Wenn in der zweiten Jahreshälfte die Neue Residenz in Bamberg nach fast zehnjähriger Sanierungszeit mit neuem Gesicht ihre Tore öffnet, werden sich im Fürstbischöflichen Appartement auch sämtliche Wand- und Deckenmalereien frisch restauriert präsentieren. Im Laufe der Restaurierungsarbeiten traten dabei durchaus auch einige Überraschungen zutage. Heute also: die schönsten Häfen Italiens in sonnigen Ansichten.
Obwohl die Neue Residenz von ihrer Vollendung unter Kurfürst Lothar Franz von Schönborn um 1700 bis ins frühe 20. Jahrhundert verschiedenste Bewohner beherbergt hat, überdauerte ihre wandfeste Ausstattung zu einem großen Teil den Wandel der Zeiten – der voluminöse spätbarocke Stuck des Hofstuckateurs Johann Jakob Vogels, dem wir einen eigenen Blogbeitrag widmen werden, prägt bis heute das Bild der Residenz ebenso wie die zahlreichen Wand- und Deckenmalereien aus der Erbauungszeit der Barockflügel. Es ist ein Glücksfall, dass zwar einzelne Räume im Laufe der Jahrhunderte umgebaut wurden, das barocke Gesamtkunstwerk der Neuen Residenz aber im Großen und Ganzen erhalten geblieben ist.
Bezogen auf das Fürstbischöfliche Appartement bedeutet das beispielsweise, dass die Wand- und Deckenmalereien in sechs von zwölf Räumen weitgehend der Erstausstattungszeit entsprechen, darunter die für das zeremonielle Gefüge so wichtige Hauptraumfolge von erstem und zweitem Vorzimmer, Audienzzimmer und Kabinett.
Hier lässt sich am Zusammenspiel von Stuck und Malerei die künstlerische Ausstattung der Zeit um 1700 bis heute fast störungsfrei ablesen. Die Decken wurden in zahlreichen Medaillons und Feldern in Mischtechnik, also sowohl auf den frischen als auch auf den getrockneten Putz, bemalt. Eingelassen und mit einer Stuckrahmung versehen war in der Mitte des Deckenspiegels jeweils ein Leinwandgemälde.
Die Malereien stammen größtenteils von den hiesigen Bamberger Hofmalern: Die Leinwandgemälde gehen auf Sebastian Reinhard zurück, die Wandmalereien auf Hans Georg Bogner und ab 1704 auch auf dessen Adjutanten Johann Jakob Gebhard. Im Falle des Fürstbischöflichen Appartements dürften alle Wandmalereien bis auf die um 1730 entstandenen zentralen Deckenmalereien der beiden Vorsäle mit Steinfußboden noch von Hans Georg Bogner stammen.
Glücklicherweise ließen alle Maßnahmen des 19. Jahrhunderts die Substanz der Deckengestaltung unangetastet. Einzig die Farbigkeit der Stuckaturen wurde immer wieder verändert. Deren Fassung wird, wie bereits vor einigen Jahren im Kaiserappartement, nach der Restaurierung des Appartements der Fassung des späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhunderts entsprechen, da die Befunde nur für diesen Zeitraum ein eindeutiges Bild zulassen.
Und plötzlich ist Aeneas da
Die genuine Aufgabe der kunsthistorischen Untersuchung der Malereien ist die Suche nach den Zusammenhängen des dargestellten Bildprogramms. Oftmals ist hier eine Klärung durch die gezielte Suche nach Bildvorlagen möglich. Wie auch anderen Ortes üblich basieren in der Bamberger Residenz nicht alle Malereien auf originären künstlerischen Erfindungen der Hofmaler. Vielmehr orientierten sie sich an mehr oder weniger bekannten Werken anderer Künstler und arrangierten sie neu. Für die zentralen Deckenfelder sind gerade solche Vorlagen – in den meisten Fällen weit verbreitete Kupferstiche – ein entscheidender Schlüssel, um der jeweiligen Bildaussage auf die Spur zu kommen.
So wurden bislang mehrere der Deckenleinwände übereinstimmend und wenig konkret als Darstellungen der Götter des Olymps gedeutet. Legt man die hierfür verwendeten Stichvorlagen zugrunde, ergibt sich allerdings ein anderes und auch weitaus eindeutigeres Bild: Etliche Figuren basieren auf Carlo Cesios Stichen nach Pietro da Cortonas Freskenzyklus im Palazzo Pamphilj in Rom. Diese Fresken zeigen Szenen aus der Aeneis Vergils.
Vor diesem Hintergrund erklären sich auch die Bamberger Szenen: Bei den Deckenbildern der Hauptraumfolge handelt es sich jeweils um Aeneas-Darstellungen. Besonders augenfällig ist dies beim Deckengemälde des zweiten Vorzimmers: Es zeigt einen Gerüsteten, dem von Putten weitere Rüstungselemente gebracht werden. Venus thront dabei umgeben von weiteren Putten in der rechten oberen Bildhälfte auf ihrem Wagen. Bei der Gestalt rechts hinter dem Gerüsteten dürfte es sich um Vulkan, den göttlichen Schmied handeln, der seinerseits auf die Rüstungselemente hinweist. Die zentrale Figur des Gerüsteten und die Gruppe rund um die Göttin der Schönheit sind genaue Wiedergabe einer graphischen Vorlage Georg Kilians aus dem Jahr 1703. Wie die Beischrift der Graphik erklärt, zeigt das Blatt die Überreichung der von Vulkan geschmiedeten Waffen an Aeneas.
Über den sozusagen neu entdeckten Aeneas-Zyklus, den Museumsreferent Dr. Werner Helmberger zum ersten Mal zu Recht hier in Bamberg vermutet hatte, wird nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten ein größerer Beitrag für den Jahresband des Historischen Vereins für Bamberg entstehen.
Neapel und Venedig in Bamberg
Auch die Befunde der Restaurierung können nicht zuletzt dabei helfen, bisherige Annahmen zu stützen oder gegebenenfalls zu korrigieren. Im ersten Vorzimmer, das zugleich als großer Speisesaal der kurfürstlichen Residenz genutzt wurde, finden sich an der Decke, jeweils in oblongen Feldern, sechs Darstellungen von Hafenlandschaften – ausweislich der älteren Literatur in der Manier Claude Lorrains. Die bedeutet nicht zuletzt: mit aussagekräftigen, mal mehr, mal weniger wolkenverhangenen Himmeln, die zu einem eigenen Stimmungs- und Aussageträger werden. Ohne Zweifel, wer die Wandfelder vor der Restaurierung eingehender betrachtete, musste fast zwangsläufig auf eine derartige Deutung kommen.
Doch schon während des Restaurierungsprozesses zeigte sich, dass die allermeisten Wolkenpartien, keine Wolken waren, sondern Nachdunklungen alter Festigungsschichten, die angebracht wurden, um die Malereien zu sichern. Nach der behutsamen Abnahme dieser älteren, kaum sachgerechten Festigungsversuche ergab sich ein anderes Bild – aus den stimmungsvollen, wolkenverhangenen Hafenlandschaften waren plötzlich lichte sommerliche Darstellungen geworden.
Selbstverständlich geht ein solcher Befund, der bisherige Sehgewohnheiten erschüttert, mit längeren Diskussionen einher. Tatsächlich waren auch hier Stichvorlagen eine willkommene Bestätigung der Restaurierungsergebnisse. Auch bei den Hafenansichten handelt es sich keineswegs um originäre Bildschöpfungen. Vielmehr basieren sie auf zeitgenössischen Stichen Melchior Küsels nach Vorlagen Johann Wilhelm Baurs und zeigen Motive aus Neapel, Venedig und Ancona.
Nach der Abnahme der alten Festigungsschicht – und damit der gleichzeitigen Entfernung der Gewitterstimmung – traten an einer der Darstellungen Reste einer bislang nicht sichtbaren Figurengruppe zu Tage (siehe oben, links im Bild). Nach dem Fund der Stiche zeigt sich nun recht zweifelsfrei, dass die sommerliche Darstellung der ursprünglichen Intention der Malereien entspricht: Jene Gruppe ist ebenfalls auf den Stichen zu sehen:
Künftige Besucher der Residenz können sich also nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten nicht nur auf den mythischen Gründer Roms und auf „neue“ sommerliche Hafenlandschaften freuen, sondern auch auf eine wieder aufgetauchte Figurengruppe, die als Sinnbild der behutsamen Restaurierung der Deckenmalereien nicht runderneuert wurde, sondern nun etwas geisterhaft durch die italienische Hafenlandschaft wandelt.