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Feuer und Flamme für die Wissenschaft – Die Gerzabeck´sche Zündmaschine in der Residenz München

Tempel Innere Gläser

Von Emilia Wiesböck //

Feuerzeuge sind für uns heute allgegenwärtig und selbstverständlich. Ein jeder von uns besitzt eines in verschiedensten Formen und Farben, nachdem wir es für 2,49 Euro (im Doppelpack!) im Supermarkt erworben haben. Sie liegen bei uns zuhause in der Schublade oder wir tragen sie gar in der Hosentasche mit uns herum. Der folgende Blogeintrag versetzt uns in eine Zeit zurück, in der Lichtzünder weder allgegenwärtig, noch erschwinglich oder in jedem Haushalt zu finden waren. Im Gegenteil – eine Zündmaschine, wie man treffender sagen muss, war damals eine Innovation – ein Luxusobjekt, bei dem jede neue Weiterentwicklung Staunen und Faszination hervorrief.


 

Vor wenigen Monaten kam genau eine solche Zündmaschine aus dem Depot der Residenz München in unsere Nymphenburger Werkstätten, wo es mir zur Restaurierung anvertraut wurde. Ich hatte nach meinem Abitur im Herbst 2023 ein Jahrespraktikum im Restaurierungszentrum der Bayerischen Schlösserverwaltung begonnen. Als Praktikantin in der Möbelrestaurierung war das insofern eine besonders spannende Aufgabe, da ich nicht nur die Holzteile am Objekt bearbeiten durfte, sondern auch alle anderen Materialien. So kam ich auch mit anderen spannenden Fachbereichen in Berührung. Es ging beispielsweise um das Kleben von Glas und die Retusche auf Metalloberflächen. Ich wanderte von Werkstatt zu Werkstatt des Restaurierungszentrums, um mir Taft, Leder, Filz und Metallfedern für Rekonstruktionen zusammen zu sammeln. Außerdem hatte ich als Praktikantin das Glück, ausreichend Zeit für eine tiefgehende Recherche zu haben. Bei meinen Nachforschungen zu der eigenartigen Maschine stieß ich nicht nur auf wichtige Quellen zur Funktions- und Konstruktionsweise, sondern auch auf die Geschichte seines Erfinders, Johannes Gerzabeck in München, der sich durch Fleiß, Klugheit und Hartnäckigkeit den Erfolg seiner Maschine und sogar den Beifall bis an höchste Stelle erarbeitete.

Da die knapp 200 Jahre alte Maschine natürlich nicht vollständig und schon gar- beziehungsweise lange nicht mehr funktionsfähig bei uns eintraf, stellte sich vorerst die Frage nach der Funktionsweise und den genauen Zwecken der vielen verschiedenen Bestandteile. Ein Glück, dass der Erfinder selbst eine vollständige Betriebsanleitungen zu seiner Maschine verfasst hatte! In den „Anleitung[en] zum Gebrauch der Zündmaschine des Mechanikus Gerzabeck“ von 1820, 1822 und 1825 beschreibt er die Maschinen in ihrem jeweiligen Entwicklungszustand genau. Außerdem nennt er möglicherweise auftretende Fehler und Störungen und erklärt wie man diese selbst beheben kann. Diese Schriften halfen meinen Kollegen und mir, die Maschine und ihre damalige Funktionsweise nach und nach zu entschlüsseln.

zündmaschine monopteros

Ein Tempel voller Geheimnisse

Betrachtet man die Maschine von außen, so sieht man einen Rundtempel (Monopteros) auf hölzernem, quadratischen Fundament, bunt gefassten Säulen mit vergoldeten Sockeln und einer mit Sternen verzierten Kuppel. Dass es sich um mehr als nur ein dekoratives Objekt handeln muss, verraten vorerst nur mehrere ineinander stehende Gläser zwischen den Säulen. Die weitere Konstruktion verbirgt sich unter der Kuppel sowie im Fundament und wird erst offenbar, wenn der Tempel auseinandergenommen wird. Das Entzünden der Flamme hängt nämlich von zwei Komponenten ab – brennbarem Gas und Elektrizität -, die Gerzabeck geschickt in einer Maschine fusionierte. Das Gas entstand in den Gläsern (siehe Titelbild): Ein kleiner Becher mit einem Stück Zink wurde in eine Wasser- Schwefelsäure- Mischung gestellt, die in dem großen Glas eingefüllt war. Reagierte nun das Zink mit der Schwefelsäure, so sammelte sich Wasserstoffgas in einer Glocke direkt über der Flüssigkeit.

Das Geheimnis der Elektrizität befand sich im Sockel des Tempels, der sich nur durch einen versteckten Mechanismus öffnen lässt und aus dem man eine Schublade ziehen kann.

Schublade mit Elektrisiermaschine

Schublade mit Elektrisiermaschine

In dieser befindet sich eine Glasscheibe, die durch den Zug an einer Darmsaite gedreht werden kann. Der Zug entstand durch das betätigen des Hebels auf der Deckelplatte (unter der abnehmbaren Kuppel).

Hebelkonstruktion unter der Kuppel

Hebelkonstruktion unter der Kuppel

Diese Aktion löste sowohl den Gasaustritt der brennbaren Luft aus den Gläsern, als auch die Umdrehung der Glasscheibe aus. Die durch die Reibungselektrizität entstandene Ladung wurde durch einen Kupferdraht direkt vor die Gasmündung auf der Deckelplatte geleitet, wo einige Funken an das austretende Gas abgegeben wurden. So gelangte man von einem Hebeldruck zu „mit einer lebhaften Flamme brennende[r] Luft“ (Gerzabeck Johannes, Anleitung zum Gebrauch der Zündmaschine des Mechanikus Joh. Gerzabeck, von ihm selbst herausgegeben, München 1820, S. 9.) Ließ man den Hebel los, so ging er von selbst zurück nach unten und die Flamme erlosch, was den Apparat sicher machte. In jeder seiner Anleitungen beschreibt Gerzabeck auch eine kleine Kerze, die vor der Mündung angebracht war, und welche sich entzündete, sobald die Flamme entstand, wodurch die Zündmaschine als Leuchter verwendet werden konnte.

gashahn und leitungsdraht zündmaschine

Zusammentreffen des Gashahns auf den Leitungsdraht

Mögliche Anwendungen der Maschine

Doch die Zündmaschine war für weitaus mehr als zum gelegentlichen Lichtzünden geeignet! In einer zeitgenössischen Anzeige, nämlich dem „Wöchentlichen Anzeiger für Kunst- und Gewerbfleiß im Königreiche Bayern“ vom Jahre 1817, lässt sich ein Eintrag zu Gerzabecks Zündmaschine finden, was zeigt, dass diese Maschinen Aufsehen und Bewunderung erregten und ein stolzes Zeichen für wissenschaftlichen Fortschritt in Bayern waren. In diesem Text wird erwähnt, auf welche verschiedenen Weisen man die Maschine benutzen konnte:

 „So kann man die Mündung des Luftrezipienten hinwegnehmen, die Elektrisir- Maschine für sich gebrauchen, und die Elektrizität in einem verhältnismäßigen Conductor sammeln, oder eine Leidner Flasche laden, um elektrische Versuche im Kleinen zu machen. Man kann ferner brennbare Luft in beliebiger Menge sich verschaffen, und solche mittlest einer besonderen Röhre, die man statt der vorerwähnten Mündung ansteckt, in Flaschen zu Versuchen sammeln, oder die […] brennende Luft, zum Schmelzen kleiner Glas- oder Metallkörper anwenden. Dadurch erhalten diese Maschinen noch
einen ganz besonderen Werth für die Freunde solcher Versuche, oder für Volklehrer, deren Beruf es ist nützliche Kenntninsse zu verbreiten, und die oft nicht im Stande sind, vollständigere Apparate sich anzuschaffen.“
(Anzeiger, für Kunst- und Gewerb- Fleiß, im Königreiche Bayern, 1817. Nr. 5. S. 77 f)

Ein ambitionierter Hausmeister beweist sich vor der Akademie

Johannes Gerzabeck, dessen genaue Lebensdaten nicht bekannt sind, war von 1805 bis in die 1830er Jahre Angestellter bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften in München, wo er „wohnhaft im akadem. Gebäude über einer Stiege“ (Gerzabeck Johannes, Anleitung zum Gebrauch der Zündmaschine des Mechanikus Joh. Gerzabeck, München 1820, S. 4.) seiner Tätigkeit als Hausmeister und Mechanikus nachging. Er war gelernter Uhrmacher und tüftelte neben seinen Pflichten als sogenannter Akademiediener an der Konstruktion und Weiterentwicklung solcher Feuerzeuge. Jene Pflichten bestanden nämlich unter anderem im Reparieren von damaligen Zündmaschinen (vermutlich sogenannte „Fürstenbergische Feuerzeuge“), bei denen er zunehmend Mängel und Unvollkommenheiten in der Funktion und Handhabung feststellte. Diese veranlassten ihn, sich – bereichert von den Ideen und Neuheiten der damaligen Wissenschaft – selbst in die Weiterentwicklung der Zündmaschinen zu stürzen.
Die Geschichte unserer Zündmaschine beginnt 1816, als Johannes Gerzabeck mit einer Bitte an die mathematisch-physikalische Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften tritt. Er möchte eine von ihm selbst gefertigte Zündmaschine auf Vollkommenheit, Solidität und Einzigartigkeit prüfen lassen. Die Maschine, die er damals der Akademie vorführte, war nicht das Modell, das uns hier vorliegt. Denn obwohl Gerzabeck im August 1816 ein Zeugnis der Akademie erhielt, das die Brauchbarkeit und Qualität bestätigte, begann er mit der Optimierung von noch immer vorhandenen kleineren Fehlern, welche die Akademiker an ihn herangetragen hatten.

zündmaschine detail

Ein Jahr später wagte der Hausmeister ein zweites Mal – mit einer neueren Maschine – an die Akademie heranzutreten. Diesmal bat er, diese erneut zu prüfen und ihm mitzuteilen, ob bereits eine ähnliche oder vielleicht sogar bessere Maschine eines anderen Herstellers existierte. Falls dies nicht der Fall sein sollte, brachte er den Wunsch an, seiner Majestät dem König empfohlen zu werden.

Es begann ein reger Austausch zwischen den gelehrten Physikern, Ingenieuren und Forschern der Akademie, unter die auch Persönlichkeiten wie Joseph v. Baader, Maximus von Imhof und Georg von Reichenbach zählten. Jeder prüfte die Maschine und nahm Stellung zu ihrer Tauglichkeit. Einige stimmten daraufhin für ein Patent, andere hielten eine bloße Belobigung für eher angemessen. Neben ein paar kritischen Stimmen zum Preis und wirtschaftlichen Aspekten, wurde Gerzabeck und seiner Zündmaschine gegenüber jedoch einstimmig volles Lob ausgesprochen. Die Akademiker entschlossen, dem Erfinder für seine privaten Bemühungen einen geldlichen Preis von 6 Dukaten (nach heutigen Maßstäben ca. 4.000 Euro) auszuzahlen, eine Maschine für die akademische Sammlung selbst anzukaufen (der Preis der Maschine wurde im Zuge dessen auf 44 Gulden festgelegt, was zum Vergleich, dem Jahresgehalt eines Hofknechts gleichkam) und ihm sogar die goldene Medaille der Akademie zu überreichen. So bat die Akademie am 11. März 1818 den König selbst in einem Schreiben, diesen ihren Beschluss zu genehmigen. Gerzabeck erhielt daraufhin sogar das Doppelte des erdachten Preisgeldes, die Verewigung seiner Arbeit in der akademischen Sammlung (die heute Teil des Deutschen Museums ist) und eine Empfehlung an den König. Max I. Joseph könnte dadurch selbst auf die Zündmaschinen aufmerksam geworden sein, weswegen die Besucher der Residenz München nun auch ein prächtiges Exemplar bewundern können.