In Bayreuth entsteht derzeit ein neues Museum! Im Redoutenhaus des Markgräflichen Opernhauses Bayreuth könnt ihr im „Opernhausmuseum“ bald Wissenswertes über die Bayreuther Theatergeschichte sowie die Auftraggeberin und die Architekten des Bauwerks erfahren. Um eure Vorfreude auf das neue Museum zu wecken, erzählen wir euch in den kommenden Monaten zahlreiche spannende Hintergrundgeschichten rund um das Opernhaus sowie das benachbarte Redoutenhaus. Kommt gerne mit und begleitet uns auf dem Countdown zum neuen Museum. Heute zeigt uns Florian Schröter das Markgräfliche Opernhaus im Wandel der Zeit.
Dressierte Pferde und Affen toben durch den prächtigen Zuschauerraum des Markgräflichen Opernhauses? Säcke voll Mehl zwischen verstaubten Sitzreihen? Kanonen neben verschlissenen Kulissen? Was heute schwer vorstellbar erscheint, war in vergangenen Zeiten Realität. Angesichts seiner turbulenten Geschichte grenzt es an ein Wunder, dass das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth den Lauf der Zeiten nahezu unbeschadet überdauert hat. Der folgende Blogbeitrag begleitet euch auf eine Zeitreise durch das 18. und 19. Jahrhundert im Markgräflichen Opernhaus.
Generalpause? – Das Opernhaus nach 1750
Opernaufführungen waren im 18. Jahrhundert ein äußerst kostspieliger Luxus – nicht anders als große Produktionen moderner Opernhäuser. Daher wurde das Theater bereits zu Lebzeiten der Bauherrin, Markgräfin Wilhelmine von Brandenburg-Bayreuth, nur selten zu besonderen Anlässen bespielt. Die riesigen Dimensionen des Gebäudes machten es nahezu unmöglich, den Zuschauerraum auf angenehme Temperaturen zu heizen. Die schiere Größe der Bühne und ihrer Maschinerie – damals eine der größten des Landes – erforderte zudem einen gewaltigen personellen (und damit auch finanziellen) Aufwand. So verwundert es nicht, dass es nach dem Tod der Bauherrin 1758 zunächst stiller im Opernhaus wurde. Zwar gab es unter ihrem Gatten Friedrich III. weiterhin Orchesterkonzerte, doch Opernaufführungen blieben aus. Auch die gemeinsame Tochter Friederike, deren Hochzeit einst den Anlass zum Bau des Opernhauses geboten hatte, zeigte kein Interesse am Gebäude.
Ein großer Maskenball bildete 1771 eine glanzvolle Ausnahme: Um das Geburtstagsfest der letzten Ansbach-Bayreuther Markgräfin Friederike Caroline (1735–1791) gebührend zu begehen, wurden aufwändige Vorbereitungen getroffen: Neue Sitzgelegenheiten wurden angeschafft, die Beleuchtung verbessert und auch das Deckengemälde vom betagten Hofmaler Wilhelm Ernst Wunder überarbeitet – er war es, der das Bild wohl zwei Jahrzehnte zuvor geschaffen hatte. Man war dabei offenbar in Eile: Die Renovierungsarbeiten wurden sogar nachts und am Wochenende ausgeführt und von Soldaten überwacht.
Skelette, Kanonen und viel Mehl – Das Opernhaus um 1800
Nachdem der letzte Bayreuther Markgraf sein Fürstentum in einem Geheimvertrag 1791 an das Königreich Preußen übertragen hatte, verlor Bayreuth seine Eigenständigkeit – und das Opernhaus seine Aufgabe als Repräsentationsgebäude. Statt italienischer Oper standen nun vorrangig Sprechtheateraufführungen von reisenden Schauspielensembles auf dem Spielplan, gelegentlich wurden jedoch auch die beim Publikum besonders beliebten Operetten und Singspiele aufgeführt. So erklang 1794 erstmals Mozarts Zauberflöte in Bayreuth. Unter den »Theaterdirectoren« befanden sich auch namhafte Künstler wie Emanuel Schikaneder. Darüber hinaus wurde das Haus kaum mehr in seiner ursprünglichen Funktion genutzt.
Mehrfach wurde das Opernhaus gar zur Lagerhalle umfunktioniert: So deponierte die Akademie der Freien Künste ihre naturkundliche Sammlung bis 1770 auf der Bühne – darunter Globen, ein hölzernes Skelett und wissenschaftliche Objekte. Während der napoleonischen Kriege diente das Gebäude als Magazin, im Jahr 1814 wurde es mehrere Wochen zum Trocknen und Verkauf von Mehl zweckentfremdet. Die Folgen der Vernachlässigung waren unübersehbar: Die Bühnendekorationen und der große Spielvorhang kamen abhanden, das Gebäude verfiel zunehmend. 1791 hatte man gar das Eisengerät und die Öfen aus dem „alten“ Opernhaus per Zeitungsannonce verkauft. Mehrere Reisende berichten im ausgehenden 18. Jahrhundert über den schlechten Zustand des Gebäudes, so etwa Johann Michael Füssel 1787: „Wir sahen hier nichts als bestäubte Decorationen. Es wäre Jammerschade, wenn dieses kostbare Werk … nicht im gehörigen Stande erhalten würde.“
Es wurde allerhöchste Zeit für eine umfangreiche Renovierung. Bauinspektor Carl Christian Riedel erstellte hierfür um 1817 eine Reihe von Plänen, in denen er in roter Farbe die geplanten, aber nur zum Teil verwirklichten Umbauten vermerkte. Die Pläne Riedels sind die ältesten Dokumente, die den Baubestand des Markgräflichen Opernhauses dokumentieren. Insbesondere sollten der einsturzgefährdete Bühnenbogen gesichert, die Bühne verkleinert und neue Garderobenräume zu ihrer Seite hin angelegt werden. Die beschädigte Theatermaschinerie Carlo Galli Bibienas wurde vom durchreisenden Maschinisten Carl Schmitt aus Königsberg wieder gangbar gemacht und ergänzt. Besonders folgenschwer: Eine extreme Verkleinerung der Bühnenöffnung erleichterte zwar die Bespielbarkeit, führte jedoch zu deutlichen optischen Einschränkungen – sie blieben bis zur letzten Renovierung 2012–2018 bestehen.
Das Veranstaltungsspektrum weitete sich in Zeiten der (vornehmlich) bürgerlichen Nutzung deutlich: Neben Sprechtheater und Singspielen wurden im Opernhaus auch publikumswirksame Zirkusveranstaltungen gezeigt. 1841 nutzte eine Kunstreitergesellschaft mit 20 Pferden den Zuschauerraum als Manege. Als 1849 eine italienische Schaustellergruppe in Bayreuth Station machte, wurden Zaubershows, Akrobatik und „lebende Bilder“ zum Besten gegeben. 1855 gastierte der damals berühmte Louis Casanova mit einer Affendressur im Opernhaus.
Könige, Künstler und Touristen – Das Opernhaus um 1850
Hoher Besuch! Mehrfach hielten sich bayerische Könige in Bayreuth auf. Das nun „Königliche Opernhaus“ gehörte dabei stets zum Programm: Unter anderem wurde Ludwig I. (reg. 1825–1848) hier 1830 empfangen, Maximilian II. (reg. 1848–1864) feierte 1860 die Fünfzigjahrfeier der Zugehörigkeit von Bayreuth zum Königreich Bayern. Sein Sohn Ludwig II. (reg. 1864–1886) war 1866 ebenfalls vor Ort und hörte Ausschnitte aus Richard Wagners Opern Tannhäuser und Lohengrin. Die zeitgenössische Presse berichtete landesweit über das Ereignis: „Beim Schlusse der Jubel=Ouverture enthüllte sich auf der Bühne ein Tableau: die Büste des Königs, umgeben von Genien und mit bengalischem Feuer beleuchtet.“ (Regensburger Tagblatt, Nr. 314, 14. November 1866). Zu diesem Anlass wurde das Opernhaus erstmals mit Gasflammen hell erleuchtet – kurz zuvor war auch eine moderne Heizungsanlage installiert worden. Fünf Jahre später ließ Ludwig II. eine Gouache mit Ansicht des Zuschauerraums erstellen – vielleicht sollte das großformatige Bild dem König als Vorlage für eigene Theaterbauprojekte dienen.
Auf der Suche nach einem geeigneten Aufführungsort seiner Bühnenwerke, insbesondere für den Ring des Nibelungen, besichtigte auch Richard Wagner (1813–1883) am 18. April 1871 das Markgräfliche Opernhaus. Der Dirigent Hans Richter (1843–1916) hatte ihm zuvor von den gewaltigen Dimensionen der dortigen Bühne berichtet. Vor Ort musste der Opernkomponist jedoch enttäuscht feststellen, dass das Theater nicht zu seinen Plänen passte, die nötigen Umbaumaßnahmen hätten das Gebäude zerstört. Doch der Komponist blieb in Bayreuth, ließ sein eigenes Festspielhaus errichten – und auch das Markgräfliche Opernhaus erlebte durch die erneute Beachtung einen Aufschwung.
Als 1881 das Wiener Ringtheater in Flammen aufging und hunderte Besucherinnen und Besucher ums Leben kamen, ging weltweit eine Welle des Entsetzens durch die Theater. Auch in Bayreuth wuchs die Sorge, sogar eine Schließung des Opernhauses stand akut im Raum. Denn: Im Notfall war es nicht möglich, Bühne und Logenhaus voneinander zu trennen, was ein schnelles Überspringen der Flammen ermöglichte. Bereits 1882 plante man daher den Einbau eines eisernen Vorhangs, scheiterte jedoch an den beengten Platzverhältnissen unter dem barocken Dachstuhl. Stattdessen ersann man die kreative Lösung eines Sprühregenapparats. Im Notfall sollten zahlreiche Wasserrohre oberhalb der Bühnenöffnung für einen Regenvorhang zwischen Podium und Zuschauerraum sorgen. Der Apparat wurde zwar eingebaut und mehrfach erfolgreich getestet, musste sich aber glücklicherweise nie im Ernstfall bewähren.
Reger Betrieb – das Opernhaus um 1900
1879 gründete sich ein Theaterkomitee aus Mitgliedern der Bayreuther Bürgerschaft, um den Betrieb im Opernhaus zu beleben. Der Plan gelang: Im späten 19. Jahrhundert wurde die Bühne rege bespielt. Meist mieteten sich Theaterdirektionen saisonweise ein, insbesondere die Firma Steng-Krauss prägte das Spielprogramm über Jahrzehnte. Doch gab es auch Gastspiele benachbarter Bühnen oder einzelner Künstlerinnen und Künstler. Neben Sprechtheater und Opern standen nun auch häufig Operetten, Bauerntheater oder Konzerte auf dem Programm.
Doch auch der Tourismus hielt Einzug: Schon im 18. Jahrhundert konnte das Gebäude unabhängig von Aufführungen besichtigt werden. Den frühesten Beleg hierfür liefert eine Tagebuchnotiz des preußischen Kammerherrn Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff (1727–1811) aus dem Jahr 1782: „Auch das Opernhaus besichtigte ich. Alles zeigt den gediegenen Geschmack der Erbauer. Aber alles ist tot! Das ist’s was mich mit Wehmut erfüllt.“ Alle gedruckten Stadtführer des späten 18. und 19. Jahrhunderts (angefangen mit Jobst Christoph Ernst von Reiche 1795 bis hin zu den weit verbreiteten, seit 1866 erschienen Wegweisern durch Bayreuth) berichten in Folge über das Opernhaus, nennen aber – wie zeitgenössisch üblich – keine konkreten Besichtigungsmodalitäten. Doch gibt eine Instruction für den Hausmeister des Opernhauses von 1884 Aufschluss über die Beleuchtung bei derartigen Besichtigungen: „§ 2 Auf ausdrücklichen Wunsche der Besucher ist ferner dem Hausmeister gestattet, den Zuschauerraum mittelst Anzünden von Gasflammen am großen Lustré daselbst auf Kosten der Besucher zu beleuchten. Es dürfen jedoch hiebei nur die oberen 18 Gasflammen … des Lustre’s angezündet werden, wobei derselbe zu dem Behufe des Anzündens u. Auslöschens der Gasflammen jedesmal herabgelassen u. wieder aufzuziehen ist.“
Seither prägen beide Formen der Nutzung – als festlicher Raum für Opernaufführungen und Konzerte wie auch als touristische Sehenswürdigkeit ersten Ranges – gleichermaßen den Alltag im Markgräflichen Opernhaus. Fast 275 Jahre Geschichte haben dabei ihre Spuren am Gebäude hinterlassen. Doch war die Mischung aus turbulenter Bespielung einerseits und zeitweisem Dornröschenschlaf andererseits offenbar genau richtig: Durch sie hatte das Opernhaus das seltene Glück, in seinem Kern nie zerstört oder umfassend verändert worden zu sein. Als „Meisterwerk barocker Theaterarchitektur in Bezug auf seine Gestaltung als Logentheater und seine akustischen, dekorativen und ikonologischen Eigenschaften.“ (Welterbe-Begründung, Kriterium I) und als „außergewöhnliches Beispiel barocker Hoftheater“ (Welterbe-Begründung, Kriterium IV) blickt das Markgräfliche Opernhaus gut gerüstet in die nächsten Jahrhunderte als lebendiges Theater, Welterbe und Herzstück des neu eingerichteten Museums.
Titelbild: Das „Königliche Opernhaus“ Bayreuth, um 1860, aus: Heinrich Stelzner: Bayreuth. Ein Jubiläums-Album in XX Blaettern von Bayreuth und Umgebung, Bayerische Schlösserverwaltung