Kaum zu glauben, aber wahr: Das wohl einzige in Bayreuth an originalem Ort erhaltene Kabinett, das die berühmte Ebenistenfamilie Spindler fertigte, schlummerte einen langen Dornröschenschlaf. Nun wurde es aufwendig restauriert und ausstellungsfein gemacht. In einer Mini-Serie berichten wir von diesem verborgenen Juwel.
Das sogenannte „Rosenholzzimmer“ ist ein verhältnismäßig kleiner Raum von nur 5,70 m x 4,30 m und 2,90 m Höhe und befindet sich im ersten Stock des Italienischen Schlösschens in Bayreuth. Es liegt seit jeher weitab einer musealen Führungslinie und wird daher nie beschrieben und ist weitgehend unbekannt. Das zu den ehemaligen Privaträumen des Markgrafen Friedrich gehörende Zimmer wurde als Medaillen- und Münzkabinett konzipiert. Es weist eine kostbare raumhohe Wandvertäfelung auf, in die fünf wandfeste Kommoden mit schmalen Schubladen integriert sind, die für die Aufbewahrung und Präsentation der Sammlung gedacht waren.
Die Besonderheit dieser Täfelung liegt in der ausgefallenen und besonders aufwändig gearbeiteten Furnierung, einer sog. Marketerie, die in verschiedenen Mustern ähnlich eines Mosaiks die gesamte Fläche einnehmen. Durch die geschickte Variierung unterschiedlicher Maserverläufe und der Einschnittrichtung ein und derselben Holzart wird ein zugleich einheitlicher und abwechslungsreich schimmernder Effekt erzeugt. In die Wände waren, für Bayreuther Raumausstattungen charakteristisch, Gemälde eingelassen. Feine vergoldete Profile ergänzen die orange-rot getönte Boiserie effektvoll. Die Täfelung entstand – wie das gesamte Schlösschen – nach dem Tode der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth 1759 für die zweite Gemahlin des Markgrafen Friedrich zwischen 1760 und 1762.
Seinen Namen Rosenholzzimmer leitet das Kabinett nicht von der verarbeiteten Holzart, sondern von der Ähnlichkeit seiner Färbung mit Rosenholz ab. Schon im 18. Jahrhundert wird der Raum als „Cabinet de Cedre“, also Zedernholzkabinett bezeichnet. Die verwendete Holzart ist nach neuesten Erkenntnissen jedoch tatsächlich Wacholder (Juniperus virginiana), der aus Virginia in Nordamerika importiert wurde und auch Virginische Zeder genannt wird. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei dem Material um die „Zedernstämme“, die der Preußische König Friedrich II. seiner Schwester Wilhelmine als Baumaterial zur Ausstattung ihres Neuen Schlosses geschenkt hatte. Tatsächlich stellte sich bei Untersuchungen der Friderizianischen Zedernholzausstattungen in Berlin und Potsdam heraus, dass ebenso stets Virginianischer Wacholder verwendet wurde.
Ähnliche Furniergestaltungen aus Eichenholz finden sich im Neuen Schloss bei den spektakulären Intarsienböden, die sich aus der Hand des Johann Spindler erhalten haben. Es ist davon auszugehen, dass es sich beim Rosenholzzimmer um nicht weniger als das letzte im Original erhaltene Spindlerkabinett im Besitz der Bayerischen Schlösserverwaltung handelt. Leider ließ sich bisher noch kein Rechnungsbeleg für das Kabinett aufspüren, allerdings fand sich auf der Rückseite eines Paneels eine Signatur in Form einer Ligatur aus drei oder gar vier Anfangsbuchstaben, die sich als Johann oder Jakob Spindler Bayreuth auflösen lässt.
Nur ein Jahr nach Fertigstellung des Schlösschens starb der Markgraf und in Folge dessen wanderte der Großteil der Bayreuther Hofkünstler und Handwerker dem Ruf Friedrichs II. folgend nach Potsdam ab. Die bedeutsame und weitgehend eigenständige Entwicklung des Bayreuther Rokoko endete damit abrupt, bereicherte jedoch durch den enormen Wissenstransfer das Friderizianische Rokoko Berlins und Potsdams außerordentlich. Auch zwei der begabten Spindlersöhne wanderten ab und wurden in Potsdam berühmt. Abgesehen vom Spindlerkabinett in Schloss Fantaisie, von dem uns heute vor Ort nur eine Kopie einen Eindruck der Kunstfertigkeit dieser Hoftischlerdynastie vermitteln kann (das originale Kabinett ist im Bayerischen Nationalmuseum in München ausgestellt), ist das sogenannte Rosenholzzimmer als der sensationelle Abschluss der höfischen Kunsttischlerei in Bayreuth zu werten.
Ende der 1980er Jahre wurde das zu dem Zeitpunkt stark vernachlässigte Kabinett ausgebaut, um in München restauriert zu werden. Aus bisher nicht bekannten Gründen kam es nie dazu, und so blieb das zwar in der Substanz gut erhaltene aber sichtlich ramponierte Kabinett ausgebaut und unrestauriert im Raum gelagert stehen. Vor wenigen Jahren sollte sich das endlich ändern: Von September 2020 bis Dezember 2022 wurden die Täfelungsteile behutsam und sehr qualitätvoll durch eine Restaurierungswerkstatt nahe Regensburg wiederhergestellt.
Bereits 2017 wurden ausgehend von der zuständigen Baureferentin der Bayerischen Schlösserverwaltung, Christa Röthle erste Bestrebungen zur Wiederherstellung dieses vergessenen Kleinods unternommen. Das Staatliche Bauamt Bayreuth stellte alle bis dahin zur Verfügung stehenden Informationen, Untersuchungen und Archivalien über das Rosenholzzimmer zusammen, um eine fachgerechte Restaurierung zu planen. Glücklicherweise stand bereits eine umfangreiche Diplomarbeit zur Verfügung, die 2001 von Astrid Schulz an der Fachhochschule Köln über das zu der Zeit noch ruinöse und ausgebaute Kabinett erstellt wurde. Die Werkstatt für Holz- und Möbelrestaurierung der Bayerischen Schlösserverwaltung hatte seinerzeit diese Arbeit betreut und auch in der Folgezeit den Erhaltungszustand des Kabinetts mit Sorge überprüft und verfolgt. Der Vergleich der Schadenskartierungen von 2001 machte deutlich, dass sich die Verfassung des Holzgetäfels – auch ohne Nutzung des Raums – kontinuierlich verschlechtert hatte. Es war nun auch Handlungsbedarf geboten.
Die lange Zeit der Vernachlässigung dieses vergessenen Kabinetts trug auch eine besondere Chance in sich: Die wertvollen Marketerie-Oberflächen aus Wacholderholz trugen weitgehend originale Überzüge, die zwar durch Überarbeitungen und Reparaturen beschädigt und verschmutzt waren, aber in wesentlichen Teilen noch aus der Barockzeit erhalten geblieben sind. Durch naturwissenschaftliche Analysen konnte ein außergewöhnlicher, mit Alkanna (einem Farbwurzelextrakt) gefärbter Öl-Harz-Lack auf einem ebenso gefärbten Leimgrund als Befund nachgewiesen werden. So war ein besonderes Augenmerk darauf gerichtet, die gealterten authentischen Oberflächenüberzüge unbedingt zu bewahren. Dieses Restaurierungsziel zu erreichen bedarf einer sehr behutsamen Vorgehensweise bei den vorherrschenden restauratorischen Maßnahmen. So waren unzählige Furnierteile vom Massivholzuntergrund gelöst und mussten wieder mit traditionellem Knochen- und Hautleim niedergeleimt werden. Dies ohne Beschädigung der empfindlichen Oberflächenüberzüge zu bewältigen, stellte eine besondere Herausforderung dar. Die Reinigung der Oberflächen erfolgte mechanisch mit Hilfe verschiedener Radiermaterialien. Die Oberflächen wurden dadurch zugleich heller und farbintensiver und der reizvolle Kontrast der im Maserverlauf wechselnden und im Streiflicht schimmernden Mosaikmuster konnte so wiedergewonnen werden.
Für die Ergänzungen der zahlreichen Fehlstellen im Furnier war es glücklicherweise möglich, in ausreichender Menge passendes Virginianisches Wacholderholz zu beschaffen. Besonders große Fehlstellen waren in den komplizierten rund furnierten Hohlkehlen der Profilierungen und auf den Kommodenplatten unterhalb der Fenster zu beklagen, die vermutlich schon vor Generationen durch Regeneinbrüche zerstört worden waren. All diese Stellen wurden mit neuem Holz in gleicher Einschnittrichtung und Maserverlauf wie am vorgefundenen Original ergänzt. Es wurde genau darauf geachtet, die charakteristischen Merkmale des seltenen Wacholderholzes wie kleine Ästchen, Wirbel und feine Farbnuancierungen so einfühlsam einzusetzen wie es auch zur Erbauungszeit des Italienischen Schlösschens geschehen war. Im Farbton stark abweichende Altergänzungen aus früherer Zeit wurden zum Teil ersetzt und dort als Primärdokumente belassen, wo sie die lange und wechselvolle Geschichte des Kabinetts unterstreichen können ohne zu stören. Diese feinnervige und anspruchsvolle Arbeitsaufgabe ist dem Restauratorenteam unter der Leitung von Stefan Puppich hervorragend und präzise gelungen. Beteiligt waren Marc Pfeifer, Constanze Grabs, Ronny Stiegert, Inken Töpfer-Puppich und schließlich Carolina Pause als Auszubildende. Über 3.000 Einzelergänzungen wurden in dieser Weise vorgenommen.
Die zarten, vergoldeten Profilleisten wurden von dem Vergoldermeister Marold Niedersteiner behutsam restauriert. Trotz des ausgesprochen schlechten Erhaltungszustandes der Goldoberflächen wurde äußerster Wert darauf gelegt nicht neu zu vergolden, sondern stattdessen mit einer feinen mehrfarbigen Strichretusche die Fehlstellen derart zu schließen und zu beruhigen, dass ein geschlossener Gesamteindruck entsteht. Überall wo heute flächige Blattgold-Auflagen zu sehen sind, ist eindeutig ablesbar, wo die authentischen Oberflächen noch im Original erhalten sind. Diese einfühlsame Herangehensweise bei einer so komplexen und langwierigen Restaurierungsaufgabe hat bewirkt, dass bei der Betrachtung des Raumes nie der Eindruck entsteht, als wäre alles neu gemacht. Ganz im Gegenteil, das Rosenholzzimmer wirkt ehrwürdig gealtert und gepflegt.
Noch in gewissem Kontrast dazu steht der Fußboden. Der in gesteiftem Zwetschgenholz gestaltete Parkettboden ist wie die Vertäfelung selbst als Marketerie, also Furnierarbeit ausgeführt. Im Gegensatz zur Boiserie der Wände war jedoch die mosaikartige Furnierung des Bodens völlig verloren gegangen. Bereits 1813 wird im Inventar des Schlossverwalters bemerkt, dass der Boden bereits starken Schaden genommen habe. In den Folgejahren wurde die furnierte Deckschicht vollständig mit einem Schrupphobel beseitigt. Es blieb lediglich die Unterkonstruktion, der Blindboden aus sechseckigen Kiefernholztafeln erhalten, der später mit jüngeren Böden überbaut wurde. Nur in winzigen Resten konnte das Muster der Furnierung und die verwendete Holzart Zwetschge nachvollzogen werden. Hier fiel die Entscheidung zur Rekonstruktion des ursprünglichen Furnierbildes. Nach Befund wurden die sechseckigen Einzeltafeln mit neuen, etwa sieben Millimeter starken Säge-Furnieren belegt, die jeweils dreiteilig aus Rauten zusammengesetzt, den Eindruck einer dreidimensional aufgestapelten Würfelstruktur erwecken. Der Umlaufende Randfries ist schlicht gestreift und verläuft passig geschweift und wirkungsvoll um alle ausschwingenden Kommodenfronten herum. Die Verwendung von starkfarbigem Kern- und sehr hellem Splintholz (aus dem noch nicht verkernten, der Außenseite des Stammes zugewandten Teil des Baumes) macht den beinahe wilden Charakter der Marketerie aus und verstärkt den dreidimensionalen Effekt der Würfel-Musterung ganz so, wie es ursprünglich gewesen sein muss. Der heute wie ein wahres Feuerwerk daherkommende Boden wird sich in wenigen Jahren dunkel von dem ansonsten hell-rötlichen Kabinett abheben, denn Pflaumen- oder Zwetschgenholz dunkelt im Vergleich zu anderen einheimischen Hölzern rasch nach. Schon wenige Wochen nach der Fertigstellung ist die natürliche Alterung deutlich wahrnehmbar. Sehr erwähnenswert ist die Tatsache, dass der noch im Original erhaltene Blindboden der Hofschreiner Spindler, der ja noch in situ im Untergrund erhalten ist, nicht wie sonst üblich ausgebaut wurde, um ihn zu ertüchtigen. Die aus zusammengesetzten Furniertafeln gefügten Sechsecke wurden an Ort und Stelle eingepasst und mit einem speziell auf die Situation eingestellten Klebekitt auf die historischen Parketttafeln aufgeleimt. Die oberflächliche Veredelung des Parketts erfolgte, wie bereits 2001 ermittelt, mit Öl und Wachs ebenfalls so wie die Hofschreiner es ausgeführt hatten.
Insgesamt wurden etwa 5.500 Arbeitsstunden auf die Restaurierung des Spindlerkabinetts und die Restaurierung des Bodens einschließlich der Rekonstruktion des Marketerieparketts aufgewendet. Die gesamte Restaurierung der Raumschale und Kommoden dauerte etwa zweieinhalb Jahre.
Ein bedauerlicher Verlust, der im Gegensatz zum Fußboden nicht behoben werden kann, betrifft die Zimmerdecke. Sie ist heute einheitlich in einem Hellockerton gefasst, der sich noch in der Hohlkehle der Decke nachweisen ließ. Über das ursprüngliche Aussehen der Decke des Rosenholzzimmers wissen wir leider nichts. Im schon erwähnten Inventar von 1813, also bereits 50 Jahre nach der Fertigstellung wird die Decke als „ordinaire Weiß“ beschrieben. Tatsächlich ist mit Ausnahme der verbliebenen Hohlkehle und eines Stuckgesimses, der gesamte Plafond wohl zu Beginn des 19. Jahrhunderts oder schon früher vermutlich infolge eines Wassereinbruchs erneuert worden. Dies ist sehr betrüblich, da einige Zimmerdecken in den benachbarten Räumen über die schönsten und phantasievollsten Deckenstuckaturen verfügen, die das Bayreuther Rokoko hervorgebracht hat. Es ist anzunehmen, dass dieser unzweifelhaft repräsentativste Raum der markgräflichen Zimmer auch über eine im besonderen Maße gestaltete Decke verfügte. Leider ist dies für immer verloren und so zeigt sich die Decke heute schlicht nur im Grundfarbton der Erbauungszeit. Ein freigelegtes „Fenster in die Vergangenheit“ von vor rund 150 Jahren zeigt eine Deckenbemalung mit Schablonenmalerei des Historismus, als der Raum nach langer zweckentfremdeter Nutzung offenbar wieder angemessener verwendet und geschätzt wurde – zuvor war der erste Stock des Italienischen Schlösschens von der Militärverwaltung des Königlichen Chevauleger-Regiments genutzt worden, die zeitweise das Zedern-Kabinett sogar als Werkstatt des Regiments-Schuhmachers missbrauchte. Auch davon zeugen noch heute „Spritzer“ des ehemals hier aufgestellten Schuster-Leimofens.
Um das Rosenholzzimmer auch für die Zukunft zu bewahren, wird das zu trockene Raumklima, das sicher zum Teil ursächlich für den schlechten Erhaltungszustand des Kabinetts war, nun kontinuierlich überprüft. Mit Hilfe der drei leicht geöffneten Okulifenster, die einen hinreißenden Einblick in den stuckierten Gartensaal des Italienischen Schlösschens gewähren, wird der Raum nun klimatisiert und angemessen befeuchtet, um ein erneutes Ablösen des kostbaren Furniers zu vermeiden. Schlussendlich wurden auch die beiden noch original erhaltenen Außenfenster sehr geschickt durch den Einbau außen installierter neuer Winterfenster klimatisch ertüchtigt. So wurden die historischen, zum Hofgarten gerichteten Fenster ähnlich wie Kastenfenster erweitert und sind in der Fassadenansicht des Gebäudes kaum wahrnehmbar. Dadurch werden die Klimaschwankungen von außen her minimiert und darüber hinaus ist es möglich, hier unauffällig einen musealen Lichtschutz zu integrieren, ohne die 260 Jahre alten Fenster und ihre originale Verglasung anzutasten. Die Pläne dazu entwickelten Sabine Pausch und Johannes Herlitz vom Staatlichen Bauamt Bayreuth, die die gesamte Restaurierungsmaßnahme äußerst verantwortungsvoll betreuten. Ihnen zur Seite stand Anja Fuchs als externe restauratorische Fachbauleitung. Auch wenn die restauratorischen Arbeitsaufgaben an den Raumkunstwerken der Bayerischen Schlösserverwaltung immer wieder überaus reizvolle Erfahrungen und Überraschungen bereithalten, so gehört doch die Wiedergewinnung dieses vergessenen Juwels der Kunsttischlerfamilie Spindler zu den besonderen Sternstunden der restauratorischen Arbeitspraxis.
Die Vervollständigung des Münz- und Medallienkabinetts, das gestalterisch auch als Bilderzimmer konzipiert ist, erforderte im Letzten die sinnfällige Verschließung der „Löcher“ in der Vertäfelung, die von den verlorenen Leinwand- und Tafelbildern herrühren, die einst hier präsentiert waren. Darüber informiert ein weiterer Beitrag des Blogs von Dr. Cordula Mauß und Florian Schröter.
Das Rosenholzzimmer befindet sich im ersten Stock des Italienischen Schlösschens und ist in den Räumen des Archäologischen Museums des Historischen Vereins für Oberfranken e.V. Es gehörte einst zu den Privaträumen des Markgrafen Friedrich und kann zu den Öffnungszeiten des Archäologischen Museums besichtigt werden.