Geheimnisse

Ein Versuch war’s wert! Karl Theodor, Wilhelm und die Landshuter Stadtresidenz

Stadtresidenz Landshut Fassade Karl Theodor

Kurfürst Karl Theodor ließ den Landshuter Renaissancepalast ab 1780 durch seinen Hofarchitekten Karl Albert von Lespilliez (1723-1796) maßgeblich umgestalten – aber nicht für sich, sondern für Verwandte. Anlass für die Umgestaltung war die Vermählung des Pfalzgrafen Wilhelm von Birkenfeld-Gelnhausen (1752-1837) mit Maria Anna von Birkenfeld-Zweibrücken (1753-1824), Nichte und ab 1774 „Ziehtochter“ der Kurfürstin, die am 30. Januar 1780 in Mannheim stattfand.

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links: Wilhelm von Birkenfeld-Gelnhausen, Ölgemälde, Johann Georg Edlinger Ende 18. Jahrhundert. © BSV; rechts: Maria Anna von Birkenfeld-Zweibrücken, Ölgemälde, Heinrich Carl Brandt um 1770 (G28). © Kurpfälzisches Museum Heidelberg, Foto: K. Gattner

Aber was war der wirkliche Grund?

Der zweifelsohne sehr ehrgeizige Wilhelm stammte aus einer Wittelsbacher Nebenlinie, hatte – wie seine Vorfahren – die Militärlaufbahn eingeschlagen und war dem Wunsch des Kurfürsten folgend zum katholischen Glauben konvertiert.

Karl Theoodor Pfalz Bayern

Kurfürst Karl Theodor in Uniform. Pastellgemälde, anonym um 1780. © BSV

Als Kurfürst Karl Theodor 1778 seine Residenz von Mannheim nach München verlegte, nahm er Wilhelm mit und ernannte ihn zum kurpfalz-bayerischen Generalleutnant. So gibt es die Lesart, dass Karl Theodor, der den jungen Prinzen liebte, ihm die Landshuter Stadtresidenz als Wohnsitz zur Verfügung stellte, um ihn nahe bei München zu wissen und sich gelegentlich von ihm vertreten zu lassen. Wobei Nähe hier aber relativ ist. Natürlich liegt Landshut deutlich näher an München als Mannheim, bei normaler Reisegeschwindigkeit im 18. Jahrhundert mit der Kutsche jedoch etwa eine Tagesreise entfernt. Unterstrichen wird diese Lesart vielleicht durch die enge Beziehung von Karl Theodors Gattin, Elisabeth Auguste (1721-1794), zu Maria Anna. Die Kurfürstin nahm sich mit großer Liebe der graziösen und sehr hübschen Prinzessin an, die ab 1774 am Mannheimer Hof lebte. Sowohl im Schwetzinger Schloss als auch in Oggersheim wurden für sie Räume direkt über denen der Kurfürstin eingerichtet. Trotz ihrer Schönheit verhinderte wohl ihr menschenscheuer Charakter eine vorteilhafte Eheschließung. So war sie bereits 26 Jahre alt, als das Kurfürstenpaar – oder wie es andernorts heißt, allein die von ihrem Gatten längst getrennt lebende Kurfürstin – eingriff und eine Hochzeit mit dem am Mannheimer Hof erzogenen, acht Monate älteren Wilhelm arrangierte. Die Trauung fand im Vorzimmer der Kurfürstin im Mannheimer Residenzschloss statt.
Es gibt aber auch eine andere Lesart: Da Wilhelms Urgroßvater Christian I. aus der Linie Zweibrücken-Birkenfeld gleichzeitig der Ur-Uropa von Karl II. August (1746-1795), dem damals regierenden Herzog von Zweibrücken war, galt Wilhelm in München als Repräsentant dieses erbberechtigten Familienzweiges in Bayern. Aufgrund von Karl Theodors ersten Tauschplänen kam es zu heftigen Differenzen zwischen Wilhelm und dem Kurfürsten. Wilhelm zog sich sogar aus pfälzischen Diensten zurück und wandte sich Preußen zu. Er wollte sogar – sollte es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung kommen – auf preußischer Seite für die Belange Bayerns kämpfen. Das alles erwies sich spätestens seit der Hochzeit mit Maria Anna als noch heikler. Denn Wilhelms Ehefrau war die Schwester des Zweibrücker Herzogs Karl August und seines jüngeren Bruders Max Joseph (1756-1825, ab 1806 König von Bayern). Ebendieser Karl August war – sollte Karl Theodor ohne männlichen Erben sterben, wonach es zu dieser Zeit aussah – gemäß der Wittelsbacher Hausverträge dessen wahrscheinlicher Erbe. Durch seine Frau war Wilhelm nun also noch enger mit den Pfalz-Zweibrückern verbandelt, die offen gegen Karl Theodors Pläne opponierten, Bayern gegen Vorderösterreich oder gar gegen die Österreichischen Niederlande einzutauschen. Das konnte Karl Theodor nicht gefallen! Daher ist es eine durchaus naheliegende These, dass Karl Theodor die sich ihm bietende Chance nutzte und die Hochzeit zum willkommenen Anlass nahm, den Aufpasser der Zweibrücker auf elegante Weise aus München zu entfernen, ohne sich oder ihn zu kompromittieren. So schenkte er dem jungen Paar als standesgemäße Unterkunft das Wohnrecht in der seit Jahrhunderten nur mehr sporadisch genutzten Landshuter Stadtresidenz. Damit es auch standesgemäß wurde, war allerdings eine Modernisierung notwendig.

Wie veränderte diese Maßnahme die Landshuter Stadtresidenz?

Obwohl die Maßnahme sich in Rechnungen gut nachvollziehen lässt, fand dieser Umbau bislang kaum Beachtung, da der baugeschichtliche Fokus bei der Landshuter Stadtresidenz – historisch in der Regel nur „Neubau (Residenz)“ genannt – auf etwas Anderem liegt: Sie gilt als das früheste, sich auf italienische Vorbilder beziehende Bauwerk der Hochrenaissance nördlich der Alpen. Doch ab 1780 kam es zu so einschneidenden Veränderungen, dass diese nicht vernachlässigt werden sollten.

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Die klassizistische Altstadtfassade der Landshuter Stadtresidenz erstrahlt bereits während der aktuellen Außensanierung in neuem Glanz. © Staatliches Bauamt Landshut, Peter Litvai 2023 

Nach außen hin sichtbar ist besonders die Umgestaltung der Fassade zur Altstadt hin. Diese erhielt damals ihr klassizistisches Aussehen, das sie bis heute prägt und das Vorbild für die Münchner Ludwigsstraße wurde. Von der ursprünglichen Fassade des 16. Jahrhunderts blieben nur die Gliederung in vier Stockwerke sowie die Fensterachsen erhalten. Das Zwerchhaus über dem Prunkportal, das ehemals die vertikale Achse des stadtseitigen Eingangsbereichs überhöhte, wurde entfernt und wahrscheinlich wurde auch der gesamte Dachstuhl erneuert. Auch die vier gemalten Gigantenfiguren neben dieser Achse sowie ein reich geschmücktes Kranzgesims gingen verloren, wodurch die Fassade ihre Farbigkeit einbüßte.

Wening Stadtresidenz Landshut Stich

Ein Stich von Michael Wening (1645-1718) aus der Zeit um 1700 zeigt die ursprüngliche manieristische Fassade des Deutschen Baus: breite Geschossbänder, durchbrochen von verschieden großen Fenstern, belebt durch Wechsel ihrer Rahmung. © BSV

Das späte 18. Jahrhundert behielt die asymmetrische Gliederung bei, vereinfachte aber die Fenster- und Türumrahmungen zu unauffälligem Gleichmaß und vergrößerte das Portal. Die Steinmetzarbeiten wurden von Franz Winkler aus München angeliefert, das neue Holztor stammte von Kaspar Hauke.

Dach- und Fassadensanierungen der Stadtresidenz Landshut

Eine Inschrift auf dem Dach des Küchenbaus. Foto: Staatliches Bauamt Landshut, Rolf Sturm

Ebenfalls 1780 – gleich zu Beginn der Bauarbeiten – erhielt der Küchenbau sein vierteiliges Gewölbe mit Mittelstütze und durch Hofkupferschmied Ignaz Fellerer ein flacheres Pyramidendach. Dort lassen sich in luftiger Höhe über 240 Jahren später noch immer seine Initialen nebst einer Baudatierung lesen: AN(N)O // D(OMI)NI / 17 // 80 / I(GNAZ) : F(ELLERER) : // M(ATTHÄUS) : G(IESSL): Letzterer war der damalige Hofmaurermeister. Und auch das Dach über dem Hauptteil des Italienischen Baus, der als Pendant zum Deutschen Bau mit zwei Verbindungsbauten den Innenhof umschließt, wurde erhöht.

Auch im Inneren tat sich einiges:
Ebenso nachhaltig waren aber auch die Eingriffe im Inneren des Italienischen Baus: „in dem grossen Saal und 4 Nebenzimmern die Mahlereyen renovirt, das Grist gemacht …“ heißt es in der entsprechenden Rechnung, der zufolge der Münchner Maler Augustin Joseph Demmel (1724-1789) die Deckengemälde renovierte bzw. stark überarbeitete und sie durch klassizistische Wandgemälde ergänzte. So stammen beispielsweise im Götterzimmer die Embleme der Künste und Wissenschaften in Grisaillemalerei aus seiner Hand.

stadtresidenz landshut

links: Eine spannende Kombination – Deckengestaltung aus der Renaissance und klassizistische Wandgestaltung im Götterzimmer; rechts: Auch im Apollozimmer ergänzen Wandmalereien des späten 18. Jahrhunderts die ursprünglichen Deckenfresken des 16. Jahrhunderts. © BSV

Auch das Apollozimmer erhielt eine neue Wandausstattung mit Bildnissen, die wohl Kurfürst Karl Theodor und Voltaire portraitieren.

Karl Theodor und Voltaire

Die beiden Herren im Profil könnten Karl Theodor und Voltaire darstellen, aber um dies abzusichern bedarf es weiterer Untersuchungen. © BSV/Kohwagner-Nikolai

Aus dieser Zeit stammen auch die Öfen in den Räumen und der Kaminaufbau im Apollozimmer. Zur Erweiterung der sechs alten Kamine, „die alle zu Eng, auch feüersgefährlich sind“, fertigte der Landshuter Stadtmaurermeister Thaddäus Leitner ein eigenes Gutachten an, das die veranschlagten Kosten als nicht überzogen einschätzte. Die Kosten für die Einrichtung der Zimmer, nach dem Inventar von 1782 wohl als kurfürstliches Appartement ausgestattet, scheinen aus einer anderen Kasse bezahlt worden zu sein, da sie in den Landshuter Rechnungen nicht aufscheinen.

Sodann wurde die Residenzkapelle „modernisiert“:

Kapelle Stadtresidenz Landshut

Ein Blick in die Kapelle der Landshuter Stadtresidenz. © BSV

Hier wurden 1780 die Wandfresken des 16. Jahrhunderts übertüncht, in den Ecken Dreiviertelsäulen mit flankierenden Pilastern vorgesetzt und über den Kapitellen ein umlaufendes Gesims in Gebälkform angebracht, in dem ein Stuckfries musizierende Engel und kirchliche Insignien innerhalb eines Rankenwerks zeigt. Die darüber liegenden Lünetten mit Rundbogenfenstern sind seitdem begleitet von Engeln mit den Leidenswerkzeugen Christi. Im Gewölbe wurde zwar die ursprüngliche Felderteilung beibehalten, aber von Demmel die zentrale Darstellung der Himmelfahrt Christi mindestens stark überarbeitet und die begleitenden Felder mit Evangelistenbildern in Grisaille und ornamentalen Malereien gefüllt. Im Zuge dieser Maßnahme schuf Christian Jorhan d. Ä. (1727-1804) für den Altar vier Büsten, die laut Rechnung die heiliggesprochenen Herrscher Heinrich II., Ludwig IX., Karl d. Gr. und Leopold III. darstellen, von Zacharias Lehrhuber farbig gefasst und von Maximilian Kurz vergoldet wurden. In den zugehörigen Postamenten wurden von den Landshuter Ursulinen gefasste Reliquien eingebracht. Damals versetzte man den ursprünglichen, heute wieder an Ort und Stelle befindlichen Altaraufsatz mit dem Gemälde der Geburt Christi auf die Burg Trausnitz. Für die Residenzkapelle stattdessen schuf Jorhan einen heute verlorenen Tabernakelaltar um ein vielleicht älteres Bild der Altöttinger Muttergottes im Strahlenkranz. Karl Theodor wählte damit ein explizit altbayerisches Thema für die Neuausstattung der Kapelle, das durch die Altöttingwallfahrten der Landshuter Herzöge und bayerischen Erbprinzen lange Tradition hatte. Er präsentierte sich so – relativ zu Beginn seiner Regentschaft als pfalz-bayerischer Kurfürst – als ihr legitimer Nachfolger. An der Tabernakeltür bezeugte ein silbernes Täfelchen mit Inschrift die Altarstiftung und Gebetsintentionen durch Kurfürst Karl Theodor, der den Altöttingbezug zwei Jahre später durch eine Glockenstiftung verstärkte. Denn auch der Turm der Residenzkapelle wurde auf seine Veranlassung mit neuen Gesimsen und vier Glockenfenstern ertüchtigt. Für dieses Türmchen ließ Karl Theodor dann 1783 – quasi als Abschluss der Kapellenerneuerung und als Ergänzung zur Marienglocke aus dem Jahr 1684 – eine zweite Glocke gießen, für die Jorhan die Vorlagen für das Marienrelief und das Kruzifix auf den sich gegenüberliegenden Glockenflanken fertigte. Die Inschrift am Glockenhals CARL · THEO(DOR) · ELLECT(OR) · 1783 · ALBERT(VS) · DVX · BAV(ARIAE) · 1577 · verdeutlicht, dass die Glocke als Ersatz für eine ältere gegossen wurde, die Herzog Albrecht V. gestiftet hatte. Bruchstücke dieser 34 Pfund schweren, aber zersprungenen Glocke goss der Landshuter Glockengießer, der sich am Schlag mit den Buchstaben I(OSEPH) . S(TERN) . G(OSS) . M(ICH) (ZVE) . L(ANDSHVT). nennt, dann wohl in die neue, mit 63 Pfund deutlich schwerere Karl-Theodor-Glocke ein. Mit dem Abschluss der Maßnahmen erfolgte schließlich auch die Übertragung der von den bayerischen Herzögen gestifteten Messen und des Allerheiligsten aus der Kapelle der Burg Trausnitz in die Residenzkapelle.

Glocke Matthiaskapelle Landshut

links: Die wiederentdeckte Karl-Theodor-Glocke aus dem Jahr 1783; rechts: Das Zuhause der Glocke: Die Dachlaterne der Matthiaskapelle der Landshuter Stadtresidenz nach der Sanierung. Fotos: Staatliches Bauamt Landshut, Peter Litvai

Eine Renovierungsinschift, die es in sich hat:

italienischer bau stadtresidenz landshut

links: In der Westloggia des Arkadenhofs erinnert eine Inschrift an Karl Theodor. © BSV; rechts: Allerdings hatte sich bei einer früheren Restaurierung ein Fehler in der Datierung eingeschlichen. Eine partielle Freilegung belegt das korrekte Datum 1781. Fotos: Staatliches Bauamt Landshut / BSV

Im Arkadenhof erinnert noch heute in der Westloggia gegenüber der Bauinschrift des 16. Jahrhunderts eine Renovierungsinschrift an den Bauherrn Karl Theodor: RENOVATVM. / SVB. / AVSPICIIS. / CAROLI. THEODORI. / ELECT(ORIS). PALAT(INI). / HAEREDIS. BAVARIAE. / DVM. / WILHELMVS. / COM(ES). PALAT(INVS). RHEN(I). / BAVARIAE. DVX. / CVM. / MARIA. ANNA. / BIPONTINA. / CONIV(N)GE. / HAS. / INHABITABAT. / AEDES. / MDCCL[X]XXI. (Erneuert unter der Regierung Karl Theodors, Kurfürsten von der Pfalz und Erben von Bayern, während Wilhelm, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Bayern, mit seiner Gemahlin Anna Maria von Zweibrücken dieses Haus bewohnte, 1781). Die Nischen, die diese Baudatierungen flankieren, füllten noch heute erhaltene Büsten der vier Jahreszeiten von Jorhan. Er schuf auch den Brunnenputto mit Delphin im Innenhof.

jahreszeiten büsten stadtresidenz landshut

Frühling, Sommer, Herbst und Winter vor der Restaurierung: Die Büsten der vier Jahreszeiten stehen heute restauriert und wohl behütet im Inneren des Italienischen Baus. Christian Jorhan d.Ä. um 1780 (BSV LaRes.P0003-0006). © BSV/Biesalski

Die Birkenfeldzimmer:

Birkenfeldzimmer Stadtresidenz Landshut

Empfangssalon und Schlafzimmer der Birkenfeldzimmer. © BSV

Selbstverständlich wurde „zur größeren Bequemlichkeit die vordere Seite der Residenz fast neu erbaut und vergrößert“, also auch Wohnräume für das „Pfalzgrafenpaar“ hergerichtet, dem von Karl Theodors Hof konsequent der ihm eigentlich zustehende Herzogstitel verweigert wurde: die sogenannten Birkenfeld-Zimmer im Deutschen Bau, dem Gebäudeteil an der Altstadt. Wilhelm bewohnte hier im Wesentlichen das Appartement im 1. Obergeschoß, seine Gemahlin Maria Anna die Etage darüber. Im Erdgeschoss, dritten Stockwerk und darüberliegenden Mezzanin waren Bedienstete und Lagerräume untergebracht. Wilhelms persönliches Appartement bestand aus zwei Vorzimmern, einem Audienz- und einem Schlafzimmer sowie einer Retirade und einem Kabinett, insgesamt aber hatten er und seine Kammerdiener hier 13 Räume. Anna Marias private Wohnräume hatten zwar ein Vorzimmer weniger, aber dafür wohnte ihre Kammerdienerin Mademoiselle Hertel in unmittelbarer Nähe. Über den Gang waren dann fünf weitere Räume: eine Garderobe sowie die Zimmer für die Kammerdienerin Mademoiselle Eglau, das Stubenmädchen, die Hofdame Fräulein von Schleich und die Jungfrau. Alle Zimmer wurden neugestaltet und mit modernem Mobiliar ausgestattet. So schufen beispielsweise Xaver Kallhamer und Anton Seidl Schreibtische für den Pfalzgrafen und Johann Höcht wurde für Tapeziererarbeiten entlohnt. Diese Einrichtung der herrschaftlichen Zimmer kennzeichnet die Wende vom Rokoko zum Klassizismus. Außerdem wurden die Heizmöglichkeiten verbessert, indem beispielsweise der Landshuter Hafner Simon Feichtner auch hier neue Kachelöfen schuf.

Die Umbaukosten explodieren:
Während der Arbeiten, die im April 1780 begannen, wohnten Wilhelm und Maria Anna „in dem Landschafts-Praesidenten Haus. Den 9.ten Dezember bezogen Hoechst dieselben die neu eingerichtete Residenz.“ Die Voranschläge und Rechnungen mit umfangreichen Angaben über die beteiligten Handwerker und Künstler sowie die Beschaffung des Baumaterials belegen, dass sich die Kosten von vorgesehenen 9.367 Gulden auf schließlich 23.407 Gulden, also nahezu das Zweieinhalbfache erhöhten. Allein die Summen des beschafften Baumaterials belegen die weitreichenden Maßnahmen: so wurden beispielsweise 127 Fässer Gips, 24½ Fässer weiße Farbe und 52.750 Mauersteine verbraucht.

Wie wohnte es sich dann in der modernisierten Landshuter Stadtresidenz?

Wilhelm und Maria Anna widmeten sich von nun an der Verschönerung ihres Wohnsitzes. Schon im Inventar von 1782 wird an zahlreichen Stellen vermerkt, dass vor allem Wandbespannungen „als unbrauchbar zur Garde des Meubles“ nach München zurückgeschickt und die entsprechenden Zimmer stattdessen neu bespannt oder „ausgemalt“ wurden. Insgesamt ist festzustellen, dass in der gesamten Zeit, in der Wilhelm und Maria Anna in Landshut wohnten, eigentlich fortwährend gebaut und modernisiert wurde. Schließlich kamen in 1780er Jahren die Kinder Maria Elisabeth (1784-1849) und Pius August (1786-1837) zur Welt, für die Räume im 3. Obergeschoss nötig wurden.

Elisabeth und Pius Stadtresidenz Landshut

links: Ein Kinderportrait von Prinzessin Maria Elisabeth. Gemälde, anonym um 1795; rechts: Herzog Pius in Bayern als Kind. Gemälde, anonym um 1795. © BSV

Dafür musste manches weichen und an andere Orte verlegt werden. Aber die Räume wurden auch dem Alter entsprechend stetig angepasst. So erhielt das Spielzimmer des Prinzen Pius im Laufe der Zeit einen hölzernen „Winterboden“. Für ihn wurde auch ein neues Badhaus geschaffen. Ein großes Zimmer wurde zu einer Küche für die „jungen Herrschaften“ umgebaut, eine bereits vorhandene Küche stattdessen nun zur Speisekammer. Der Raum über der Wäsche- oder Leinenkammer wurde als Garderobe für die Prinzessin ausgebaut. Aber die Umbauerei betraf nicht nur den Deutschen Bau, auch die Erdgeschossräume des Italienischen Baus erhielten neue Nutzungen. So wurde der Nemesissaal als Theater genutzt und das Latona-Zimmer wurde in der Birkenfeld-Zeit als „Cafe-Küche“ bezeichnet.

Außerdem ließ Wilhelm ein Grundstück auf den Anhöhen der Trausnitz, das ihm Karl Theodor ebenfalls geschenkt hatte, durch Friedrich Ludwig Sckell und dessen Bruder Matthias als englischen Garten mit vielen seltenen, damals dort noch unbekannten Bäumen und Pflanzen anlegen. Dort entstand auch ein kleines Schlösschen in klassizistischem Stil durch den Stadtbaumeister Thaddäus Leitner, ergänzt durch einen Freundschaftstempel sowie ein Torbau in Anlehnung an einen antiken Triumphbogens, an dem Wilhelm zwei Tafeln anbringen ließ, die seinen beiden Kindern gewidmet sind.

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Parkseitige Ansicht des klassizistischen Einfahrtstores in den Landshuter Herzogsgarten, erbaut 1784. Foto: Wiki Commons/ Gliwi

Insgesamt gab sich die Familie von Birkenfeld-Gelnhausen sehr volksnah. Tochter Maria Elisabeth besuchte beispielsweise die Schule der Ursulinen in Landshut und Maria Anna stickte eigenhändig einen Baldachin aus weißer Seide für einen Fronleichnamsaltar, der noch hundert Jahre später stets ihr zu Ehren für die Prozession vor der Stadtresidenz aufgestellt wurde. Daneben gingen aber auch die politischen Verhandlungen weiter. So kamen 1784 ein preußischer Gesandter und ein Vertreter Max IV. Josephs nach Landshut und man vereinbarte, dass Preußen mit sächsischen und bayerischen Truppen gegen eine Besetzung Bayerns durch Österreich vorgehen wird und Wilhelm im Falle von Karl Theodors Tod das Kurfürstentum Bayern im Namen Max Josephs in Besitz nehmen und sichern sollte.

Wann und warum endete die Landshuter Zeit für Wilhelm und Maria Anna?

Das Paar spielte dann tatsächlich beim Tod Karl Theodors eine wichtige Rolle bei der Sicherung der Nachfolge für Max Joseph. Zwar wurde noch im Mai 1798 berichtet, dass sich der Kurfürst trotz einiger Schlaganfälle „ziemlich wohl befindet“, aber schon im November desselben Jahres gaben ihm die Leibärzte nur noch drei Monate zu leben. Am 12. Februar 1799 fiel der Kurfürst dann in Folge eines erneuten Schlaganfalls, der ihn am Kartentisch in der Münchner Residenz ereilte, seinem Adjudanten Nikolaus Kasimir von Herding bewusstlos in die Arme. Am nächsten Abend traf Wilhelm aus Landshut ein. Kurfürstin Maria Leopoldine (1776-1848) schrieb an Max Joseph, dass ihr Gemahl in Agonie liege. Den österreichischen Gesandten, der erneut mit einem fertigen Tauschplan zum Kurfürsten wollte, ließ sie nicht eintreten. Wilhelm aber war am Sterbebett und hatte sogar die Münchner Stadttore verschließen lassen, um zu verhindern, dass sich vorschnelle Nachrichten verbreiteten. Am 16. Februar erlitt der Kurfürst dann einen weiteren Schlaganfall, an dessen Folgen er um kurz „nach drey Uhr“ verstarb. Wilhelm fragte sodann die junge Witwe, ob sie ein Kind vom Kurfürsten erwarte, denn dieses wäre – sollte es ein Sohn sein – der nächste Kurfürst. Doch sie verneinte. Daraufhin vereidigte Wilhelm kraft seiner Vollmacht Regierung und Hofstaat auf den neuen Kurfürsten – Max IV. Joseph!

Dieser schuf für Wilhelm von Birkenfeld-Gelnhausen noch im selben Jahr den Titel „Herzog in Bayern“, um den Unterschied zwischen sich als regierendem Kurfürsten und Herzog von Bayern und Wilhelms Wittelsbacher Nebenlinie ohne Land deutlich zu machen. Das war ein gewisser Ersatz dafür, dass Wilhelm 1797 im Ansbacher Hausvertrag zugunsten seines Schwagers auf ein eigenes Fürstentum verzichtet hatte und so die Unteilbarkeit der wittelsbachischen Lande bestätigte. Wilhelm und Maria Anna siedelten daraufhin mit ihrer Familie nach München um. Damit war die Landshuter Stadtresidenz wieder ihrer Wohnfunktion enthoben. In den nächsten Jahren blieben die Räume – mit Ausnahme gelegentlicher Reiseaufenthalte von Mitgliedern des Münchner Hofs – im Wesentlichen leer.

 


Titelbild: © Staatliches Bauamt Landshut, Peter Litvai 2023