Im Rahmen unserer Blogserie anlässlich des Jubiläumsjahres „200 Jahre Albert und Victoria von Coburg“ werfen wir in diesem Beitrag einen Blick auf Albert und Victorias Elternrolle und den royalen Nachwuchs. Auf welche Weise inszenierte Prinz Albert die Royal Family als vorbildliche Institution und wie sah es eigentlich hinter den Kulissen aus?
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Die Mitglieder der britischen Königsfamilie präsentieren sich und ihre Arbeit heute ganz zeitgemäß auf allen erdenklichen Kanälen der interessierten Öffentlichkeit. So werden auch auf den Social Media Seiten der Royals täglich sorgfältig ausgewählte Inhalte mit der Welt geteilt. Binnen Sekunden erlangen diese Bilder dann abertausende Likes. Interessant ist, dass die Praxis der ganz bewussten, öffentlichen Inszenierung der Royal Family im Grunde auf Queen Victorias Gatten zurückgeht. Prinz Albert war es nämlich, der darin bereits Mitte des 19. Jahrhunderts das ungeheure Werbepotenzial für seine „Familienfirma“1 erkannt hatte.
Prinz Alberts Inszenierung der Royal Family
Die frühviktorianische Gesellschaft war von sozialer Verunsicherung beherrscht. In gerade dieser Zeit versuchte Prinz Albert, der aufstrebenden Mittelschicht mit seiner Familie ein moralisches Vorbild zu sein. Sie wendeten sich vom verschwenderischen, spielsüchtigen Lebensstil der Aristokratie ab und rückten bürgerliche Werte wie Fleiß, Bildung und Sparsamkeit in den Fokus. Diese hatte Albert bereits früh von seinem einstigen Erzieher Johann Christoph Florschütz und seinem Berater Christian Friedrich von Stockmar vermittelt bekommen. Auch Victoria, die ihre eigene Kindheit unglücklich in Erinnerung hatte, war an einem harmonischen Familienbild interessiert – mit allem, was dazu gehört: häusliche Harmonie, friedlich spielende Kinder, abendliche Gesangsrunden und stimmungsvolle, traditionell abgehaltene Feste im Jahreskreis. Berühmtestes Beispiel für all die Bemühungen ist Alberts „Erfindung“ von Weihnachten als neue, bürgerliche Tradition mit geschmücktem Tannenbaum in der warmen Stube.
Auch die alten britischen Paläste waren Albert zu dekadent und wenig familienfreundlich. Daher musste etwas Neues her: Mit dem Kauf und Bau neuer Residenzen – Osborne House und Balmoral Castle – schuf er für seine Familie ein neues, modernes Zuhause und zeigte damit nach außen hin eine deutlich andere Art von Monarchie als die unter Victorias Vorgängern.
Wozu wäre all der Aufwand jedoch gewesen, wenn niemand der Untertanen je etwas davon zu Gesicht bekommen hätte? Dessen war sich auch Albert bewusst. Und so ließ er nicht nur jedes Detail vom königlichen Weihnachtsfest, sondern auch seine Familienmitglieder unablässig für die Öffentlichkeit ablichten.
Doch wie sah es hinter den Kulissen der Vorzeigefamilie aus?
Entgegen des öffentlichen, stark idealisierten Bildes der königlichen Familie, waren Albert und Victoria in Realität sicher keine Modelleltern, die sich groß vom übrigen Adel abhoben. Die beiden verbrachten wenig Zeit mit dem Nachwuchs und gaben ihn die ersten Lebensjahre an Personal ab.
Queen Victoria hasse den Gedanken, Kinder zu bekommen und war – auch wenn dies angesichts ihrer neun Schwangerschaften seltsam erscheint – höchst ungern schwanger. Auch nahm sie es ihren Kindern übel, dass diese die eheliche Zweisamkeit mit ihrem geliebten Albert so schnell nach der Hochzeit „gestört“ hatten. Alberts Interesse an seinen Kindern scheint etwas größer gewesen zu sein. Als sie etwas älter wurden, spielte er gelegentlich mit ihnen und nahm sie beispielsweise zu Ausflügen in den Zoo oder Zirkus mit.
Während für Victoria die äußere Erscheinung und Attraktivität der Kinder mehr wert war, schenkte Albert seine Zeit und Zuneigung hauptsächlich dem intelligenten Nachwuchs. Die Älteste, Vicky, war Prinz Alberts Liebling. Besonders schwer hatte es dagegen Thronfolger Bertie, den Victoria als „dumm“ einstufte und der im Schatten seiner ältesten Schwester bald Minderwertigkeitskomplexe entwickelte.
Victoria und Albert – die Großeltern Europas
Auch später waren die Wünsche der eigenen Kinder zweitrangig. Wie im 19. Jahrhundert üblich, verfolgte Albert mit den arrangierten Ehen des Nachwuchses ganz konkrete Ziele. Der deutsche Prinz strebte die anglo-deutsche Annäherung durch politisch-pragmatische Heiraten der eigenen Kinder an. Er expandierte seine Familie so ganz bewusst Richtung Preußen: Die Lieblingstochter Vicky musste den preußischen Thronfolger Friedrich Wilhelm heiraten und wurde damit Königin von Preußen und Deutsche Kaiserin. Vickys Geschwister verheiratete das britische Königspaar ebenfalls in ganz Europa. Das Resultat: In beinahe allen europäischen Monarchien finden sich heute noch ihre Nachkommen. Nicht umsonst werden Victoria und Albert daher oft als „Großeltern Europas“ bezeichnet.
1 Katharina Urbach: Queen Victoria. Die unbeugsame Königin. München 2018, siehe Kapitel 5.
Anlässlich des Festjahres „Albert und Victoria von Coburg“ gibt es bei uns ein spannendes Jubiläumsprogramm. Alle Informationen dazu findet Ihr auf unserer Webseite.