Vom 21. bis 22. August 1869, vor 155 Jahren, überraschte König Ludwig II. die Stadt Landshut mit einem zweitägigen Spontanbesuch. Besonders hatte es ihm die Burg Trausnitz oberhalb der Altstadt angetan, die er ausgiebig besichtigte. Sein Wunsch, sich dort ein Absteigequartier einzurichten, wurde innerhalb von fünf Jahren bis 1874 nahezu erfüllt. Aber die Landshuter hofften vergeblich auf einen weiteren Aufenthalt ihres geliebten Königs…
Ohne längere Vorankündigung entschloss sich König Ludwig II. am 21. August 1869 die ehrwürdige Stadt Landshut zu besuchen. Die überraschten Bürger erfuhren die freudige Nachricht erst einen Tag vor der geplanten Ankunft des Monarchen: „Landshut, 21. Aug. Schon gestern Abends traf hier die erfreuliche Kunde ein, daß heute Se. Majestät der König Ludwig II. der altbayerischen Herzogsstadt Landshut einen Besuch abzustatten gedenkt.“ (Bayerischer Kurier vom 23.08.1869) Über Nacht beeilte sich die Stadt „ein Festkleid anzulegen und es prangen die Hauptstraßen und Hauptgebäude im herrlichsten Schmucke.“ (Augsburger Postzeitung vom 23.08.1869) Landshuts Bürgermeister Dr. Gehring befand sich gerade „in Wien [oder auf der Herreninsel im Chiemsee, wie andere Zeitungen berichteten] und wurde telegraphisch von dem Besuche Sr. Majestät in Kenntniß gesetzt.“ Aber trotz der kurzen Vorbereitungszeit wurde König Ludwig II. freudig begrüßt, als er mit der Ostbahn von Schloss Berg in Landshut um 17 Uhr und 40 Minuten am Samstagnachmittag eintraf: „Lustig flatterten die blauweißen Fahnen als Se. Majestät, empfangen vom Jubel des Volkes und unter beständigen Hochrufen die Straße nach der k. Residenz durchfuhr, woselbst die Schuljugend den geliebten König erwartete und von weißgekleideten Mädchen Blumenkränze und Bouquets überreicht wurden.“ (Landshuter Zeitung, 24.08.1869)
Nach den obligatorischen Begrüßungen der Stadthonoratioren begab sich König Ludwig zu seinem eigentlichen Reiseziel, der Burg Trausnitz, die er von acht bis zehn Uhr abends angeregt besichtigte: „Mit großem Interesse haben Se. Maj. die Gemächer, wo einst die hohen Ahnen gewohnt haben, durchschritten, und die alte Burg, wie mag sie sich gefreut haben, daß nach so langer Zeit ein königlicher Enkel dieser Ahnen ihr so große Aufmerksamkeit schenkte.“ Aber für Ludwig war dies keine normale Besichtigungstour. Wie zwei Jahre zuvor auf der Wartburg, wollte er hier den authentischen Ort einer für ihn wichtigen Sagengestalt erleben: Der Minnesänger Tannhäuser soll sich um 1250 auf der Burg Trausnitz aufgehalten haben.
Die über die Jahrhunderte überlieferte Sage regte Ludwigs Fantasie an, dort selbst dem verehrten Minnesänger nachzuspüren und vielleicht auch die ein oder andere Inspiration für seine gerade im Bau befindliche „Neue Wartburg“ oberhalb von Hohenschwangau zu finden. Der aufmerksame Besucher von Schloss Neuschwanstein kann im dortigen Schlafzimmer einen kleinen Hinweis auf die Burg Trausnitz finden.
Aber zurück nach Landshut ins Jahr 1869, wo König Ludwig spät abends von der Burg in die für ihn prachtvoll beleuchtete Stadt herabstieg: „Das Magistratsgebäude, mit Tausenden von Gasflämmchen beleuchtet, glich einer Sonne, in deren Mitte der Name „Ludwig“ prangte. […] Die schönen breiten Straßen der Alt- und Neustadt glichen einem Feuermeer.“ Nach einer umjubelten Stadtrundfahrt zog sich der von den Landshutern gefeierte Monarch um 23 Uhr abends in die Stadtresidenz zurück, wo er auch nächtigte. Am Sonntagmorgen, dem 22. August, besuchte Ludwig die Heilige Messe in der dortigen Schlosskapelle und unternahm danach einen ausgiebigen Rundgang durch die festlich geschmückte Stadt mit Besichtigung des Standbilds seines Vaters König Maximilian II. vor dem Rathaus sowie „der herrlichen Martinskirche und des Denkmals Ludwigs des Reichen. Weiter besuchte der König die Jodokskirche, wo den Restaurationsarbeiten besondere Aufmerksamkeit zugewendet wurde, dann das Monument Ludwigs des Bayers und der Stiftskirche.“ (Allgemeine Zeitung vom 24.08.1869) Ein zweiter Besuch der Burg Trausnitz am Nachmittag mit einem „glänzenden Diner von 42 Gedecken“ bildeten den Abschluss des zweitätigen Kurzbesuchs, bevor Ludwig unter Jubelrufen und einem letzten „Gruß an den König“ vom „zaub’risch hehren Weib“ Landshut (Kurier für Niederbayern vom 22.08.1869) um 18 Uhr Richtung Bahnhof und schließlich wieder nach Schloss Berg zurückkehrte.
Nicht nur bei den Bürgern Landshuts hinterließ der Besuch des Königs tiefen Eindruck, auch für Ludwig gehörte „Der Aufenthalt in Meiner lieben Stadt Landshut […] zu den schönsten Erinnerungen Meines Lebens und wird Mir stets unvergesslich bleiben.“ (Bayerische Landeszeitung vom 27.08.1869) Die zweimalige Besichtigung der „Tannhäuserburg“ in Landshut weckte bei König Ludwig schon wenige Tage später den Wunsch „mehrere Gemächer der Trausnitz dem Charakter der Burg entsprechend restauriren und wohnlich einrichten zu lassen.“ (Münchner Bote vom 27.08.1869) Bereits Ende August 1869 wurde Ludwigs Hofsekretär Lorenz von Düfflipp auf der Burg gesehen und es entstanden schon erste Vorplanungen durch den Architekten Leonhard Schmidtner, die aber erst im März des Folgejahrs öffentlich bekannt wurden: „Landshut, 28. März. Heute wurde die Trausnitz behufs Instandsetzung derselben zu einem Absteigequartier Sr. Majestät durch eine Commission, bestehend aus den Herrn Ministerialrath Grafen von Hundt, Oberbaurath Herrmann, kgl. Hofrath Düfflipp, Reichsarchiv-Direktor von Löher und Kreisbaubeamten von Schmidtner eingesehen.“ (Kurier von Niederbayern vom 29.03.1870)
Alle Ängste, der Umbau der schönen Burg könnte nicht denkmalverträglich sein, wurden zerstreut, da „v. Schmidtner bekannt [ist] als tüchtiger Architekt und soll auch im Fache der alten Kunst zu Hause sein, so daß zu hoffen steht, daß bei der Restauration der Trausnitz jene Mißgriffe nicht begangen werden, welche leider die herrliche Nürnberger Burg so zahlreich über sich ergehen lassen mußte […]“ (Regensburger Tagblatt vom 02.04.1870)
Bereits Ende 1870 fanden in der frisch restaurierten Georgskapelle auf der Trausnitz wieder Gottesdienste statt, auch wenn sich die endgültige Ausstattung noch bis Ende 1871 hinzog. Die Vollendung des königlichen Absteigequartiers prognostiziert die Landshuter Zeitung etwas voreilig für Sommer 1872 (Ausgabe vom 12.12.1871). Allerdings verabschiedete sich Baurat Leonhard Schmidtner zum 1. April 1872 „für immer in den Ruhestand“. (Landshuter Zeitung vom 17.02.1872) Er verstarb schon ein knappes Jahr später am 20. Januar 1873.
Im Sommer 1872 waren die Arbeiten am königlichen Absteigequartier schon weit fortgeschritten: „Die [..] Gelasse mit ihren verschieden gestalteten bräunlichen Holzplafonds und ihren mit Eichenholz überkleideten und reich verzierten Wänden sehen in ihrer noch unvollendeten Gestalt schon so wohnlich aus und laden zum Dableiben ein.“ (Neue Ingolstädter Zeitung vom 09.08.1872) Die bauliche Vollendung wurde nun in die Hände des königlichen Hofbauamts gelegt: „27. Febr. [1873]. Gestern traf der Sekretär des Königs, Herr Hofrath Düfflipp mit Herrn Hofbaurath Dollmann, dem genialen Baumeister des k. Prachtbaues zu Linderhof hier ein, welch‘ letzter die […] Leitung bei der Herstellung der Gemächer für Se. Maj. in der Burg Trausnitz fortführen wird.“ (Passauer Zeitung vom 01.03.1873)
Nun ging es zügig vorwärts: Landshuts Bürgermeister Dr. Gehring selbst fertigte Ledertapeten und im Juli 1873 vollendete der Maler Franz Xaver Barth ein Plafondgemälde für den neuen Empfangssaal im königlichen Appartement.
Schon im Mai 1874 meldete freudig der „Der Volksfreund“: „Die Restauration der Gemächer im Schloß Trausnitz […] geht ihrer Vollendung entgegen und sollen die Räumlichkeiten bis zum Juli vollständig eingerichtet sein. Es steht mit Sicherheit zu erwarten, daß Se. Maj. der König einen Theil dieses Sommers auf der Trausnitz zubringen und von da Ausflüge in den bayerischen Wald unternehmen wird.“ (Ausgabe vom 09.05.1874) Aber mit von der Presse verkündeten Termingewissheiten über König Ludwig II. hat es so seine eigenen Gesetzmäßigkeiten. Schritt für Schritt wurde immerhin die Ausstattung der Gemächer angeliefert: „21. Mai. Nachdem gestern drei weitere für die restaurirten Königsgemächer auf der Trausnitz bestimmte Garnituren Möbel hier angekommen, sind die für Se. Majestät bestimmten Zimmer in Stand gesetzt. […] Der Eindruck, den man beim Eintritte in die königl. Zimmer empfängt, ist ein pompöser, jetzt jedenfalls noch bedeutend gehoben durch die prachtvolle Ausstattung derselben.“ (Straubinger Tagblatt vom 26.05.1874)
Die Vorfreude der Landshuter wuchs, als sie am 10. Juni 1874 in den Augsburger Neuesten Nachrichten lesen konnten: „Landshut, 8. Juni. Wie wir vernehmen, ist neuestens hier Allerhöchster Befehl eingetroffen, die sämmtlichen auf der Trausnitz noch zu erledigenden Arbeiten binnen 6 Wochen zu beenden, was zu dem erfreulichen Schlusse berechtigen dürfte, daß nach Verfluß dieses Zeitraums Se. Majestät der König die Stadt Landshut […] durch Allerhöchtseinen Besuch beehren werde.“
Die Spannung stieg und schon erspähten manche vermeintlich den anreitenden König: „Mehrere Herren wollten gestern Morgens Se. Maj. den König mit ein paar Begleitern von Moosburg her nach der Burg Trausnitz reiten gesehen haben; allein von der Trausnitz verlautet nichts über eine Anwesenheit des Königs.“ (Landshuter Zeitung vom 26.06.1874) Andere Berichte versicherten die Ankunft Ludwigs für den 3. August „wenn bis dahin nicht anders bestimmt wird“. (Neues Bayerisches Volksblatt vom 02.07.1874) Schon kamen aber Dementi und neue Termingerüchte „daß der König im Laufe des Herbstes sicher hieher zu kommen beabsichtige.“ (Passauer Zeitung vom 10.07.1874) Aber der König wurde auf der Trausnitz nicht gesehen. Hingegen lieferte die Stadt Landshut im September 1874 mehrere Prachtmöbel (einen Lehnstuhl und einen Schreibtisch) als Willkommensgeschenke in das leider immer noch verwaiste Absteigequartier König Ludwigs II.
Ende September 1874 warteten „ein Wohn-, ein Schlaf- und ein Empfangszimmer [auf] Se. Majestät, sowie die Adjutanten- und Dienschafts-Gemächer“ auf den königlichen Gast. (Augsburger Postzeitung vom 25.09.1874) Zwei Ritterzimmer waren unvollendet geblieben und wurden erst später restauriert.
Aber König Ludwig II. kam nicht mehr nach Landshut. Zwei Jahre später, im Jahr 1876, durfte ausnahmsweise Prinz Leopold mit allerhöchster Sondergenehmigung des Königs die sonst verschlossenen Räumlichkeiten besichtigen: „Prinz Leopold ritt gestern zur Trausnitz hinauf, wo er neben den älteren historischen Räumen auch die Gemächer des Königs, deren sonst verbotene Oeffnung kurz zuvor telegraphisch angeordnet war, besuchte und sich hiebei insbesondere über die Arbeiten der Landshuter Meister sehr anerkennend äußerte.“ (Straubinger Tagblatt vom 23.06.1876) Leider wurden Ludwigs Räumlichkeiten beim großen Trausnitzbrand 1961 vollständig zerstört. Heute verweist eine Ausstellung auf das verlorene Absteigequartier des bayerischen Monarchen, dessen Anstoß er selbst vor 155 Jahren gab.
In anderer Form kam König Ludwig doch noch zur Trausnitz und ist dort bis heute, in der Georgskapelle, für alle Besucher zu sehen. Aber dies ist eine andere Geschichte.
Titelbild: „Gruß aus Landshut“ mit König Ludwig II. von Bayern, der Ansicht von Schloss Trausnitz und dem Martinsturm. Postkarte um 1909. Stadtarchiv Landshut, StadtA La Postkartensammlung.