Geheimnisse

Wiederentdeckt! Die älteste Fotografie des Markgräflichen Opernhauses

Bayreuth_kamera

In Bayreuth entsteht derzeit ein neues Museum! Im Redoutenhaus des Markgräflichen Opernhauses Bayreuth könnt ihr im kommenden Jahr im „Opernhausmuseum“ Wissenswertes über die Bayreuther Theatergeschichte sowie die Auftraggeberin und die Architekten des Bauwerks erfahren. Um eure Vorfreude auf das neue Museum zu wecken, erzählen wir euch in den kommenden Monaten zahlreiche spannende Hintergrundgeschichten rund um das Opernhaus sowie das benachbarte Redoutenhaus. Kommt gerne mit und begleitet uns auf dem Countdown zum neuen Museum.


Es ist eine kleine Sensation!

Eine in der graphischen Sammlung der Bayerischen Schlösserverwaltung entdeckte Fotografie zeigt das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth im Jahr 1872 und ist damit die älteste Innenaufnahme, die wir aus dem Gebäude kennen. Besonders kurios: Obwohl das 1748 errichtete Gebäude eines der prachtvollsten Theater Europas ist, hat sich aus den ersten 124 Jahren nach seiner Eröffnung keine einzige Abbildung des Zuschauerraums erhalten.

Louis Sauter (?): Fotografie des Markgräflichen Opernhauses, Bayreuth 1872; Bayerische Schlösserverwaltung, Museumsabteilung, Graphische Sammlung

Louis Sauter (?): Fotografie des Markgräflichen Opernhauses, Bayreuth 1872; Bayerische Schlösserverwaltung, Museumsabteilung, Graphische Sammlung

Die wiederentdeckte Fotografie ist eindeutig zu identifizieren. Im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel wurde das Bild am 13. Juli 1872 als Neuerscheinung beworben:

„Das Opernhaus in Bayreuth. Innere Ansicht. Phot. u. oben gerundet. 4 [=Quartformat]. (19 ½ u. 18 C[m].) 22 ½ Ngl [=Neugroschen] n. Giessel in Bayreuth.“

Die im Nassplattenkollodiumverfahren gefertigte und auf Albuminpapier abgezogene Fotografie aus der Pionierzeit des Mediums ist alles andere als perfekt: Für die Aufnahme verwendete man ein Objektiv, dessen Bildkreis die Größe der Negativplatte nicht ganz ausfüllen konnte. Die Folge ist ein stark vignettierter, kreisrunder Bildausschnitt. Diesen Makel versuchte man zu kaschieren, indem man die fertige Fotografie oben kurzerhand rund beschnitt. Im unteren Teil dagegen ist das Manko deutlich zu erkennen. Durch die lange Belichtungszeit der Aufnahme ergaben sich zudem leichte Unschärfen, die sich besonders am leicht schwankenden Kronleuchter bemerkbar machen.

Das Bild entstand in einer turbulenten Umbruchszeit für das Opernhaus. Nachdem das Gebäude jahrzehntelang nur selten genutzt wurde und sich in baulich schlechtem Zustand befand, erwachte erneut großes Interesse daran, nicht zuletzt durch Richard Wagner, den die große Bühne – damals eine der größten des Landes – nach Bayreuth gelockt hatte. Zwar beschloss der Komponist, für seine Opern ein eigenes Festspielhaus zu errichten, doch fanden die Feierlichkeiten zu dessen Grundsteinlegung – eine Aufführung von Beethovens 9. Sinfonie mit Wagner am Dirigentenpult – im Markgräflichen (damals Königlichen) Opernhaus statt. Louis Sauter hielt das Ereignis 1872 in einer Zeichnung fest, die ihren Blick im Gegensatz zur Fotografie auf die Bühne richtet. Die beiden zeitgleich entstandenen Ansichten ergänzen sich somit wunderbar und bilden gemeinsam die frühsten Bilddokumente aus dem Inneren des Opernhauses.

wagner markgräfliches opernhaus bayreuth

Richard Wagner dirigiert anlässlich der Festspielhaus-Grundsteinlegung Beethovens 9. Sinfonie im Markgräflichen Opernhaus, 1872, Holzstich nach einer Zeichnung von Louis Sauter; Bayerische Schlösserverwaltung (Zug.-Nr. 2330)

Neben Richard Wagner und den inzwischen zahlreich nach Bayreuth strömenden Touristen zeigte auch der bayerische König Ludwig II. Interesse am Operngebäude. Um 1871 notierte sein Sekretär Lorenz von Düfflipp: „Zeichnung über das Innere des Theaters in Bayreuth beischaffen.“ und „Photographie vom Theater in Bayreuth“. Vielleicht das wiederentdeckte Foto? Die neu erwachte Aufmerksamkeit kam dem Gebäude zu Gute: Renovierungsarbeiten in den 1860er und 1870er-Jahren sicherten die Bausubstanz, der Einbau von zeitgemäßer Heizung und Gasbleuchtung erhöhten den Komfort und die Nutzbarkeit des Theaters.

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Blick zur Fürstenloge heute; Aufnahme: Florian Schröter

Wirft man heute einen Blick in den Zuschauerraum des Opernhauses, so scheint es auf den ersten Blick, als wären die knapp 150 Jahre seit der Entstehung des Fotos spurlos am Gebäude vorbeigegangen. Bei genauem Hinsehen jedoch lassen sich einige spannende Unterschiede feststellen, die Aufschluss über frühere Bauzustände geben: Mittig über der Fürstenloge und in den kleinen Rundfenstern an ihrer Seite lassen sich noch die Reste einer Verglasung entdecken. Wie uns der Bayreuther Historiker Johann König gegen 1800 berichtet, wurde die Loge selten von den Markgrafen selbst genutzt. Vielmehr saßen dort ältere Hofdamen und wichtige Gäste. Da das Opernhaus schwer zu beheizen war, sorgten hier ein kleiner Ofen und die Verglasung für mehr Komfort. Kurz nach der Aufnahme der Fotografie wurde die Verglasung entfernt, wie der Vergleich mit einer Aufnahme von 1875 zeigt.

Blickt man genauer auf die Sitze rechts der Fürstenloge, so sieht man, die früher vorhandenen Brüstungen zur Abtrennung der einzelnen Logen voneinander. In der Regel kaufte man Tickets für ein ganzes Kompartiment, das jeweils eine eigene Zugangstüre besaß und vier bis sechs Personen Platz bot. Auch die Bestuhlung des Innenraums hat sich in den letzten Jahrhunderten verändert: bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg besaß das Opernhaus einen Mittelgang im Parterre. Last not least schwebt die größte Veränderung mitten im Bild: der große Kronleuchter des Opernhauses. Im 18. Jahrhundert erleuchteten tausende Kerzen das Gebäude, teils an den Logen, teils in Form vieler Kronleuchter, die im Lauf der Jahre verlorengingen. 1866 ersetzte man sie durch einen großen Gasleuchter, der später elektrifiziert wurde. Bei der Restaurierung 1936 entfernt, sind heute nur noch Fragmente des Objekts erhalten.

bayreuth markgräfliches opernhaus fotografie

Louis Sauter: Bisher als älteste Fotografie des Opernhauses geltende Aufnahme, um 1875

Wer der Fotograf der Aufnahme ist, bleibt ein Rätsel, er hat sich nicht auf seiner Fotografie verewigt. Vielleicht hatte sich der Verleger Carl Giessel selbst in der neuen Technik versucht? Nicht unwahrscheinlich ist jedoch, dass sowohl die fotografische Aufnahme als auch die Zeichnung von Louis Sauter stammten. Der gebürtige Heilbronner war in beiden Künsten gleichermaßen geschult. Sein Atelier befand sich direkt vis-à-vis dem
Opernhaus in einem Pavillon auf dem Schlossberglein ,,im Garten der Freifrau von Aufseß“. Sein Geschäft bewarb der Künstler im März 1868 in einer Zeitungsannonce im Bayreuther Tagblatt:

„Durch vieljährige Erfahrung, sowie Verbesserung meines Glashauses, welches nach den besten Ateliers Münchens gebaut ist und durch neu konstruierte Apparate bin ich imstande, allen Anforderungen zu entsprechen: ich fertige Bilder vom kleinsten Medaillon bis zu Lebensgrößen, ebenso die neuesten Kabinett-Photographien, Gruppen, Kopien nach Gemälden, landschaftliche Ansichten und Stereoskopiebilder.“ (Bayreuther Tagblatt, 29.03.1868)

Gut möglich also, dass die nahezu zeitgleich entstandene Zeichnung von Wagners Grundsteinlegungskonzert und die frühe Fotografie aus derselben Hand stammen.

Ob nun von Sauter oder nicht – durch das Paar aus Lithographie und neu entdeckter Fotografie von 1872 besitzen wir den frühesten visuellen Eindruck aus dem Inneren des Markgräflichen Opernhauses – und nun endlich den Blick in beide Richtungen.