder komplett: Hier hängen seit der Wiedereröffnung unseres Museums nach dem Krieg die Fresken, die Carl Rottmann (1797-1850), der berühmte Landschaftsmaler, zwischen 1830 und 1833 im Auftrag Ludwigs I. gemalt hatte.
Dass diese Fresken – also ursprünglich fixe Wandmalereien, deren Farben auf den nassen Putz, der frisch auf eine Mauerfläche gestrichen ist, aufgetragen werden und sich beim Trocknen unlöslich mit dem Untergrund verbinden –, dass solche Werke also irgendwo „hängen“ können, wie andere Gemälde, ist bereits Teil ihrer Geschichte: Ursprünglich waren die über 25 Bilder Rottmanns – Darstellungen italienischer Landschaften von Trient im Norden bis Messina auf der Insel Sizilien im Süden – in den nordwestlichen Hofgartenarkaden zu sehen: Dort stand der Zyklus mit seinen heroischen Gebirgs- und Meeresansichten, seinen Ausblicken auf Stadtpanoramen und antike Ruinenfelder, die als Ganzes einen wichtigen Bestandteil im Kanon der deutschen Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts bilden, in einem interessanten Kontrast mit den unmittelbar angrenzenden, von Personen überquellenden Bilderzählungen aus der bayerischen Geschichte, mit denen die Schüler des Nazareners Peter Cornelius den östlichen Arkadengang geschmückt hatten. 1944 endete diese Nachbarschaft gewaltsam. Die drohende Bombardierung machte eine rasche Bergung notwendig: Wie große Heftplaster wurden die bemalten Putzschichten von den Ardkadenwänden gerissen – da wir alle schon das Verfahren am eigenen Knie erprobt haben, wissen wir: das tut weh, sieht nicht schön aus und zuviel Sorgfalt will man in der Regel auf die heikle Prozedur nicht verwenden… Kurz: die milimeterdünnen Putzflächen mit den Rottmannfresken auf der Vorderseite hatten, übertragen auf neue, metallene Untergründe, den Krieg zwar überlebt, waren aber in schlechtem Zustand.
Deshalb sind wir seit mehreren Jahren mit der sukzessiven Restaurierung dieses wichtigen Zyklus beschäftigt. Es ist ein langwieriges Geschäft und so freuen wir uns, einen unserer „schwersten Fälle“, die in den letzten zwei Jahren behandelte Darstellung des römischen Brunnens „Acqua Acetosa“ wieder daheim, in der Residenz, begrüßen zu dürfen. Eine UV-Aufnahme, die nach Abnahme älterer Übermalungen angefertigt wurde, kann verdeutlichen, welche massiven Schädigungen das Bild aufwies.
Diese resultierten zum Teil bereits aus der Zeit vor der Abnahme und waren durch die ungünstigen Umwelteinflüsse am originalen Standort bedingt, ein Großteil war aber natürlich auch Folge der hastigen Abnahme. Letztlich handelt es sich nur bei den helleren Bereichen noch um Originalsubstanz. Das mag zunächst erschrecken, doch wird zugleich auch deutlich, dass selbst vergleichsweise stark geschädigte Werke wie dieses immer noch einen – angesichts der Geschichte der Fresken – enorm hohen Anteil ursprünglicher „Rottmann-Malerei“ offenbaren. Mit diesem Schadensbild vor Augen wird hoffentlich auch besser verständlich, welch massive und langwierige Arbeitsleistung in der Aufgabe steckt, dem Fresko wieder ein geschlossenes, ästhetisch befriedigendes Erscheinungsbild zu verleihen: Es gilt ja nicht nur, die anstehenden Schäden zu beheben, lockere Bereiche zu festigen, Fehlstellen zu kitten etc. Auch ältere, teilweise hastig oder sehr generalisierend durchgeführte Übermalungen, die heutigen restauratorischen Standards nicht mehr standhalten, gilt es im Zuge einer solchen Kampagne zu reduzieren, zu korrigieren oder auch ganz zu entfernen.
Letztlich zerfällt eine solche Maßnahme in eine Unzahl von Einzelentscheidungen, die eine hohe Sensibilität seitens des Restaurators verlangen und eine ständige Abstimmung aller Beteiligten in Museum und Werkstatt: Auf der einen Seite steht das Ziel, das fragmentierte Bild wieder „lesbar“ zu machen und auch dem Nicht-Rottmann-Spezialisten – denn nicht jeder unserer Besucher ist zwangsläufig einer – eine Ahnung zu vermitteln von der ursprünglich intendierten Wirkung der Fresken, aus der einst ihre bis heute andauernde Bedeutung erwuchs. Auf der anderen Seite steht der Anspruch, nichts zu „erfinden“, was nicht mehr da ist, die Tatsache anzuerkennen, dass die Werke im 20. Jahrhundert stark und unumkehrbar geschädigt worden sind und sich damit auch der Verlauf ihrer Wirkungsgeschichte verändert hat.
Mit dem Ergebnis all unserer Arbeit sind wir jedenfalls sehr zufrieden: der Wolkenhimmel und die römische Campagna bilden wieder zusammenhängende Flächen, zahlreiche Details im Hintergrund sind wieder „aufgetaucht“, anderes, erst später hinzu Komponiertes ist dagegen aus Rottmanns Italien wieder ausgezogen. Am besten kann vielleicht ein Detailfoto einen Eindruck der minutiösen malerischen Bearbeitung vermitteln:
Hier ist eine große Fehlstelle nicht einfach à la Rottmann neu bemalt worden, sondern mit hunderten von zarten Pinselstrichen in verwandten Farbtönen der Umgebung optisch angeglichen worden: Dem aufmerksamen Beobachter wird so niemals zweifelhaft bleiben, dass es sich bei dem feinen Liniennetz um eine spätere Ergänzung handelt. Gleichzeitig ist aber die Komposition als Ganzes wieder geschlossen und ein Eindruck von der sehr nuancierten, atmosphärischen Malerei, die Rottmann in der Wiedergabe der Luftperspektive demonstriert hat, wiederhergestellt worden!