Marie von Preußen – ausgerechnet eine Prinzessin aus dem Hause Hohenzollern – wurde Bayerns dritte Königin. Die 16-jährige Marie verliebte sich nicht nur schlagartig in ihren Bräutigam Kronprinz Maximilian von Bayern – den späteren König Maximilian II. Joseph – sondern auch in ihr neues Heimatland. Diese große Zuneigung beruhte auf Gegenseitigkeit: Ihr Ehemann, ihre Schwiegerfamilie, der Hofstaat, die Bevölkerung, sie alle waren entzückt von dem anmutigen und sanften „Mariechen“. Doch das anfängliche Glück währte nicht ewig. Maries Leben sollten später viele Schicksalsschläge prägen: der plötzliche Tod ihres Mannes, die psychische Erkrankung ihres Sohnes Otto und die Entmündigung und der frühe Tod ihres Sohnes Ludwig.
Eine anmutige und sanftmütige Prinzessin
Marie Friederike Franziska Hedwig Prinzessin von Preußen (15.10.1825 – 17.5.1889) stammt aus einem Haus mit einer beeindruckenden Ahnenreihe: Ihr Onkel war der preußische König, ihr Urgroßvater der Bruder von Friedrich dem Großen. Marie wuchs in einer äußerst behüteten Umgebung als das geliebte Nesthäkchen der Familie auf. Wenn ihrer Mutter Marianne von Hessen-Homburg das Hofzeremoniell im Berliner Schloss zu viel wurde, dann fuhr sie mit der Familie ins Schloss Fischbach im schönen Schlesien. Hier war die Welt noch in Ordnung und es herrschte eine pietistische Atmosphäre, symptomatisch für die Zeit der Befreiungskriege. Für Marie bedeutete das vor allem eine für damalige Verhältnisse äußerst ungezwungene Kindheit: Sie durfte zusammen mit den Dorfkindern spielen und Eier aus dem Hühnerstall holen. Hier machte „Mariechen“ auch ihre ersten Bergwanderungen ins Riesengebirge. Ihre hier gewonnene Liebe zu den Bergen sollte sie ein Leben lang begleiten.
Hochzeit mit dem bayerischen Thronfolger
Marie war gerade einmal 16 Jahre alt, als der bayerische Kronprinz Maximilian, der zu diesem Zeitpunkt bereits fast doppelt so alt war, um ihre Hand warb. Beide Familien waren von der Idee, die Wittelsbacher- und Hohenzoller-Dynastien näher zusammenzubringen, begeistert und so kündigte man kurz vor Weihnachten 1841 öffentlich die Verlobung an. Dass Marie bekennende Protestantin war, sollte kein Hindernis darstellen: Die beiden bisherigen bayerischen Königinnen Karoline von Baden und Therese von Sachsen-Hildburghausen, waren ebenfalls Protestantinnen. Der Kronprinz, der lange Zeit nach einer passenden Braut gesucht hatte, war überglücklich über seine Verlobte und widmete ihr selbst geschriebene Gedichte. Am 5.10.1842 fand die evangelische Prokurativ-Trauung im Berliner Schloss statt, bei der Wilhelm Prinz von Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm I, die Vertretung für Maries Ehemann übernahm. Anschließend brach die Braut in ihre neue Heimat auf und bereits die Reise war ein einziger Festzug: Jubel, Ehrenpforten, Feuerwerk, Salutschüsse, festliche Musik und Blumen warteten an den Stationen. Als sie endlich in der Münchner Residenz angekommen war und ihren Max erblickte, sollen die beiden glatt die höfische Etikette vergessen und sich einander in die Arme geworfen haben.
Es folgt ein Marathon an Hochzeitsfeierlichkeiten: Die katholische Trauung am 12.10. in der Allerheiligen-Hofkirche, am 15.10. der 17. Geburtstag von Marie, am 16.10. die Eröffnung des Oktoberfests, am 18.10 die Einweihung der Walhalla und am 19.10. die Grundsteinlegung der Befreiungshalle in Kelheim. Als die beiden endlich in den Flitterwochen in Schloss Hohenschwangau angekommen waren – wo Marie hin und weg war von der traumhaften Bergkulisse – strahlte die Braut trotz der vielen Strapazen noch immer beim Verlassen der Kutsche und konnte ihr Glück nicht fassen.
Eheglück und Kindersegen
Max und Marie scheinen in der Lotterie der arrangierten Ehen das große Los gezogen zu haben. Ludwig I. schrieb drei Tage nach der Hochzeit: „So sah ich Max noch nie, er ist vollkommen glücklich. Es ist ein gar zärtliches Pärchen.“ Über Marie sagte der Schwiegervater: „… ihre aus dem Herzen kommende Freundlichkeit ist aber auch recht für die Bayern gemacht“.
Das Kronprinzenpaar verband eine große Liebe zu lokalen Bräuchen, volkstümliche Musik und Tracht. Übrigens, den beiden ist es zu verdanken, dass Tracht salonfähig wurde. Die Zwei teilten bei Weitem aber nicht alle Interessen miteinander: Max besaß einen großen akademischen Wissensdurst und versuchte seine Frau fortwährend für die Wissenschaft zu begeistern – vergebens. Wenn Maximilian auf Reisen ging, litt Marie sehr unter Einsamkeit. Die Vielzahl an Briefen und Gedichten von Max an Marie, in denen er sie seinen „Engel“ oder sein „Engelsweibchen“ nannte, zeigt die tiefe Verbundenheit der beiden.
Das Eheglück der beiden wurde noch perfekter, als Marie am 25.8.1845 den ersehnten Kronprinzen in Schloss Nymphenburg zur Welt brachte. Auf Drängen des stolzen Großvaters sollte Maries Sohn Ludwig heißen – der spätere König Ludwig II. von Bayern. Der zweite Sohn Otto folgte am 27.4.1848. Marie übergab die Kinder zwar, wie zu der Zeit üblich, einer Amme und später den Erzieherinnen und Erziehern, sie spielte aber liebend gerne mit ihren Kindern. Entgegen der Hofetikette saß sie mit Ludwig beim Spielen am Boden oder tollte mit den beiden Buben beim Fangen spielen durch die Residenz oder den Nymphenburger Schlosspark. Die beiden Kinder waren ihr ganzer Stolz und die kleine Familie verbrachte viel Zeit auf gemeinsamen Ausflügen und Bergtouren.
Die bayerische Königin
Dieses Familienidyll währte nicht ewig. Marie sollten bald viele Schicksalsschläge prägen: der plötzliche Tod ihres Mannes, die psychische Erkrankung ihres Sohnes Otto, die Entmündigung und der frühe Tod ihres Sohnes Ludwig.
Das Leben des Kronprinzenpaares verlor einen großen Teil der Leichtigkeit, als König Ludwig I. überraschend abdankte. Marie wurde 1848 zur dritten bayerischen Königin und nahm ihre höfischen Pflichten sehr ernst. Sie war stets sehr volksnah – was ihr große Beliebtheit einbrachte – und engagierte sich in großem Maße in wohltätigen Projekten, wie bei der Gründung des „Bayerischen Frauenverein zum Rothen Kreuz“.
Als König Maximilian II. Joseph überraschend am 10.3.1864 nach 22 Ehejahren starb, war Marie untröstlich. Sein früher Tod traf sie sehr – sie war erst 39 Jahre alt, als sie zur Witwe wurde – und die vormals so fröhliche Königin zog sich immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück.
Das Verhältnis zu ihren Kindern
Maries Kinder waren ihr ganzer Stolz und später Trost in der Zeit nach dem Tod ihres Ehemanns. Im Jahr 1864 war sie von einer glücklichen Königin über Nacht zur „Königin-Mutter“ geworden. Ihr erst 19-jähriger Sohn Ludwig musste weitgehend unvorbereitet die Regierungsgeschäfte übernehmen. Hohenschwangau erinnerte Marie an Max und so wurde das Schloss zu ihrem offiziellen Witwensitz. Besonders Ludwig teilte die Liebe seiner Mutter zu Hohenschwangau und verbrachte viel Zeit dort. Wenn Marie, Otto und Ludwig gleichzeitig anwesend waren, musste das kleine Schloss über 80 Gäste beherbergen. Zunehmend begannen sie Ludwigs großer Hofstaat und seine Eigenarten einzuengen. Als Ludwig mit seiner schwärmerischen Freundschaft zu Richard Wagner Gefahr lief, Schaden in der Öffentlichkeit davonzutragen, versuchte sie ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Gegen Ende von Ludwigs Leben fiel es ihr zunehmend schwerer, sich in die nicht mehr realitätsbezogene Welt ihres Sohnes hineinzuversetzen. Auch seinen Tod musste sie 1886 miterleben, was sie zutiefst erschütterte.
Otto war dem Wesen seiner Mutter viel ähnlicher als Ludwig. Als man ihm nach seinem Einsatz im Krieg von 1870/71 eine Geisteskrankheit attestierte, verkündeten ihr katholische Geistliche, dass Ottos Geisteskrankheit eine Strafe Gottes für ihren falschen Glauben war. 1874 trat sie tatsächlich – sehr zum Leidwesen der preußischen Verwandtschaft – zum katholischen Glauben über, in dem sie sehr viel Trost fand.
Die Berge – Maries zweite große Liebe
Ausgerechnet eine preußische Prinzessin wurde eine von Bayerns ersten Bergsteigerinnen. Marie soll auf dem Weg nach Hohenschwangau sprachlos gewesen sein, als sie das erste Mal die bayerischen Berge erblickte. Max war selber begeisterter Berg-Fan und die Söhne wurden ebenfalls dazu erzogen. Von Hohenschwangau aus unternahm Marie viele Touren auf den Säuling (2047 m) und die umliegenden Berge. 1854 bestieg sie während eines Aufenthalts in Berchtesgaden den Watzmann (2713 m). Als Lieblingsplätze der Königin galten St. Bartholomä am Königssee und die Eiskapelle an der Watzmann-Ostwand. Dorthin jagte sie die höfische Gesellschaft, die ihre Begleitung darstelle, bisweilen auch nachts bei Fackelschein nach oben.
Die standesgemäßen Outfits der Damen waren alles andere als passend und nicht für richtige Bergtouren geeignet. Marie schaffte Abhilfe, indem sie eine individuelle Bergsteigertracht anfertigen ließ: ein eng anliegendes Oberteil, ein aus festem Loden gefertigter Rock, darunter eine bis zu den Schuhen reichende Hose (revolutionär!) aus demselben Material, ein Halstuch und ein kecker Stöpselhut.
Auch für die Hofdamen und das Küchenpersonal in ihrer Begleitung war Schwindelfreiheit und ein großes Maß an Disziplin gefragt: Schlafen in Sennhütten, Aufstehen um 3 Uhr morgens und mehrstündige Märsche waren keine Seltenheit. Die Begeisterung darüber hielt sich teilweise in Grenzen. Als 19-Jährige hatte sich Marie eine besondere Belohnung für ihre Begleiterinnen und Begleiter einfallen lassen: Wer mit ihr, der Großmeisterin des Ordners, dreimal die Achsel bei Musau in Tirol bestiegen hatte, erhielt den von ihr gestifteten Alpenrosenorden.
Solange ihr Körper es zuließ, bestieg Marie die nördlichen Alpen. Als sie nicht mehr Bergsteigen konnte, verbrachte sie ihren Lebensabend in der Bergkulisse von Eibigenalp in Tirol und in ihrem geliebten Hohenschwangau.
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