Anlässlich des 250. Todestages von Giovanni Battista Tiepolo, seinerzeit der „beste Maler Venedigs“ genannt, wollen wir einen Blick auf sein größtes Meisterwerk werfen: Das beeindruckende Deckenfresko im Treppenhaus der Residenz Würzburg. Von 2003 bis 2006 wurde es aufwändig restauriert.
Der berühmte Maler Tiepolo kommt nach Unterfranken
„Gestern ist der Venetianische Mahler Diepolo angekommen. Hat mit gebracht seine 2 Sohn und einen diener. Ist am Hof in die Eckzimmer in garten am Rhennweg logiret und mit fünff Zimmern versehen word[en]“, beschreibt der Protokollchef des Würzburger Hofes Johann Christoph Spielberger die Ankunft des venezianischen Künstlers im Dezember 1750.
Giovanni Battista Tiepolo (1696-1770) war zu diesem Zeitpunkt bereits ein europaweit berühmter Künstler, der seinen Preis hatte. Der Würzburger Fürstbischof Carl Philipp von Greiffenclau schreckte davor jedoch nicht zurück und schaffte es, dass der Venezianer erstmals Italien für einen Auftrag verließ. Zunächst sollte Tiepolo die Freskierung des Kaisersaals in Angriff nehmen – gewissermaßen als letzten Prüfstein. Nach der erfolgreichen Fertigstellung des Festsaals (1751/52) begann der Maler schließlich mit der Arbeit am Treppenhausgewölbe.
Das größte einteilige Deckenfresko der Welt
Während seiner Arbeiten im Kaisersaal konnte Tiepolo bereits eineinhalb Jahre die Gegebenheiten im Treppenhaus studieren – also etwa die Dimensionen und wie das Licht in den Saal fiel. Die kontinuierliche Steigerung der wahrnehmbaren Raumweite, die der Architekt Balthasar Neumann für den Aufsteigenden so geschickt inszeniert hatte, wollte Tiepolo mit seinem Entwurf noch einmal weiterführen. Und so schlug er etwas ganz Besonderes vor: Die Residenz Würzburg sollte das größte einteilige Deckenfresko der Welt bekommen. Ein großes, durchgehendes Gemälde anstelle abgetrennter Einzelszenen.
Der Würzburger Hof als Hort der Künste
Das Thema des 1752/53 entstandenen Deckenfreskos im Treppenhaus der Würzburger Residenz ist der Aufgang der Sonne über der Welt. Die Sonne wird dabei vom Lichtgott Apoll verkörpert, die Welt durch die vier Allegorien der Erdteile. Doch warum nur vier? Besonders australische Besucher suchen immer mal wieder vergebens ihren Kontinent. Die Antwort ist einfach: Zu Tiepolos Zeiten war der Erdteil in Europa schlichtweg noch nicht näher bekannt!
Mit höchster malerischer Finesse stellte Tiepolo die exotischen Zauberwelten der durch fürstliche Frauengestalten personifizierten Erdteile Amerika, Asien und Afrika dar. Den Höhepunkt der rund 600m² großen Komposition bildet schließlich die Allegorie der Europa mit dem Würzburger Hof als Hort der Künste. Ein Schwerpunkt über der Europa-Szene ist ein verherrlichendes Portrait des fürstbischöflichen Auftraggebers. Im Zentrum des gesamten Freskos steht schließlich der antike Götterhimmel.
Ein besonders schönes Zeitzeugnis ist zudem, dass Tiepolo reale Portraits der Mitwirkenden einfügte. So findet man nicht nur ihn selbst samt ältestem Sohn – unser heutiges Titelbild –, sondern etwa auch Balthasar Neumann und den Wiener Maler und Vergolder Franz Ignaz Roth.
Und wie ging’s weiter?
Nach nur drei Jahren in Würzburg hatte Tiepolo seine Aufträge fertiggestellt. Für ihren Arbeitseinsatz erhielt die Familie Tiepolo 12 000 Rheinische Gulden plus eine Gratifikation von 3 000 Gulden. Das entsprach etwa dem 60-fachen Jahreslohn eines Maurerpoliers oder dem 13-fachen Jahresgehalt von Balthasar Neumann, dem Architekten. Obwohl die Venezianer ihr Werk so zügig abgeschlossen hatten, sollte es bis zur endgültigen Fertigstellung des Treppenhauses aber insgesamt noch über 20 Jahre dauern! Erst 1776 kamen mit den Brüstungsplastiken von Johann Peter Wagner die letzten Ausstattungsstücke hinzu… damit war deutlich eine Epochengrenze überschritten – und Australien als fünfter Erdteil inzwischen auch vom Entdecker James Cook genau erkundet, kartiert und als Land für die britische Krone in Besitz genommen.
Die Restaurierung 2003 bis 2006
Die Zerstörung der Dächer der Residenz Würzburg im März 1945 hatte eine vollständige und lang anhaltende Durchfeuchtung des Gewölbes über dem Haupttreppenhaus verursacht. Nach der Installation neuer Dächer wurde das Fresko 1948/49 restauriert. Da in dem starken Mauerwerk der Gewölbeauflager nach wie vor Restfeuchte vorhanden war und die schützenden Dachflächen über die Jahrzehnte nicht ausreichend dicht blieben, stellten sich erneut gravierende Schäden am Tiepolofresko ein.
2003 bis 2006 führte man schließlich umfangreiche Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen im Treppenhaus durch. Das Wichtigste war dabei die Sicherung und dauerhafte Festigung des Gewölbefreskos. Außerdem schaffte man es, Tiepolos beeindruckendstes Kunstwerk wieder in seiner authentischen Helligkeit und Farbenpracht erlebbar werden zu lassen. Wenn Ihr mehr zum Prozess der Restaurierung erfahren wollt, schaut auf unserer Webseite vorbei.
Wer tiefer in das Thema einsteigen will, dem sei die Publikation Tiepolos Welt (2010) sowie der Amtliche Führer der Residenz Würzburg (2019) empfohlen. Einen detaillierten Überblick zur Restaurierung des Treppenhausfreskos findet Ihr in dem Band Die Restaurierung eines Meiterwerks – Das Tiepolo-Fresko im Treppenhaus der Würzburger Residenz (2007).
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