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Vom Kronprinzen zum Ministerpräsidenten – die Neue Residenz im langen 19. Jahrhundert

Residenz Bamberg

Ab 28. Juni beschäftigt sich eine Sonderausstellung in der Neuen Residenz in Bamberg mit der Nutzung des gewaltigen Komplexes in nachfürstbischöflicher Zeit. Dabei soll ein Stück bayerischer Geschichte sozusagen aus Bamberger Perspektive erzählt werden.

Können Kunsthistoriker eine politgeschichtliche Ausstellung mit einem Schwerpunkt im frühen 20. Jahrhundert kuratieren? Noch dazu solche Vertreter des Faches, deren alltäglicher Umgang mit Kunstwerken – als Mitarbeiter einer Schlösserverwaltung – stark von der Adelskultur und ihrer materiellen Manifestation durch Kunst geprägt ist? Diese Fragen hat sich das Kuratorenteam der Sonderausstellung „Majestäten, Königskinder, Verfassungsväter. Die Neue Residenz im langen 19. Jahrhundert“ natürlich gestellt, als klar wurde, dass die Bayerische Schlösserverwaltung das wichtige 100jährige Jubiläum der ersten demokratischen bayerischen Verfassung mit einer Ausstellung würdigen wird.

Otto von Griechenland

König Otto von Griechenland, Joseph Karl Stieler, 1832/1858.

Man sieht bereits am Ausstellungstitel, welche Marschroute wir uns selbst vorgegeben haben. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Neue Residenz – sozusagen als historischer Akteur und Schauplatz bedeutender geschichtlicher Ereignisse. Nach der Abdankung des letzten Fürstbischofs Christoph Franz von Buseck 1802 suchten die neuen Hausherren – die bayerischen Wittelsbacher – nach Nutzungsmöglichkeiten des gewaltigen Komplexes. Unter anderem bewohnten Kronprinz Maximilian, der spätere König Maximilian II., und König Otto von Griechenland nach seiner erzwungenen Rückkehr 1862 die ehemals fürstbischöfliche Residenz.

Rosengarten Tennisplatz 1 Gartenpavillon

Der Rosengarten der Neuen Residenz als Tennisplatz des Kronprinzenpaares, um 1900, Staatsbibliothek Bamberg.

Zum Ort bayerischer Verfassungsgeschichte wurde die Residenz 1919 als die gewählte Regierung unter Ministerpräsident Johannes Hoffmann und der Landtag in Bamberg – nicht im revolutionsschwangeren München – tagten. Die Ausstellung wird gleichsam der gebauten Biographie der Neuen Residenz als Erinnerungsort nachspüren und dabei überraschende Schlaglichter auf die Geschichte des Hauses im Speziellen und Bayerns im Allgemeinen werfen.

Sie sehen: Wir sind dann doch wieder bei unserer Kernkompetenz angekommen und versuchen, Geschichte aus unserem spezifischen Blickwinkel zu erzählen, der ja naturgemäß immer von unserem eigentlichen Hauptobjekt, also den jeweiligen Residenzen, Schlössern oder Burgen, ausgeht.

Plötzlich Freistaat

Mehr als 100 Jahre nach der Säkularisierung und der damit verbundenen Auflösung des Bamberger Fürstbistums endete auch das Königreich Bayern: Mit der Revolution von 1918 wurde die konstitutionelle Monarchie zu Grabe getragen. Am 7. November 1918 führte der Berliner Schriftsteller und Politiker Kurt Eisner (1867-1919), Mitglied der von der Mehrsozialdemokratie abgespaltenen Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD), im Anschluss an eine Massenkundgebung auf der Münchener Theresienwiese einen Demonstrationszug in das Zentrum der Stadt. Da die Demonstranten im kriegsmüden München kaum auf Gegenwehr stießen, übernahm die kleine Gruppe rund um Eisner durchaus unerwartet die Regierung.

Nach der Anifer Erklärung Ludwigs III. (reg. 1912/13-1918), die die Beamtenschaft und die Soldaten von ihrem Treueeid entband, wurde Bayern zur Republik bzw. in den Worten Eisners zum Freistaat. Nach einer verheerenden Niederlage bei den ersten freien, demokratischen Wahlen wurde Eisner auf dem Weg zum bayerischen Landtag mit seiner Rücktrittserklärung in der Tasche am 21. Februar 1919 von einem rasenden Nationalisten und Antisemiten ermordet.

kurt eisner totenfeier

Feier zum Gedächtnis Kurt Eisners in Bamberg, 1919, Staatsbibliothek Bamberg.

Bamberg statt Weimar?

Das anschließende Machtvakuum nutzten radikale Gruppierungen unter den noch von Eisner eingeführten Arbeiter- und Soldatenräten, die in Bayern einen stärker an Russland orientierten Bolschewismus durchsetzen wollten.  Nach der Ausrufung der bayerischen Räterepublik in München zogen sich die gewählte Regierung und der Landtag unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsident Johannes Hoffmann (1867-1930) von München nach Bamberg zurück.

Die Revolution verlief dort in weitaus gemäßigteren Bahnen. Zwar bildeten sich auch in Bamberg Arbeiter- und Soldatenräte heraus, die politische Verantwortung blieb jedoch weiterhin in der Hand der kommunalen Gremien. Es war wohl diese wohlgeordnete Ruhe, die Oberbürgermeister Adolf Wächter dazu veranlasste, in einer Denkschrift Bamberg als Sitz der deutschen Nationalversammlung vorzuschlagen. Auch wenn Weimar schlussendlich das Rennen machte, zeugt dieser Vorschlag vom historisch gewachsenen Selbstbewusstsein Bambergs. Jenes dürfte nicht zuletzt in der Geschichte des Bistums Bamberg begründet liegen, das von Kaiser Heinrich II. zu Beginn des 11. Jahrhunderts etabliert und von ihm als neues Rom mit zahlreichen Schenkungen überhäuft worden war.

Eine Verfassung für den Freistaat – die Bamberger Verfassung

johannes hoffmann

Portraitaufnahme Ministerpräsident Johannes Hoffmann, Bayerische Staatsbibliothek.

Das Bewusstsein der einstigen historischen Bedeutung prägte Bamberg auch noch in der Revolutionszeit. Nicht umsonst wählte Ministerpräsident Johannes Hoffmann die Neue Residenz als Regierungssitz. Diese bildete zusammen mit dem Dom und der alten Heinrichspfalz seit jeher den Kern der Herrschaft in Bamberg. Hier im Bamberger Exil beschlossen Landtag und Regierung unter maßgeblicher Beteiligung der beiden bereits im Königreich tätigen Juristen Robert Piloty und Josef von Graßmann die erste demokratische Verfassung Bayerns.

Diese wurde am 12. August 1919 verabschiedet und am 14. August, also nur drei Tage nach der Weimarer Verfassung, ausgefertigt. Bereits am Tag der Verabschiedung lud die Staatsregierung in das Hotel „Erlanger Hof“ ein, um die Rückkehr nach München feierlich zu begehen. Dort war der bolschewistische Widerstand brutal und mit zahlreichen zivilen Opfern gebrochen worden. Das war sozusagen der Preis der ersten Verfassung des neuen Freistaats.

Bayern wird in der Bamberger Verfassung als „Freistaat und Mitglied des Deutschen Reiches“ bezeichnet. Ein Grundrechtekatalog sah unter anderem Religionsfreiheit, die Freiheit von Presse und Kunst sowie die Abschaffung sämtlicher Adelsprivilegien vor. Frauen wurden erstmals zur Wahl zugelassen.

Die Verfassung muss, auch wenn sie im heutigen Bewusstsein des Freistaats nur spärlich verankert zu sein scheint, als eine bemerkenswerte juristische und politische Leistung angesehen werden. Sie war bis 1933 das Rückgrat des Freistaats, wurde dann von den Nationalsozialisten außer Kraft gesetzt und erst 1946 durch die bis heute gültige Verfassung des Freistaats Bayern abgelöst.

Eine Bamberg-Reise lohnt mehrfach

Die Sonderausstellung wird ca. 100 Objekte von der fürstbischöflichen Zeit bis in das frühe 20. Jahrhundert zeigen.

wiege luitpold von bayern

Wiege des in Bamberg geborenen Prinzen Luitpold von Bayern, um 1900, Bayerische Schlösserverwaltung.

Die reichen Bestände der Bayerischen Schlösserverwaltung werden ergänzt durch Leihgaben des Wittelsbacher Ausgleichsfonds, des Bayerischen Nationalmuseums, des Stadtmuseums München, der sporthistorischen Sammlung des Leipziger Stadtmuseums und aus den Bamberger Sammlungen des Historischen Museums, des Diözesanmuseums, des Historischen Vereins, des Stadtarchivs und der Staatsbibliothek.

Wer mehr über die Themen der Ausstellung erfahren will, der findet im Stadtarchiv eine Ausstellung zu „Landtag und Staatsregierung im Exil“, (30.4. bis 30.9.), während sich die Staatsbibliothek („Ein königliches Geschenk – Die Bibliotheca Bipontina in Bamberg“, 29.6.-21.9.) und das Historische Museum („Der gute Stern oder Wie Herzog Max in Bamberg die Zither entdeckte“, 12.4. bis 3.11.) eingehender mit dem Erbe der Wittelsbacher in Bamberg beschäftigen werden. Wer also mehr über die bayerische Demokratie und ihre Vorgeschichte erfahren will, der sollte im Sommer 2019 unbedingt eine Bamberg-Fahrt einplanen.

 


Die von Sebastian Karnatz und Thomas Aufleger kuratierte Sonderausstellung „Majestäten, Königskinder, Verfassungsväter. Die Neue Residenz im langen 19. Jahrhundert“ ist vom 28.6. bis zum 22.9.2019 in der Neuen Residenz Bamberg zu sehen. Alle Infos dazu findet Ihr auf unserer Webseite.


 

Mit diesem Beitrag möchten wir uns an der thematisch geradezu perfekt dazu passenden Blogparade Was bedeutet mir die Demokratie?“ | #DHMDemokratie des Deutschen Historischen Museums beteiligen, die anlässlich der Ausstellung „Weimar: Vom Wesen und Wert der Demokratie“ (4. April bis 22. September 2019) veranstaltet wird.

 

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