Zwischen den Restaurierungszentren der Bayerischen Schlösserverwaltung und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten kommt es immer wieder zu spannenden Kooperationen. Im letzten Jahr tauschten sich die Werkstatt für Steinrestaurierung mit den Potsdamer KollegInnen zum Thema Pietra Dura (Steinschnitt) aus – also zu Kunstwerken, welche mit hauchdünnen Scheiben aus vor allem kostbaren Natursteinen verkleidet sind. Als praktisches Projekt diente einer der beiden Kamine im Spiegelkabinett von Schloss Linderhof. Doch neben der technischen Seite der Restaurierung barg auch die Geschichte des Kamins einige Überraschungen. Nachdem wir diese im ersten Teil erzählt haben, widmen wir uns nun im zweiten Teil der Restaurierung des außergewöhnlichen Ausstattungsstücks.
Von Lutz Schummel & Silas Ploner //
In unserem ersten Blogbeitrag haben wir uns die vielfältigen Geschichten rund um die Herkunft der Kamine genauer angeschaut. Heute geht es um den technischen Aufbau und die Reparatur, dem materialauthentischen Schließen der Oberflächen aus Lapislazuli. Das Verständnis der historischen Herstellungstechniken ist für uns Restauratoren unerlässlich, um überhaupt über eine Reparatur nachdenken zu können. Durch die Beschreibung der einzelnen Arbeitsschritte für eine „materialgerechte Reparatur“ soll im Folgenden ein Verständnis für den Aufbau und die gleichsam raffinierten wie einfachen Arbeitstechniken dieses Kunsthandwerks vermittelt werden.
Aufbau
Die Besonderheit der blauen Kaminmäntel im Spiegelkabinett ist, dass sie nicht monolithisch aus einem Stück Stein hergestellt sind, sondern die sichtbaren Oberflächen aus dünnen Lapislazuliplättchen bestehen, welche auf ein stabiles Trägermaterial (vermutlich Sand- oder Kalkstein) geklebt wurden. Durch das sehr genaue Einpassen der Steine zueinander entsteht aus der Entfernung der Eindruck eines monolithischen Lapislazulikamins.
Lapislazuli ist ein sehr harter und spröder Halbedelstein, im Fall unserer Kamine stammt die tiefblaue Varietät wohl aus dem Ural. Bei der Herstellung wurden nur die reinsten, tiefblauen Teile des Steines verwendet, alle optisch störenden Bereiche des Steins wie das goldgelbe Pyrit oder graue Wolken aus Quarz oder Calcit wurden herausgeschnitten. Dadurch entstanden kleinteilige, unregelmäßige Plättchen, welche ähnlich einem Zyklopenmauerwerk zu einer Oberfläche zusammengesetzt und aufgeklebt wurden.
Aber mit welchem Kleber verklebt man nun Stein?
An den Kaminen kam ein sogenannter Schmelzkleber zum Einsatz, eine Mischung aus Kolophonium und Bienenwachs. Diese Rezeptur ist uns aus verschiedenen historischen Rezeptbüchern und von vielen Kunstobjekten bekannt. Erwärmt man diesen Kleber, wird er schnell flüssig, beim Erkalten wird er wieder hart. Der Prozess des Erwärmens kann immer wieder durchgeführt werden, eine Klebung kann also immer wieder gelöst werden. Äußerst praktisch, sollte die Klebung doch einmal verrutschen. Außerdem kann der Schmelzkleber durch Zuschläge gezielt modifiziert werden. Für einen festeren, breiigen Unterbau eignet sich zum Beispiel Ziegelmehl, für das Kitten in der Oberfläche die Beigabe der verklebten Natursteine als Granulat. Fugen oder Fehlbereiche lassen sich so farblich zusammenziehen.
Ansatz der Reparatur – Konzept der materialgerechten Ergänzung
Wenn RestauratorInnen mit einem Schaden an Objekten aus einer ganz besonderen kunsthandwerklichen Technik konfrontiert werden, gibt es grundsätzlich verschiedene Wege damit umzugehen. Der Schaden kann als Zeitzeugnis belassen und das Objekt lediglich konserviert werden; die Schadstelle kann mit einer ähnlichen, aber neuen Technik geschlossen werden (sodass die Fehlstelle auf den ersten Blick nicht auffällt); oder der Fehlbereich wird mit annähernd demselben historischen Verfahren wieder verschlossen. Im Fall der beiden Lapiskamine wurde letzterer, der Weg einer materialauthentischen Restaurierung gewählt. Bei diesem Weg standen mehrere Ideen Pate. Zum einen wurde anhand der beiden Kamine die historische Technik des Steinschnittes praktisch erprobt und besser verstanden. Zum anderen diente das Projekt als Türöffner, um die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen der Bayerischen Schlösserverwaltung sowie der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Berlin-Brandenburg (kurz: SPSG), zu vertiefen. In der Steinrestaurierungswerkstatt der SPSG wurde die Technik des Steinschnitts über Jahre hinweg erprobt, angewendet und weiterentwickelt. Hier konnte durch viele unterschiedliche Restaurierungsprojekte Spezialwissen gesammelt werden, und zum Teil wurden eigens für den Steinschnitt neue Arbeitsgeräte entwickelt und historische Techniken nachgestellt. Bei den Beschädigungen an den Lapiskaminen handelt es sich fast ausschließlich um Ausbrüche. Gerade an den Rändern der Kamine haben sich einzelne Scheiben aus Lapislazuli von ihrer Trägerplatte gelöst und sind verlorengegangen. Andere sind lose und werden nur noch durch die Schwerkraft gehalten. All diese Fehlstellen sollten in historischer Technik wieder verschlossen und befestigt werden.
Abformung
Durch die engen Räume und steten Besucherströme lässt es sich nur schwer lange im Spiegelkabinett arbeiten, auch darf in den Räumen kein Staub oder Schmutz anfallen. Ein Schlossraum lässt sich also nicht ohne weiteres in eine Werkstatt umfunktionieren. Der Plan war deshalb, alle Fehlstellen als Gipsmodelle abzuformen und dann mit diesen in den Werkstätten in Potsdam und München zu arbeiten. So wurden die Ausbrücke vor Ort vorsichtig mit einem Skalpell bis auf den Grund des Trägermaterials von Kleberesten gereinigt, anschließend wurden die Flanken zur Schadstelle gesichert, um zuletzt mit Knetsilikon eine Negativform der Fehlstelle zu erstellen.
Aus diesem Abdruck konnte wiederum eine Gipsform als Positiv gegossen werden. So konnten die neuen Ergänzungen bequem in der warmen Werkstatt eingepasst werden.
Schmelzkleber zum Selbermachen
Der Schmelzkleber dient nicht nur dem Einkleben der fertigen Ergänzung, er ist auch ein unerlässliches Hilfsmittel im Herstellungsprozess. Für die spezielle Rezeptur werden 100g Kolophonium mit 26g Bienenwachs bei einer Schmelztemperatur von ca. 85°C vermengt und auf einer nassen Metallplatte ausgegossen zu handlichen Stangen gedreht.
Rohmaterial
Wie bekommt man nun feine, gut 2mm starke Scheiben aus einem Rohstein? Zuerst muss ein passendes Stück Lapislazuli gekauft werden. Da es sich um ein Naturprodukt handelt, müssen zum Teil mehrere Rohsteine aufgesägt und angeschliffen werden, um das passende Material mit dem richtigen Farbton zu finden. Gesägt wird auf einer kleinen Draht-Gattersäge, einem Eigenbau der Potsdamer Restaurierungswerkstatt. Das Prinzip ist, eine Drehbewegung (Antriebsmotor) in eine horizontale Bewegung (Schlitten mit Gatter) zu bringen. Als Schleifmittel dient ein Gemisch aus losem Korund und Wasser, welches von den feuchten Drahtsteilen immer weiter durch den Stein gerieben wird. Technisch gesehen handelt es sich also eigentlich um Schleifen und nicht Schneiden.
Der Schneidprozess wird konstant beaufsichtigt, das Schleifgemisch muss stetig nachgegeben werden und die abgenutzten Drähte des Gatters können reißen und müssen ausgewechselt werden. Ein Lapisstück von rund 6x5x5cm bis zum Ende aufzusägen dauert am Ende gut 24 Stunden.
Zuschnitt der Ergänzung
Sind die einzelnen Scheiben aufgesägt, wird ein passendes Stück für die Fehlstelle ausgesucht. Entscheidend sind dabei Farbe, Größe und Anteil an unpassenden Verfärbungen. Der Umriss der Fehlstelle wird auf wasserfeste Klebefolie übertragen und auf die Steinscheibe geklebt.
Damit die dünne Steinscheibe während des Heraussägens nicht bricht, wird diese auf eine größere, stabile Schieferplatte geklebt. Nun kommt zum ersten Mal der Schmelzkleber zum Einsatz. Mit einem Heißluftfön kann dieser punktgenau von der Stange auf die Klebefläche getropft werden. Das Heraussägen funktioniert mit derselben Technik wie das Aufsägen des Rohsteins. Diesmal wird ein einzelner Draht auf einem biegsamen Haselnusszweig zum Bogen gespannt, das Sandwich aus Stein und Schieferplatte in einem Schneidbock eingespannt, und die beiden Stücke werden gemeinsam mit dem Drahtbogen von Hand herausgesägt. Ein nasser Pinsel mit dem feuchten Schleifgemisch benetzt regelmäßig die Bogensehne.
Unter gleichmäßigen Druck und horizontaler Bewegung sägt der Draht genau entlang der aufgeklebten Schablone – nach hinten hin leicht konisch hinterschnitten, um Platz für Kleber zu lassen und nach vorne keine Fuge zu zeigen. Diese im Grunde einfache Technik zu meistern, ist ein Herzstück des Pietra Dura. Es ist dieselbe Technik, mit der seit langer Zeit kostbarste Einlegearbeiten in Florenz sowie weltweit gefertigt werden.
Schleifen, polieren, anpassen
Ist die Ergänzung herausgeschnitten, wird das kleine Stück mittels Heißluftfön wieder von der Schieferplatte gelöst. Je nachdem wie exakt gesägt wurde, können nun gerade Kanten mit einem langsam-drehenden Schleifteller oder Schleifsteinen sowie runde Formen mit feinen Diamantfeilen nachgearbeitet werden.
Die originalen Lapisscheiben auf den Linderhofer Kaminen wurden im montierten Zustand geschliffen und sind dadurch teilweise sehr dünn. Um auf dieselbe Stärke zu kommen, mussten einige der Ergänzungen nochmals entstärkt, also dünner geschliffen werden. Die kleine Ergänzung wird mit (wie sollte es anders sein) Schmelzkleber auf einen runden Holzstößel geklebt, vorsichtig flächig auf einen Schleifteller gedrückt und bis zur gewünschten Dicke geschliffen.
Ob am Ende alles passt, kann an der Gipsform kontrolliert werden. Zuletzt wird die sichtbare Oberfläche der Ergänzung feingeschliffen und je nach Glanzgrad der Umgebung poliert. Hier reichen Körnungen von 600, 800 bis 1200 sowie feines Polierpulver und Lederlappen. Die Ergänzung ist nun bereit zum Einkleben.
Montage
Vor Ort werden die feinen, dünnen Steinscheiben vorsichtig mit Pinzetten in die Fehlstellen eingelegt. Passt alles, wird Schmelzkleber mit fein-zerstoßenem Lapislazulipulver vermischt und in die Fehlstelle getropft. Ein umgebauter Heißspatel drückt langsam von oben auf die Lapisergänzung und erwärmt diese auf Schmelztemperatur des Klebers. Durch die Wärmeleitfähigkeit des Steins erwärmt dieser den Kleber unter sich und verteilt ihn in alle Ecken und Enden. So sinkt die kleine Ergänzung langsam an die gewünschte Stelle. Sollte doch einmal etwas korrigiert werden müssen, kann das Lapisstück jederzeit wieder von oben erwärmt und herausgenommen werden.
Ausblick
Das Pilotprojekt hat viele Ideen zum besseren Verständnis der beiden Kamine, ihrer Geschichte und Herstellungstechnik geliefert – und zumindest eine Antwort auf die Frage gezeigt, wie Fehlstellen an den beiden Schmuckstücken in Zukunft materialgerecht ergänzt werden können. Wie so oft steckt der Teufel auch hier im Detail: von der Auswahl des richtigen Steins über die selbstgebaute Säge bis zum richtigen Farbton des Schmelzklebers. Aber gerade durch den gemeinsamen Austausch von Wissen und Erfahrungen können die Kunstwerke früherer Generationen heute besser verstanden und durch uns alle respektvoll erhalten werden.