Die mehrfarbige Beleuchtung der Venusgrotte verzauberte schon die Zeitgenossen König Ludwigs II. und versetzt auch die heutigen Besucher noch in Staunen. Nahezu unlösbar waren die technischen Probleme in der Umsetzung der königlichen Wünsche hinsichtlich der Farbilluminationen, woran Expertengruppen aus verschiedenen Disziplinen über Jahre arbeiteten. Die lange Experimentierphase führte zu bedeutenden technikgeschichtlichen Innovationen in Bayern und brachte einige spannende Geschichten hervor …
Einmal lang: Achtung!
Am 3. Oktober 1876 berichtete Hofgartendirektor Carl Effner in einem Schreiben an König Ludwig II. über die gerade im Bau befindliche Venusgrotte „[…] daß dem Befehle Euerer Königlichen Majestät zufolge, die Aussichten weggelassen und die Vorkehrungen für den Wasserfall und die künstliche Erleuchtung des Raumes nach Art der blauen Grotte von Capri schon jetzt getroffen werden.“

Dr. Max Thomas Edelmann, von 1873 bis 1893 Privatdozent für Physik an der Technischen Hochschule München. Foto: Technische Universität München ǀ TUM Archiv
Die riesige fensterlose Kunstgrotte sollte demnach mit farbigem elektrischen Licht illuminiert werden, ein Vorschlag, den der Münchner Physiker Dr. Max Thomas Edelmann dem König wenige Monate zuvor in zwei beauftragten Referaten „über die Erleuchtung der Grotte in der kgl. Gartenanlage am Linderhof“ unterbreitet hatte. Aber anders als heute gab es damals im Schlosspark Linderhof keinen elektrischen Strom und überhaupt existierte in ganz Bayern kein Kraftwerk zur Stromerzeugung. Um die königliche Sehnsucht nach der blauen Capri- und der Tannhäusergrotte aus Richard Wagners Oper dennoch erfüllen zu können, wurde im einsamen Graswangtal das erste Elektrizitätswerk der Welt installiert.
Zweimal lang: Drehen!
Ab 1877 sind in den Rechnungsbüchern große Summen für die Anschaffung von Beleuchtungsreinrichtungen und für eine „Locomobile zum Betrieb der Dynamo-electrischen Maschinen zur Beleuchtung der Grotte“ aufgelistet. Die Konzipierung und Durchführung von Bayerns erstem Stromkraftwerk lag in den Händen des Münchner Privatdozenten Dr. Edelmann, der dafür oberhalb der Grotte im Wald versteckt, ein großes Maschinenhaus mit einer „Locomobile“ und mehreren „Dynamo-electrischen Maschinen“ (bis zu 12 Stück, Stand 1885) aus französischer und deutscher Herstellung bestücken ließ.
Maschinenhaus oberhalb der Venusgrotte mit liegender Dampfmaschine zur Stromerzeugung. Foto: Deutsches Museum München
„Hunderte von Leitungsdrähten kommuniciren von diesem aus mit einer technischen Abtheilung in der Grotte.“ (Die Gartenlaube 1886, Heft 6, S. 107) Bis 1882 wurden Verbesserungen und Reparaturen an den hochmodernen Maschinen durchgeführt, die heute zum Teil im Deutschen Museum in München zu bestaunen sind.
Generatorenraum im Maschinenhaus mit Akkumulatoren französischer (im Vordergrund Gramme) und deutscher Hersteller (Hintergrund Schuckert). Foto: Deutsches Museum München
Neben der elektrischen Beleuchtung erhellten zahlreiche Gaslichter verschiedene Plätze im Grottenraum, vorwiegend die sogenannten Beleuchterbecken. Zur Versorgung der Gaslichter war in einem zweiten Teil des Maschinenhauses eine Apparatur zur Gaserzeugung notwendig, die durch die Augsburger „Maschinen- & Gasapparaten-Fabrik von L.A. Riedinger“ installiert wurde. Auch Kerzen und blaue Seidenballons trugen zur magischen Stimmung in der Grotte bei.
Sechsmal kurz: Blau!
Aber die größte Herausforderung für die Techniker und Künstler war nicht die Erzeugung von Strom, sondern die Herstellung des richtigen Farbtons, vor allem Blau, für den König. „An passenden Punkten der Grotte wurden elektrische Bogenlichtlampen angebracht, welche mittels der ‚Beleuchtungskästen‘ ihre Wirkung entfalteten. Die letzteren bestanden aus je vier Glasplatten, die mit fünferlei Anilinfarben, blau, rot, rosa, grün, und gelb überzogen waren. Blau blieb die Hauptfarbe, und zwar kostete es unendliche Mühe und zahllose Versuche, bis der Wunsch des Königs erfüllt werden konnte, eine gleichmäßige Färbung zu erhalten.“ (Kobell 1898, S. 100–103) Es wird von einer zweimaligen Reise eines Vertrauten des Königs nach Capri „zum Studium des Blaus“ berichtet, um der königlichen Vision der „grotta azzurra“ nahe zu kommen.
Bei der Suche nach dem perfekten Blau für König Ludwig wurden hochkarätige Wissenschaftler der Chemie, wie Prof. Adolf von Bayer (Universität München) und Heinrich Caro (Direktorium BASF, Ludwigshafen) sowie die Farbwerke Meister Lucius & Brüning, Höchst a. M. (spätere Farbwerke Hoechst, Frankfurt a.M.) konsultiert.
Unsummen verschlangen die farbigen Gläser in Platten und Zylinderform, da sie durch die Hitzeentfaltung der Bogenlampen oft zerbrachen.
Um überhaupt eine Zeitlang die farbige Effektbeleuchtung aufrecht erhalten zu können, mussten zu jedem Beleuchterstandpunkt Wasserleitungen zur Kühlung der Gläser verlegt werden. Erst mit diesem Wissen erklärt sich die auf den ersten Blick widersprüchliche Aufschrift auf dem Plan des „Gas- und Wasserleitungsgeschäfts Stuttgart“ aus dem Jahr 1877: „Wasserleitung in die Grotte zur elekt. Beleuchtung“.
Zehnmal kurz: Irrungszeichen!
Wie schon erwähnt, war die Suche nach dem perfekten Blauton für die Capri-Inszenierung lange eine „Mission impossible“, wofür dem Theatermaler Otto Stöger „das Illuminationsamt übertragen [wurde]. Er waltete dessen voll Umsicht und Geschicklichkeit, aber der Beruf war schwer und gefährlich, denn in Stögers engen Laboratorium umlagerten ihn die giftigen Gase wie ein feindliches Heer.“ (Kobell 1898, S. 100) Die zahlreichen Beleuchtungsproben ergaben leider selten die „allerhöchste Zufriedenheit“ und lange Zeit nicht das vom König gewünschte Ergebnis: „Sr. Majest. hätte jetzt genug daß immer nur propirt wird und nie etwaß zusammen geht, es sei dieß nicht genug daß einmal einer 5 Tage u. einer 3 Tage hier gewesen ist, Seine Majest. Sind deshalb sehr ungehalten.“ (Brief Welker vom 24. Mai 1879) Immer neue Experten wurden konsultiert, Gutachten erstellt und Versuche unternommen, um den Farbton im Sinne des stetig ungeduldiger werdenden Bauherren zu erzielen: „Wo ist Stöger? fragte an einem Montag der König einen Wegmacher. „Der macht blau, Majestät.“ (Kobell 1898, S. 106) Zahlreiche Helfer waren für die programmartige Inszenierung notwendig. An den Beleuchterpositionen bedienten auch „Tyroler Bauern“ die Lampen nach den vorgegebenen Regieanweisungen. Zwischen dem Maschinenhaus und der Grotte wurde mit „Telegraphie und Telephonie“ kommuniziert: „Ein Wink und anstatt z. B. in rothem flammt alles in blauem Lichte.“ (Die Gartenlaube 1886, Heft 6, S. 107)
Kommunikation per Morsezeichen zwischen der Venusgrotte und dem Maschinenhaus für den Beleuchtungswechsel (Die Gartenlaube 1886, Heft 6, S. 107)
Dreimal kurz und einmal lang: Veränderte Reihenfolge!
Nach jahrelangen Versuchen gelang die Beleuchtung der Venusgrotte immer besser und „Diese steigerte sich noch regelmäßig am Schlusse der Programmabwicklung, dann glühte der Wasserfall in rot oder gelb, und ein Regenbogen wölbte sich über das Tannhäuserbild. Dies war die schwierigste Aufgabe für den Illuminator, der unter Beihilfe von biederen Gebirgsbewohnern das Feuer und die Maschinen zu unterhalten hatte.“ (Kobell 1898, S. 106) Zu Lebzeiten König Ludwigs II. war es nur wenigen Vertrauten vergönnt, dieses fantastische Schauspiel erleben zu dürfen. Der Schauspieler Josef Kainz berichtet über einen Besuch in der Venusgrotte im Jahr 1881: „Ich durchschritt den Gang bis zu Ende und stand vor einer Felsspalte, durch welche mir ein Lichtmeer von magisch blauer Farbe gleich einem elektrischen Feuerberg entgegenströmte.“ (Der Zeitgeist, 28.06.1886) Inwiefern folgender Bericht über einen weiteren Besuch, aufgeschrieben von einem in Ungnade gefallenen Kabinettssekretär, der vollen Wahrheit entspricht, überlassen wir dem Urteil der Leserschaft: „Nachts durfte [ein] Pferd die Beleuchtung der Grotte sehen; es wurde zu dem Korallen-Hochsitz geführt, von welchem aus Seine Majestät die Beleuchtung betrachteten und musste neben dem Sitze Seiner Majestät stehen.“ Wie die Wirkung auf des Königs Lieblingspferd war, darüber hat sich leider kein Hinweis erhalten. Der für Ludwig II. tätige Maler Heinrich Breling hat in einer Illustration diese eigentümliche Szenerie 1887 wiedergegeben.
Dreimal lang: Wechsel!
Nach dem Tod des Königs 1886 faszinierte das „Wunder vom Linderhof“ die zahlreichen aus aller Welt anreisenden Besucher und rief – damals wie heute – bei dem ein oder anderen auch Kopfschütteln hervor: „Aber weder vor dem künstlerischen Scharfblicke noch vor den Augen des wahren Naturfreundes kann sie bestehen. Das ist Alles Blendwerk, nur für Theaterlichter berechnet. Rosenguirlanden von Papier, Felsen von Sand und Cement, gemalte Geistererscheinungen und physikalische Beleuchtungskunststückchen.“ (Die Gartenlaube 1886, Heft 37, S. 662) Aber diese „Theaterlichter“ gaben und geben der Linderhofer Grotte bis heute ihren einzigartigen Zauber und heben diese Schöpfung König Ludwigs II. unter seinen anderen berühmten Bauten hervor: „Aus allen Winkeln, aus allen Ecken, aus allen Nischen und Spalten des Gesteins, aus zahlreichen mit farbigen Gläsern überdeckten Vertiefungen, zur Rechten, zur Linken, über, unter, neben dir leuchtet, flackert, flammt, glüht, sprüht ein Meer von Lichtfluthen bald gelben, bald grünen, bald violetten, bald rosarothen, bald rothen, bald blauen Scheines in überraschendem, plötzlichem Wechsel durch den wunderbaren Raum, alle Theile desselben mit einer unsäglichen Fülle von Licht und Glanz übergießend.“ (Die Gartenlaube 1886, Heft 6, S. 107)
Lang, kurz, lang, kurz: Nachsehen!
Lasst euch bei eurem nächsten Besuch von diesem einzigartigen Lichtspiel in der Venusgrotte verzaubern, das nun nach jahrelanger Restaurierung, intensiven Forschungen und dem Einsatz moderner Technik so perfekt wie nur möglich die von König Ludwig II. gewünschte Inszenierung wieder erlebbar macht.
Einmal kurz, einmal lang: Aus!
Die Publikation Luise von Kobell: König Ludwig II. von Bayern und die Kunst, München 1898 ist online abrufbar.
Weitere Informationen zur elektrischen Ausstattung der Venusgrotte hat der Experte Frank Dittmann vom Deutschen Museum veröffentlicht und sind hier abrufbar: Die elektrische Beleuchtungsanlage im Schlosspark von Linderhof – ein Faszinosum | ICOMOS – Hefte des Deutschen Nationalkomitees
Titelbild und aktuelle Bilder aus der Venusgrotte: BSV/Freudling, Scherf

