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Begehbare Illusion – Das Zusammenspiel von Kuratieren und Gestalten am Opernhausmuseum Bayreuth

Von Cordula Mauß und Valentine Koppenhöfer //

Wie wird aus einem Ausstellungskonzept eine Ausstellung? Oder anders gefragt: Wie entwickeln sich aus Worten Raum und Form? Kuratorin Dr. Cordula Mauß und Ausstellungsarchitektin Valentine Koppenhöfer berichten im neusten Teil unserer Serie rund um die Entstehung des Opernhausmuseums Bayreuth über diesen Prozess.


Eine Ausstellungsgestaltung kommt nicht aus dem Nichts. Was passiert, bevor die Ausstellungsarchitektin mit ihrer Arbeit beginnt?

CM: Das Ausstellungsthema, das Markgräfliche Opernhaus und die Theater-und Festkultur der Markgrafschaft Bayreuth, stand schnell fest. Weniger schnell war alles, was dann folgte: Ausgiebige Forschungen durch das Kuratorenteam. Auf deren Grundlage erfolgte die Konkretisierung der Ausstellungsthemen und die Erarbeitung des Ausstellungskonzepts. Das Konzept erläutert die Ausstellungsthemen im Detail bis hin zur Exponateauswahl. Erst als dieses Konzept stand, wurde die Museumsgestaltung vergeben. Bereits im Rahmen der Vergabe wurden ersten Gestaltungsideen abgefragt.

Wie kamen Sie dann ins Spiel, Frau Koppenhöfer?

VK: Wir haben uns sehr gefreut, als die Anfrage zur Teilnahme am Vergabeverfahren ziemlich genau vor 4 Jahren an unser Atelier gestellt wurde. Für mich als Bühnenbildnerin und Ausstellungsarchitektin war es natürlich eine ganz besonders reizvolle Aufgabe, ein Museum für ein Opernhaus zu gestalten! Es vereint an einem Ort zwei Leidenschaften von mir: das Theater und das Museum. Umso mehr galt es Stereotypen der beiden Sphären zu hinterfragen und ihre Anforderungen und Wahrnehmungsperspektiven zusammenzuführen.

Der Entwurf für diesen Wettbewerb wurde von einem 5-köpfigen interdisziplinären Team aus Grafikern, Architekten und Bühnenbildnern entwickelt. Einen Monat lang haben wir sehr intensiv an diesem vielfältigen, herausfordernden Thema gearbeitet. Der von uns konzipierte Ansatz spielt mit dem Moment der Illusion, der bei einem Theaterbesuch im Kopf des Zuschauers entsteht und ist dabei angelehnt an die Mechanismen und Intentionen der „Illusionsmaschine“ Oper, wie sie das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth im 18. Jahrhundert beispielhaft verkörperte.

Auch Besucherinnen und Besucher eines Opernmuseums wollen in andere Welten entführt werden, wie bei einem Bühnenstück, und werden dann – im Gegensatz zu einer Aufführung – selbst Teil der Inszenierung. Sie wandeln durch begehbare Bühnenbilder. Im neu geplanten Bayreuther Museum wenden wir verschiedene Stilmittel historischer und moderner Herkunft an, um Erfahrungsmomente zu schaffen, die das Phänomen der Illusion ins Heute übertragen.

Die eigentliche Arbeit der Ausstellungsgestaltung begann dann aber erst nach der Auswahl der Ausstellungsarchitektin?

CM: Genau. Hierzu war der Austausch zwischen Frau Koppenhöfer und Ihrem Team mit uns Kuratorinnen und Kuratoren ein wesentlicher Bestandteil. In gemeinsamen Workshops erläuterten wir als Kuratorenteam, was unseren Museumsbesucherinnen und –besuchern vermittelt werden soll.

VK: Im Rahmen der Entwicklung unseres Beitrags für die Vergabe hatten wir das Grundkonzept Illusion entwickelt und an ein paar Räumen exemplarisch dargestellt. Im Laufe des Projektes hat sich das Konzept verfestigt, bei ein paar Räumen haben wir jedoch die gestalterische Idee noch konkreter an das inhaltliche Konzept, das auch erst im Laufe der Planung verfeinert wurde, angepasst. Es ist vielleicht für Außenstehende auch interessant an dieser Stelle zu erwähnen, dass wir als Ausstellungsarchitekten interdisziplinär mit unseren Grafikern die Ausstellung gemeinsam entwickelt haben. Hinzu kamen externe Fachplaner, wie Lichtdesigner (Fa. Sein & Schein) und Medienplaner (Fa. Nivre), die über diesen sehr langen Zeitraum mit uns gemeinsam sämtliche Räume entwickelt haben.

Ausstellungsgestaltung Workshops

Eindrücke aus Workshops des Gestaltungs- und des Kuratorenteams (Abb. ©BSV/Mauß links, rechts ©szenographie valentine koppenhöfer)

Was war Ihnen beim Gestaltungskonzept wichtig?

CM: Mir war es ein Anliegen, die kulturhistorischen Inhalte der Ausstellung auch intuitiv und auf sinnlicher Ebene zu vermitteln – schließlich ist die Ausstellung nach dem Mehr-Sinne-Prinzip konzipiert, um für die unterschiedlichsten Gästegruppen einen Mehrwert zu bieten. Die Ausstellungsgestaltung sollte also sozusagen die Inhalte ver(sinn)bildlichen. Kernaussagen der Ausstellungen sollten auch visuell erfassbar sein.

VK: Uns ist es sehr wichtig, die Gestaltung der Räume immer aus dem Inhalt heraus zu generieren. Also zu schauen, was soll inhaltlich vermittelt werden und dies zur Gestaltungsgrundlage für die Ausstellung oder des jeweiligen Themas zu machen. Ganz ähnlich wie beim Bühnenbild auch. Deswegen schaffen wir auch immer Unikate, keine Ausstellung gleicht der anderen.

In unserem Fall hier führt der abwechslungsreiche Parcours durch Räume, die mit unterschiedlichen Stilmitteln von Illusionen arbeiten und die Sinne der Besucher immer wieder aufs Neue herausfordern. Wir spielen beispielsweise mit Trompe l´Oeil Effekten, die grafisch oder mit Licht realisiert werden. Es gibt ein vergoldetes Kabinett, das seinen ideellen Ursprung im verspiegelten Studierzimmer von Wilhelmine (Schloss Eremitage) besitzt. Ein weiterer, installativer Raum, widmet sich den Architekten Galli Bibiena und erzielt mit grafischen Lichtlinien eine ganzheitliche perspektivische Wirkung.

Das thematische Highlight der Ausstellung, die Feierlichkeiten der Vermählung (der Anlass für den Bau des Opernhauses!), werden mittels Projektionen dargestellt. Die damals schnellen Verwandlungen auf der barocken Kulissenbühne werden mit heutiger Technik aufgegriffen und wechseln in Sekundenschnelle beispielsweise von einer historischen Tafel im Schloss hinein in den Wald zur Jagd.

Ein illusionärer Surroundsound und eine differenzierte Lichtchoreografie bilden die Grundlage für ein unmittelbar lebendiges und theatrales Erleben des Geschehens.

Bayreuth Opernhausmuseum Goldenes Kabinett

Facettenreiche Bauherrin: Modellansicht des Ausstellungsraums zur Theaterfrau und Markgräfin Wilhelmine aus der Entwurfsphase (Abb. links ©szenographie valentine koppenhöfer) und Inspiration Spiegelscherbenkabinett im Alten Schloss Eremitage (Abb. rechts ©BSV)

Die Technik spielt also auch bei der architektonischen Gestaltung eine wichtige Rolle?

VK: Ein wichtiger Aspekt der räumlichen Inszenierungen ist der effektvolle Umgang mit Licht, der die besondere Wirkung der einzelnen Räume noch verstärkt. Analog zu den verschiedenen Stilmitteln der Illusion, die bei diesem Konzept von historischer bis zu heutiger Technik reichen, wird dieses Wechselspiel von Tradition und Moderne auch beim Lichtkonzept umgesetzt. In einigen Räumen wird das warme, zarte Licht ähnlich einer barocken Bühnenbeleuchtung eingesetzt, während in anderen Bereichen ein moderner, ebenso effektvoller Umgang (Lichtlinien aus LEDs, Projektion, etc.) mit der Beleuchtung zum Tragen kommt. Das abwechslungsreiche Illusionsspiel mit Licht und Schatten, hell und dunkel, welches durch die Jahrhunderte immer wieder neu interpretiert wurde, spielt in diesem Konzept eine wichtige Rolle, um die Besucherinnen und Besucher immer wieder von Neuem zu überraschen.

Modell Opernhausmuseum

Viel Inhalt auf wenig Raum – ein Modell half auch bei dieser Aufgabenstellung (Abb. BSV/Mauß, Modell von szenographie valentine koppenhöfer )

Gab es noch weitere Aspekte, die die Museumsgestaltung erfüllen sollte?

CM: Viele. Beispielsweise ganz praktische, wie eine bestmögliche Besucherorientierung in dem verschachtelten Raumgefüge, welches uns zur Verfügung stand, die Berücksichtigung von Bedürfnissen Geh- und Sehbehinderter oder natürlich die Erfüllung der unterschiedlichen konservatorischen und sicherheitstechnischen Bedürfnisse unserer Exponate. Die Ausstellung sollte so gestaltet werden, dass unsere Gäste die Inhalte gut erfassen können, nicht überfrachtet werden. Zwischendrin ausruhen können. Das ist ein einfach klingender, aber herausfordernder Punkt, denn wir Kuratorinnen und Kuratoren habe so viele spannende Geschichten ausgegraben, die wir am liebsten alle ausführlich berichtet hätten – da helfen Platznot und Reflexion, sich zu fokussieren.

VK: Ja, geringe Fläche und kleine, verwinkelte Räumlichkeiten, also Probleme, die sich aus der vorhandenen Architektur ergaben, waren tatsächlich eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Immer wieder mussten wir uns und anderen klarmachen, dass die Räume kleiner sind, als in einem klassischen Museumsneubau und dementsprechend alles immer etwas kleiner und reduzierter ausfallen muss, damit es nicht überladen wirkt und die Besucherinnen und Besucher noch mit Freude am Entdecken durch das Museum gehen.

Grundsätzlich war es uns wichtig, klare Raumbilder zu schaffen, die die Besucher auf den ersten Blick verstehen, denen sie emotional folgen können und die den Inhalt, das Thema transportieren ohne zunächst auf Texte zu verweisen. Erst auf den zweiten Blick entdecken die Gäste Exponate, Texte und Abbildungen und können sich dann auf das jeweilige Thema einlassen.

Diese Aspekte betreffen eher die generelle Linie. Wie schaut es im Detail aus?

CM: Eine besonders schöne Aufgabe, sicher auch für die Gestaltung, ergab sich aus dem Thema des Mitmachmuseums. Viele Mitmachstationen mussten nicht nur inhaltlich, sondern auch ganz technisch entwickelt werden.

VK: Ob Riechstation, Zeitreisen oder Opernlexikon – jede einzelne Mitmachstation, bis auf die Spielbühne und einige Funktionsmodelle, die von anderen Fachplanern geplant wurden, haben wir in unserem interdisziplinären Team mit vielen Prototypen und Absprachen monatelang entworfen. In den meisten Fällen waren es für uns innovative Elemente, die wir vorher noch nie entwickelt hatten.

Riechstation Opernhausmuseum Bayreuth

Mitmachstation „Wie riecht’s im Opernhaus?“ (Abb. © BSV)

Wie war die Zusammenarbeit mit den Architekten, die das Gebäude saniert haben? Gab es da beispielsweise gewisse Vorstellungen zum Einsatz der verwendeten Materialien?

VK: Es ist wichtig, dass das Haus als Ganzes eine einheitliche gestalterische Sprache spricht, also auch das Foyer, in dem sich keine Ausstellung befindet. Denn die Besucherinnen und Besucher nehmen das Gebäude als eine Einheit neben dem Opernhaus war. Es gab ja bereits einen Blogbeitrag zum architektonischen Konzept, deswegen brauchen wir das an dieser Stelle nicht nochmal näher erläutern. Interessanterweise hatten die Architekten (Sichau & Walter) und wir von Anbeginn an sehr ähnliche Vorstellungen, was die architektonische Sprache des Gebäudes und der Ausstellung sowie Wahl der Materialien anging.

Allen war es sehr wichtig, dass das Haus modern, zeitgenössisch, einem Weltkulturerbe entsprechend, erscheint. Dies drückt sich unter anderem in der anspruchsvollen Realisierung und der Materialwahl aus. Beispielsweise schwebte uns beiden ein dunkler Terrazzofußboden vor. Dazu kombinierten wir Messing, eine zeitgemäße, heutige Anspielung auf Gold, das einen hochwertigen Charakter aufweist. Die Idee, ein Museum für so ein hochkarätiges Opernhaus zu planen, hat die ästhetische Messlatte sehr hoch gesetzt und es war uns wichtig, einen Ort zu schaffen, der neben diesem eindrucksvollen Opernhaus mit seinen eigenen Qualitäten bestehen kann.

svk_bemusterung_winter

Bemusterung für den Raum von Wilhelmine bei Firma Winter Artservice in Wien (Abb. ©szenographie valentine koppenhöfer)

Zurück zum Gestaltungsthema „Illusion“. Könnten Sie das noch näher erläutern? Vielleicht anhand eines (konkreten) Beispiels?

VK: Die damalige Bühnen- und Festkultur, die aus den verschiedensten Künsten wie Malerei, Schauspiel, Musik, Literatur, Tanz etc. bestand, war darauf ausgelegt, die Zuschauer in eine kunstvolle Welt der Illusion zu entführen. Die Ereignisse der Bühnenkunst und Festkultur enthoben die Menschen damals für eine gewisse Zeit der Alltagswirklichkeit, indem sie den Schein und Glanz der Künste auf sich wirken lassen konnten. Einen vergleichbaren Effekt wollten wir auch in unserem neu geschaffenen Museum erzielen. Es geht um das Versetzen der Besucher in andere Wirklichkeiten. Anhand von Erfahrungsmomenten, die Phänomene der Illusion ins Heute übertragen und dabei alle Sinne ansprechen.

CM: Ganz konkret wird der Reiz an den einzelnen Raumbildern erfahrbar. Besonders eindrücklich ist für mich das Raumbild der Abteilung zur Baugeschichte und den Architekten des Markgräflichen Opernhauses, der berühmten italienischen Familie Galli Bibiena. Diese war über fünf Generationen lang als Maler, Architekten und Dekorationskünstler tätig. Als Theaterarchitekten, Bühnenbildner und Festdekorateure arbeiteten die Galli an den bedeutendsten Höfen Europas, standen für aufregende Perspektiven, verblüffende Illusionen und prachtvolle Dekorationen. Sie schufen weithin beachtete Entwürfe und Architekturbücher. Die perfekten illusionistischen Bühnenbilder der Galli Bibiena, hier in Zentralperspektive, wurden hier als Raumbild übersetzt:

VK: Zunächst hatten wir ein Bild der Winkelperspektive (architektonische Konstruktionszeichnung Galli Bibiena) als Vorlage, eine der wichtigsten Errungenschaften der Familie der Bibiena verwendet. Allein diese Grundform für den Raum zu entwickeln hat mehrere, intensive Wochen gedauert. Dann vermisste das Kuratorenteam den konkreten Bezug zum Opernhaus und die Wiedererkennbarkeit. Wir haben den neuen Vorschlag, den Blick in den Zuschauerraum des Opernhauses abstrahiert darzustellen, aufgegriffen und den Entwurf nochmal komplett überarbeitet. Die Besucherinnen und Besucher betreten nun zunächst einen abgedunkelten Raum, in dem sie nur wenige helle Lichtlinien wahrnehmen. Dieses Liniengefüge zeigt den Blick von der Bühne in den Zuschauerraum. Die Wahrnehmung dieses perspektivischen Bildes ergibt sich jedoch nur durch den Blick von einem perfekten Standpunkt aus.

Um keine weiteren, direkten Lichtquellen im Raum zu schaffen, sind die Tafeln mit erläuternden Texten und Abbildungen zart hinterleuchtet. Diese sind vom perspektivischen Blickpunkt aus auch nicht zu sehen. Wir haben jetzt schon bemerkt, dass unsere Idee voll aufgeht. Sobald die Leute auf dem perspektivischen Standpunkt stehen und sehen, dass sich das Bild fügt, entsteht ein wirkliches AHA-Erlebnis.

svk_bemusterung_winter

Erste Versuche für das Raumbild zu den Perspektivkünsten der Galli Bibiena, ein fortgeschrittener Entwurf (beide Abb. ©szenographie valentine koppenhöfer) und der fertige Raum (Abb. ©szenographie valentine koppenhöfer / Caren-Maria Jörß)

galli bibiena raum opernhausmuseum bayreuth

CM: Die Idee, dass erst einmal das Raumbild die Blicke auf sich zieht und sich dann erst im Durchwandern des Raums, also auf den 2. Blick, die Inhalte eröffnen, funktioniert wunderbar – ästhetisch, dramaturgisch und didaktisch. Und lebt das Theaterthema.

Unsere Besucherinnen und Besucher fühlen also geradezu, wie sich Theater und Museum verbinden?

CM & VK: Definitiv! Wir sind gespannt, wie unsere Gäste dieses und die anderen Raumbilder erleben werden.

Goldenes Kabinett Opernhausmuseum bayreuth

Detail des fertigen Raums zur Bauherrin und Theaterfrau Wilhelmine (Abb. ©szenographie valentine koppenhöfer / Caren-Maria Jörß)