Seit März befindet sich ein außergewöhnliches Fahrzeug aus dem 18. Jahrhundert wieder im Marstallmuseum von Schloss Nymphenburg. Der zur Sammlung des historischen Marstalls gehörende Gartenwagen ähnelt stark dem sogenannten Park-Phaeton des technikbegeisterten Kurfürsten Karl Theodor. Der Unterschied: Während der Phaeton mit Pferdestärken angetrieben wurde, musste den Tretantrieb des Gartenwagens ein auf den Pedalen hinter dem Sitz stehender Lakai mit Muskelkraft in Bewegung setzen.
Das faszinierende Fahrzeug wurde bereits von den Nachfolgern Karl Theodors im Marstall der Residenz München aufbewahrt. 1920 wurde der Wagen dann an das neu gegründete Deutsche Museum entliehen und war dort viele Jahre Teil der Ausstellung. Nach über 100 Jahren ist er nun wieder in der Sammlung der Wittelsbacher Staats- und Galawagen im Marstallmuseum zu finden. Im Schwanenturm des Museums bildet er den Auftakt einer neuen Raumgestaltung zum Thema „Park und Jagd“. Hier wurde der Wagen vor Ort sorgsam restauriert. So konnten Besucherinnen und Besucher die spannende Arbeit live verfolgen.
Ausstellungsobjekte, die über die Schulter schauen
Obwohl die Farbgestaltung des Wagens in sanftem Pastellgrün heute absolut im Trend liegen würde, verrät der leicht matte Grauschleier das Alter der Lackierung. Um den Anstrich mit den kleinen gemalten Blütenornamenten und die Vergoldungen besonders schonend zu reinigen und so die langfristige Bewahrung zu sichern, arbeitete die Restauratorin Greta Kahlmann mit einem Spezialschaum, dessen feine Bläschenstruktur die Schmutzpartikel auch in Holräumen zuverlässig bindet. Der Schaum wird dabei präzise aufgetragen und anschließen sorgsam abgesaugt. Auf diese Weise ist trotz der milden Reinigung eine deutliche Aufhellung zu erkennen.
Ein fast meditativer Vorgang, bei dem man selbst neugierige Besucherinnen und Besucher, die der Restaurierung häufig gebannt zusahen, vergisst. Nur bei den Arbeiten am vorderen Teil des Wagens musste sich die Restauratorin an das neben dem Tretwagen befindliche, auffällig gut erhaltene Lieblingspferd Ludwigs II., „Cosa Rara“, gewöhnen, „dessen intensiver Blick einen fast wie bei der Mona Lisa zu verfolgen scheint“ merkt Kahlmann amüsiert an. Dass die Restaurierungsarbeiten nicht nur in der Werkstatt, sondern vor allem vor Ort stattfanden, empfand die Restauratorin trotzdem als angenehme Abwechslung.
In der Lebensmittelproduktion und bei der Restaurierung
Nachdem die sanfte Säuberung der Oberflächen abgeschlossen war, nahm sich Greta Kahlmann auch dem Rohrgeflecht der Rückenlehne an. Der Kurfürst saß auf dem leichten Sessel aus Peddigrohr einst entspannt und weich gepolstert, während er mit dem Metallbügel selbst lenkte. Um das Loch, das sich mittig in der Rückenlehne befand und eine weitere leichte Beschädigung im unteren Bereich des rechtssteigen Geflechts zu restaurieren, wurde das gleiche Material, aus dem der Sessel besteht, verwendet.
Bei Peddigrohr oder auch Rattan handelt es sich um Pflanzenfasern, die aus dem Stamm von Rattanpalmen gewonnen werden. Bevor Greta Kahlmann die Pflanzenfasern in die Lehne einflocht, retuschierte sie die Stränge mit Aquarell und Gouache. Für die möglichst nahtlose Verbindung der Fasern mit dem bestehenden Geflecht nutzte sie Japanpapier, das sie ebenfalls farblich abstimmte. Es bildet an den Stellen, an denen eine übergangslose Einflechtung nicht möglich war, sozusagen eine Brücke zwischen den neuen Fasern und dem bestehenden Geflecht. Auf diese Weise entstehen keine eventuell sichtbaren Überlappungen der Stränge.
Das spezielle Papier aus Bastfasern eignet sich durch seine hohe Festigkeit bei geringem Gewicht und seine spezielle Struktur für verschiedene Anwendungsbereiche in der Restaurierung. Für die Verbindung mit dem Japanpapier, wie auch für die Verklebung des Geflechts verwendete die Restauratorin Methocel. Der wasserlösliche Celluloseether wird vielfältig eingesetzt und kommt beispielweise auch als Verdickungsmittel, Bindemittel, Filmbildner oder Stabilisator in der Lebensmittelproduktion zum Einsatz.
Antriebspflege mit der Bürste
Abschließend für ihren Teil der Restaurierung entfernte die Restauratorin den leichten Rost auf den Zahnrädern des Antriebs mit einer Metallbürste und versiegelte die Oberflächen schließlich mit Wachs. Hierfür entnahm sie das bereits lose aufliegende Antriebsseil. Ähnlich eines modernen Fahrradantriebs bewegen die Pedale die Zahnräder des Triebwerks. Die Bewegung wird dann über einen Seilzug an zwei an den hinteren Achsen festsitzende Sperrräder weitergegeben.
Die Pedale des Wagens sind aus konservatorischen Gründen momentan festgeschraubt. „Mit dem eingesetzten Seilzug würde der Wagen im jetzigen Zustand wahrscheinlich wieder gefahren werden können, wenn man die Pedale löst.“
Wer das spannende Fahrzeug einmal selbst ansehen möchte, entdeckt es im Marstallmuseum am Ende der Wagenhalle.
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