Himmelfahrt – Vatertag! Zeit für die Herren der Schöpfung, mit Kumpels und Bier bepacktem Bollerwagen ins sommerliche Grün zu ziehen und sich gepflegt zu unterhalten – auch das kann eine Art Himmelfahrt sein! Und höchste Zeit ist es auch für die zugehörigen Söhne, sich mal wieder bei dem Alten Herrn zu melden.
Dass das Band zwischen den Generationen oft ziemlich Spannung aushalten muss und speziell die Vater-Sohn-Beziehung gerne mal nicht ganz konfliktfrei bleibt, das weiß trotz aller Vatertags-Seligkeit jeder. Gerade in fürstlichen Häusern gestaltete sich diese zwischenmenschliche Zweierkonstellation oft schwierig…
Wohl deshalb schwelgte eine ältere Geschichtsschreibung genüsslich in der Aufzählung antiker Kleinkönige, die ihre männlichen Nachkommen aus Angst vor Konkurrenz im Harem erdrosseln ließen, oder wie diese Söhne an der Spitze einer Palastrevolution die lästigen Väter beseitigten.
Die ambivalente Rolle eines Prinzen als geliebtes und lang erwartetes Kind einerseits und als Amtsnachfolger in der Warteschleife, der nur durch den Tod des Vaters seiner Bestimmung folgen kann, musste das Verhältnis fast zwangsläufig komplizieren. Wenn dann vor dieser Ausgangslage noch Konflikte erwuchsen, in denen sich Persönliches und Politisches mischten, wurde es schnell brenzlig. Schönes Beispiel aus dem Hause Wittelsbach: Herzog Ernst von Bayern-München (reg. 1397–1438) und sein Erbe Albrecht (III.), der sich unstandesgemäß und damit dynastiegefährdend in die schöne Agnes Bernauer verliebte. Am vorläufigen Ende des daraus erwachsenden Zwists trieb die arme Agnes, auf Ernsts Geheiß ertränkt, tot in der Donau und Albrecht rüstete zum militärischen Angriff auf den Vater. Später hat man sich – zumindest äußerlich – versöhnt: Auf der Grabplatte für Kaiser Ludwig IV. „den Bayern“ (wohl vor 1473) in der Münchner Frauenkirche sind Vater und Sohn bedeutungsvoll einander wieder zugewandt in Stein gehauen…
Oder Herzog Albrecht IV. (reg. 1465–1508)! Diesen Wittelsbacher hat man stets gerühmt, mit seiner Primogenitur-Ordnung von 1506 die fortlaufende Machtschwächung der Familie, die aus den Landesteilungen im Erbfall resultierten, unterbunden zu haben: Künftig sollte nur noch der Erstgeborene die Regierung des gesamten Herzogtums übernehmen. Wie die jüngeren Söhne des Hauses, die damit zur militärischen oder kirchlichen Nebenlaufbahn verdonnert waren, diese väterliche Fürsorge auffassten, ist hingegen nicht überliefert.
Und auch für die vier kommenden Jahrhunderte, in denen die bayerischen Herrscher in ihrer immer weiter ausgebauten Residenz lebten und planten, liebten und starben, gilt: Die Quellen sind rar, Väter und Söhne trugen ihr Herz selten auf der Zunge. Trotzdem gibt es viel zu entdecken und noch mehr zu spekulieren.
Da sind die vermutlich distanzierten Beziehungen, wie die zwischen dem strengen Maximilian I. (reg. 1597–1651) und seinem Sohn Ferdinand Maria. Maximilians eigener Vater Wilhelm V. (1548–1626) hatte 1597 abgedankt. Hier hatte man also einen gänzlich ungewöhnlichen Weg der Machtübergabe beschritten, so dass der Sohn noch fast drei Jahrzehnte vor den Augen des Vorgängers über dessen politisches und materielles Erbe entschied – eine Situation, die schon in einem mittelständischen Familienbetrieb nicht immer angenehm ist.
Vielleicht hat Maximilian deshalb für seinen lang und zunehmend sorgenvoll erhofften kleinen Sohn, der erst in seinem 63. Lebensjahr geboren wurde, vorbeugend die sogenannten „Monita Paterna“, die „Väterlichen Ermahnungen“, zusammengestellt: Eine knochentrockene, über weite Passagen hinweg konventionelle, aber aufschlussreiche Regierungsanleitung in Art eines fürstlichen Tugendspiegels, die dann auch gedruckt und späteren Wittelsbacher Generationen vorgelegt wurde – eventuell nützlich, aber sicher nicht herzlich…
Etwas mehr „menschelt“ es zwischen Ferdinand Maria (reg. 1651–1679) selbst und seinem ältesten Sohn Max Emanuel. Auch hier hatte man über ein Jahrzehnt angstvoll auf den männlichen Stammhalter warten müssen, bis endlich Gebete zum seligen Kajetan von Thiene und das Gelöbnis, eine prächtige Votivkirche (die heutige Theatinerkirche) errichten zu lassen, den Durchbruch brachte (dann übrigens gleich acht Mal…).
Die Geburt des Erbprinzen 1662 wurde ebenso erleichtert wie freudig mit spektakulären, international beachteten Festlichkeiten begangen. Später schickte der kleine Max Emanuel seinem Vater auf Reisen kleine Briefchen auf Italienisch, die barocke Stilübungen darstellen, aber trotzdem in ihrer holprigen Gestelztheit selbst übersetzt irgendwie niedlich klingen: „Mein lieber durchlauchtigster Papa! Die Liebe, die mein Herz regiert, macht mich traurig, weil ich Sie nicht sehe. Deshalb muss ich meine Liebe auf diesem Blatt zum Ausdruck bringen. Ich bitte Sie, schnell zurückzukehren und meine Mama, meine kleine Schwester und mich zu trösten […]“.
Auch der erwachsene Max Emanuel (reg. 1679–1726), der überhaupt eine sentimentale Seite gehabt haben muss, unterhielt zu seinen ehelichen und illegitimen Kindern gute Beziehungen. Fast rührend wirkt sein Kampf um etwas Intimität inmitten des erbarmungslosen höfischen Zeremoniells. Als er den kleinen Prinzen Joseph Ferdinand, auf den das große Erbe des spanischen Weltreichs wartete, 1698 nach langer Trennung zu sich holte, musste er dem beflissenen Hofstaat explizit per schriftlicher Anordnung verbieten, die Begegnung mit dem sechsjährigen Jungen zu stören:
„Der Augenblick, meinen Sohn, den Kurprinzen, wiederzusehen, war so lange einer meiner sehnlichsten Wünsche, dass ich mich ihm ohne Zurückhaltung hingeben möchte. Das einzige Mittel dafür scheint mir, ihn ohne Zeugen zu sehen, um den ersten Regungen eines väterlichen Herzens freien Raum zu lassen. Auch soll man es mir ermöglichen, dass ich mich meinem so lieben Kind ganz und ohne Zuschauer widmen kann. Nichts ist so richtig, als dass ein solcher Augenblick nur für mich allein geschaffen ist, und nicht dafür, um anderen ein Schauspiel zu bieten!“ Sprechen hier aus der Distanz von drei Jahrhunderten authentische Emotionen, die wir mit unseren eigenen Erfahrungen vergleichen können?
Manchen Vätern halbwüchsiger Söhne wird vielleicht eher die ratlos-überforderte Gefühlswelt König Maximilians II. (reg. 1848–1864) vertraut vorkommen:
Der grüblerische, zu quälender Selbstbefragung neigende Monarch soll auf das Anraten, den Kronprinzen Ludwig (II.) auf den täglichen Spaziergang mitzunehmen, mit ängstlichem inneren Blick auf seinen rätselhaften Sohn geantwortet haben „Ich weiß nicht, was ich mit ihm reden soll“. Ob es wahr ist? Auf jeden Fall setzte der bildungsbeflissene Maximilian bei seinen beiden Söhnen weniger auf Austausch und mehr auf einen strengen Erziehungsdrill.
So prägen Nähe und Distanz die überlieferten Aussagen über die Vater-Sohn-Verhältnisse hinter den Mauern der Residenz – was jetzt vielleicht auch gar nicht so sehr überraschen muss. Vermutlich wird sich auch dort, zwischen Protokoll, Marmor und Gold, in vielen scheinbar verzwickten Fällen etwas Entspannung und gegenseitige Empathie bewährt haben. Deshalb schließen wir mit einem Kommentar des meist abgeklärten Max I. Joseph (reg. 1799–1825) mit Bezug auf seinen nun wirklich komplizierten und meist opponierenden Sohn, den (gefühlt) ewigen Kronprinzen Ludwig (I.): „Das will ich dem Louis überlassen“…
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