Geheimnisse

Das Perlservice und die Fusion der Porzellanmanufakturen Frankenthal und Nymphenburg

perlservice karl theodor

Als der pfälzische Kurfürst Karl Theodor 1777 durch Erbfall auch Kurfürst von Bayern wurde, musste er seinen Regierungssitz und seine Hofhaltung nach München verlegen. So wurde unter anderem Karl Theodors Haushalt nach München transportiert, mit allem, was der Monarch für seine Speisetafel brauchte, darunter auch zahlreiche kostbare Porzellane.

Zwei kurfürstliche Manufakturen

toilette der venus

Die Toilette der Venus, Porzellanmanufaktur Frankenthal, Modell: Johann Wilhelm Lanz (1725–64), um 1760

In der Nähe von Mannheim, in Frankenthal, bestand bereits seit 1755 mit Karl Theodors kurfürstlichem Privileg eine Porzellanmanufaktur. Sie stellte äußerst qualitätsvolles Porzellan her. Nun hatte Karl Theodor mit dem bayerischen Erbe eine weitere Porzellanmanufaktur geerbt, die der Frankenthaler in der Qualität der Erzeugnisse nicht nachstand: Nymphenburg.

Das Perlservice

1792-1795 ließ Kurfürst Karl Theodor in Nymphenburg ein neues Speiseservice anfertigen, das mit seiner zwölfeckigen Form sehr innovativ und modern war. Die Ränder sind mit halben Perlen besetzt: Daher der Name „Perlservice“. In der Tellerfläche sind zierliche Landschafts- und Stadtansichten in schleifenumrahmten Medaillons gemalt. Sie sind allerdings nicht bunt, sondern einfarbig in so genanntem Grau- oder Braun-„Camaieu“. Die gesamte Farbgebung des Services ist elegant und zurückhaltend in Blau, Gold, Grau und Braun – typisch für die Übergangszeit zwischen Rokoko und Klassizismus.

Perlservice Dessertteller

Desserteller aus dem Perlservice, Porzellanmanufaktur Nymphenburg, Modell: Dominikus Auliczek, 1792-1795

Perlservice Vitrine marstallmuseum

Vitrine mit dem Perlservice in der Nymphenburger Porzellansammlung Bäuml

Dominikus Auliczek – Bildhauer und Porzellankünstler

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Dominikus Auliczek, Ölgemälde von Joseph Weiß, um 1770, Sammlung Bäuml

Modelleur des Perlservices war der Hofbildhauer und Manufakturinspektor Dominikus Auliczek (1734-1804). Auliczek war in seinen jungen Jahren weit gereist: Nach der Bildhauerlehre in seiner Heimat Böhmen ging er zur Ausbildung in Wien. Dann reiste er nach Paris (1754), London (1755-56) und Rom (1756-1762), wo er an der päpstlichen Akademie der Künste in Rom tätig war. Im Jahr 1762 kam Auliczek nach München, wo er im folgenden Jahr als Modelleur in der Porzellanmanufaktur Arbeit fand. 1763 heiratete er die Tochter des Malereiinspektors Joseph Weiß. Auliczek wurde bis zum Manufakturinspektor befördert, bis man ihm wegen persönlicher Auseinandersetzungen mit der Verwaltung 1797 seine Pensionierung nahelegte.

joseph weiß und auliczek

Joseph Weiß mit seinem Schwiegersohn Auliczek und einem Grisaille Porträt seiner Tochter Maria Josepha, Ölgemälde von J. Weiß, um 1765, Sammlung Bäuml

Auliczek schuf als Bildhauer nicht nur Porzellanfiguren, sondern auch einige der großen Gartenskulpturen im Nymphenburger Schlosspark. 1777/78 entstanden die Figuren der Proserpina (römische Göttin der Unterwelt) mit Szepter und der Eule Askalaphos und die ihres Gemahls Pluto mit dem dreiköpfigen Höllenhund Zerberus, außerdem die Standbilder von Juno mit einem Pfau und Jupiter mit einem auf einem Felsen sitzenden Adler, beide von 1791/92. Sie befinden sich im so genannten Parterre mit Blumenrabatten und Fontäne gleich hinter dem Schloss.

parterre nymphenburg proserpina

Proserpina, Marmorskulptur im Gartenparterre / Ansicht des Gartenparterres von Schloss Nymphenburg

allegorische Porzellangruppe

Allegorische Porzellangruppe: Die Kurpfalz erfleht die Heilung des erkrankten Karl Theodor, Manufaktur Frankenthal, Modell von Franz Conrad Linck, 1775

Nach dem Tod Karl Theodors im Jahr 1799 wurde die Porzellanmanufaktur Frankenthal geschlossen. So kommt es, dass diese bedeutende Manufaktur, die 1755 gegründet wurde, nur wenige Jahrzehnte bestand. Zwischen 1799 und 1800 wurde die Fusion der Manufakturen Frankenthal und Nymphenburg beschlossen, die allerdings in der Realität eine Übernahme von Frankenthal durch die Manufaktur Nymphenburg bedeutete.

1799 wurden Tonerde und andere Materialien nach Nymphenburg transportiert, ein Jahr später die wertvollen Bücher, in denen die streng gehüteten Rezepte zur Herstellung der Porzellanmasse und der Farben festgehalten waren. Etliche namhafte Porzellankünstler aus Frankenthal gingen nach der dortigen Schließung nach Nymphenburg, um dort zu arbeiten.

Rhinozeros-Uhr Residenz münchen

Rhinozeros-Uhr, Modell: Franz Anton von Verschaffelt (1710–93); Porzellan: Manufaktur Frankenthal, Uhrwerk: Paris, 1765–70

Formen für die Porzellanherstellung wurden wahrscheinlich damals nicht nach Nymphenburg gebracht. Erst ab dem Ende des 19. Jahrhunderts begann der damalige Manufakturpächter Albert Bäuml, alte Formen und Figuren von Frankenthaler Porzellanen des 18. Jahrhunderts zu suchen und zu sammeln, um sie neu zu produzieren. Einige dieser Porzellane, wie die prominente Rhinozeros-Uhr, wurden bis ins 20. Jahrhundert mit der Frankenthaler CT-Marke (für Carl Theodor) in Nymphenburg hergestellt und verkauft.

Nymphenburger Porzellansammlung im Marstallmuseum

Nymphenburger Porzellansammlung im Marstallmuseum

Das zeitlos schöne Perlservice wird bis heute in Varianten in der Porzellanmanufaktur Nymphenburg hergestellt. Das originale Perlservice von 1792/95, weitere Service aus der Karl Theodor-Zeit in Bayern sowie Frankenthaler Porzellan können in der Nymphenburger Porzellansammlung Bäuml im Marstallmuseum, in Schloss Nymphenburg und in der Residenz München bewundert werden.