Ein Gastbeitrag von Christa Syrer (LMU München) //
Studioausstellung „Frauenzimmer – Frauenhof“
Die malerisch auf einem Bergsporn hoch über der Altstadt von Burghausen thronende Burg Burghausen ist touristisch heute vor allem als „längste Burg der Welt“ bekannt. Fachleuten aus der Architekturgeschichte, Burgen- und Festungsforschung ist sie ein Begriff aufgrund ihrer historisch bedeutenden Wehranlagen des 15. und 16. Jahrhunderts. Die Ausdehnung der Burg auf über einen Kilometer Länge ist beim Durchschreiten der verschiedenen Höfe körperlich erfahrbar; die ehemalige Funktion als Festung an der Stärke der Mauern, den Schießscharten oder dem Batterieturm („Pulverturm“) der Zeit um 1500 auf der anderen Seite des Wöhrsees erkennbar.
Unsichtbar blieb bis vor kurzem hingegen die Funktion der Burg Burghausen als Nebenresidenz und Sitz des Frauenhofs der Herzoginnen von Bayern-Landshut vom 14. bis zum frühen 16. Jahrhundert. Diesem Thema widmet sich nun die neue Studioausstellung „Frauenzimmer – Frauenhof“ im Staatlichen Burgmuseum Burghausen, die neueste Erkenntnisse aus der Forschung der letzten Jahre an das Publikum vermittelt.
Alles in Ordnung
Der besondere Reiz dieser kleinen, wohldurchdachten Ausstellung liegt darin, dass sie dem Publikum den historischen Ort erklärt und die spätmittelalterlichen Herzoginnen und ihr Gefolge wieder in die Räume zurückbringt, in denen sie viele Jahre ihres Lebens verbrachten, sei es als Prinzessinnen, Herzoginnen, im Witwenstand oder als Besucherinnen bei der wittelsbachischen Verwandtschaft. Das Staatliche Burgmuseum Burghausen befindet sich im ehemaligen Palas der Hauptburg, der in Spätmittelalter und Früher Neuzeit die Wohnräume des Herzogs, der Herzogin und ihres Frauenzimmers beherbergte.
Trotz der Veränderungen der Zeit um 1900, als hier ein erstes Burgmuseum ganz im Zeichen der Burgenromantik eingerichtet wurde, lässt sich die Situation zu Zeiten Herzog Georgs des Reichen (1455–1503) und seiner Gemahlin Hedwig von Polen (1457–1502) heute gut nachvollziehen.
Ein interaktives Holzmodell in der Studioausstellung lädt dazu ein, die innere Struktur des Palas Geschoss für Geschoss zu entdecken. Hier folgte im 15. Jahrhundert alles einer funktionalen Ordnung: Herzog und Herzogin bewohnten jeweils drei Räume, darüber lagen die Räume des Frauenzimmers, in dem die Hofjungfrauen der Herzogin untergebracht waren.
Das vernetzte 15. Jahrhundert
Die Studioausstellung ist Teil des Forschungs- und Ausstellungsprojekts „Wirksam – Frauennetzwerke der Hohenzollern im Spätmittelalter“, das unter Leitung der Bayerischen Schlösserverwaltung an über zehn historischen Orten ausgewählte Fürstinnen aus oder in der Dynastie der Hohenzollern und besonders ihre Verbindungen untereinander vorstellt.

Die Medienstation des WIRKSAM-Projekts bietet die Möglichkeit, die Frauen der Hohenzollern und ihre Vernetzungen genauer kennenzulernen. Sie ist auch online abrufbar. Foto: BSV/Schröter
Burghausen ist im Gegensatz zu Cadolzburg, Heilsbronn oder Berlin kein „Hohenzollern-Ort“. Doch wuchs hier die erste Kurfürstin aus dem Hause der Hohenzollern, Elisabeth von Bayern-Landshut (1383–1442), auf. An der erhaltenen Architektur des Palas aus der Zeit 1480–1500 lässt sich zeigen, wie die Wohnräume einer Fürstin des späten 15. Jahrhunderts aussahen, wie sie zugeschnitten waren und welchen Komfort man erwarten durfte. Zur Wohnung Hedwigs von Polen in Burghausen gehörten ein privater Gebetsraum, ein lichtdurchfluteter Erker, in dem sie ihren Schreibtisch für die Erledigung der Korrespondenz hatte, und ein privater Abort.
Die europäischen Fürstenhöfe waren untereinander bestens vernetzt: Man schrieb sich nicht nur Briefe, sondern besuchte sich gegenseitig. Gerade die Fürstinnen, die über Heirat oft schon in jungen Jahren an einen anderen Hof gezogen waren, stellten die Kontakte in diesem Netzwerk her. So verbreitete sich auch das Wissen über die neuesten Entwicklungen in Kunst und Architektur.
Frauen und Kinder in Sicherheit
Bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, die polnische Königstochter Hedwig sei nach der Heirat mit Georg dem Reichen von Bayern-Landshut ins entlegene Burghausen abgeschoben worden. Während Burghausen heute eine Grenzstadt ist – auf der anderen Seite der Salzach ist man bereits in Österreich – lag die Stadt im 15. Jahrhundert keineswegs am Rande des Herzogtums, denn das Innviertel gehörte noch zu Bayern.
Die Burg Burghausen diente unter den Herzögen von Bayern-Landshut als Familiensitz und Nebenresidenz. Hier waren schon Georg der Reiche 1455 und zuvor auch sein Vater Ludwig der Reiche 1417 geboren worden; die Fürstensöhne wuchsen in den ersten Lebensjahren im Frauenzimmer auf. Das Leben der Herzoginnen in Burghausen war weder abgeschieden noch eintönig: Die Burg bot mit ihrer komfortablen Ausstattung, der kostspieligen Hofhaltung und weitläufigen Jagdrevieren ein standesgemäßes Umfeld.

Herzogin Hedwig erhielt von ihrem Mann einen Sprinz als Geschenk zur Jagd. Ein eindeutiger Beweis, dass sie nicht freudlos nach Burghausen abgeschoben worden war. Foto: BSV/Schröter
Nicht zuletzt mögen auch Sicherheitsüberlegungen oder die Nähe zum beliebten Wallfahrtsort Altötting dazu geführt haben, Burghausen als Familiensitz zu wählen. Auf der befestigten und abgeriegelten Burg konnten besonders die Kinder – das wertvollste Gut des Fürstenhauses – vor Seuchen geschützt werden, wie sie gerade in größeren Städten im 15. Jahrhundert häufig grassierten. Auch waren Fürstensöhne immer wieder das Ziel von Anschlägen und Entführungen, wie 1455 im berühmten Altenburger Prinzenraub, bei dem die sächsischen Prinzen Ernst und Albrecht – die Onkel des gerade geborenen Georg des Reichen – entführt worden waren.

In der ehemaligen Stube der Herzogin können die verschiedenen Aufgaben einer Herzogin spielerisch entdeckt werden. Foto: BSV/Schröter
Noch bis zum 14. Dezember haben Besucherinnen und Besucher die Chance, die Studioausstellung mit wertvollen Leihgaben zu bestaunen. Danach gibt es immer noch viel zu sehen, denn die vermittelnden Einheiten und Aktivstationen im Palas laden weiterhin zum Entdecken der Räume der Herzogin und ihres Hofstaats ein.






