Im Rahmen des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ geht es darum, jüdisches Leben sichtbar und erlebbar zu machen und dem erstarkenden Antisemitismus etwas entgegenzusetzen. Auch in Zusammenhang mit einigen bayerischen Schlössern und deren Herrschaftssystemen ist historisch etwas dazu beizutragen: Wir stellen euch wichtige jüdische Persönlichkeiten an verschiedenen Höfen vor, aber zunächst auch ein mahnendes Kapitel der gemeinsamen Vergangenheit, das jüdisches Leben primär von der Schattenseite im späten Mittelalter her beschreibt.
Eigentlich will man als Besucher*in der Cadolzburg heute doch nur das schöne Ambiente, die machtvollen Bauten der Burg oder womöglich das anregende Burgmuseum mit der Familie erleben. Dabei übersieht man beim Durchschlendern des Marktes von der Burg leicht die Reliefs am äußeren Burgtor, von denen eines zudem stark verwittert ist.
Oben verweisen die beiden Wappen des 15. Jahrhunderts auf Burgherren aus der Familie der Hohenzollern und ihre Gemahlinnen: links eindeutig das von Friedrich I., Burggraf von Nürnberg und erster Kurfürst/Markgraf von Brandenburg (als solcher regierte er 1417-1440) nebst seiner Frau Elisabeth von Bayern-Landshut (1383-1442), sowie rechts die Wappen eines Sohnes der beiden – möglich sind Johann „der Alchemist“ oder Albrecht Achilles jeweils mit ihrer sächsischen Ehefrau. Abhängig davon, ob man die Wappen und die zugehörigen Herrschaftszeiten der Söhne in Franken als Datierungshilfe nimmt für die Gestaltung des gesamten Tores, ergeben sich unterschiedliche Entstehungszeiten – nicht vor 1417 und nicht nach 1470.
Wirklich schwierig wird es aber beim zweiten, ziemlich großen Relief der linken Seite: Durch Wettereinwirkungen mühsam zu erkennen, zeigt es zwei Szenen in einem Bildfeld.
Links saugen durch ihre Hüte als Juden charakterisierte Figuren an den Zitzen einer Sau, umarmen und küssen sie sogar – obwohl das Schwein im Judentum als unrein gilt. Solche Bilder waren im deutschsprachigen Raum seit dem 13. Jahrhundert sehr verbreitet, sie sollten Ekel und Verachtung gegen Juden schüren. Rechts transportiert die Darstellung des biblischen Tanzes um das Goldene Kalb (Ex. 32), das Stereotyp des jüdischen Wucherers. Aufgrund der zahlreichen Berufsverbote gegen Juden, die zum Beispiel kein Handwerk ausüben durften, gehörte das Geldverleihen zu den wenigen Geschäftsfeldern, die Juden blieben – und die gerade von den christlichen Herrschenden intensiv in Anspruch genommen wurden. Zudem galt das Kreditgeschäft Christen als Sünde. Aus der christlich geprägten Gesellschaft wurden Juden, verstärkt seit dem 4. Laterankonzil 1215, zunehmend ausgeschlossen, bedrängt und teils brutal misshandelt.
Wir haben hier also im großen Format gleich zwei Darstellungen, die Juden verspotten und herabwürdigen sollten, und dies noch dazu an einer der wichtigsten Herrscherburgen der Zollern im späten Mittelalter. Natürlich möchte man gerne wissen, seit wann und warum das diffamierende Relief sich hier befindet. Für Cadolzburg selbst ist im späten Mittelalter eine jüdische Gemeinde nicht nachweisbar; nur 1325 bis 1342 werden gelegentlich einzelne Cadolzburger Juden in Nürnberg erwähnt. 1349 fanden vielerorts schlimme Judenpogrome, Ermordungen (von allein in Nürnberg 562 Menschen!) und Vertreibungen statt. Damals kassierten auch die zollerischen Burggrafen von Nürnberg Judengüter zur Tilgung königlicher Schulden ohne spürbares Zögern. Als Beschützer der Juden traten die Zollern in diesem Moment ebenso wenig auf wie der König. In Franken und den Reichsstädten kam es 1385 erneut mit königlicher Duldung zu Geiselnahmen und groben Erpressungen der Juden, 1390 gar zur „großen Schröpfung“: einem königlichen Erlass aller Schulden bei Juden. Davon profitierten die meisten Herren, so auch die Burggrafen. 1422 schlossen der nun zum Kurfürsten aufgestiegene Friedrich I. einen Vertrag mit den Bischöfen von Würzburg und Bamberg, die gemeinsam verfügten, in ihren fränkischen Ländern die Habe und Schuldbriefe der Juden einzuziehen, sie gefangenzunehmen und dafür zu sorgen, dass künftig keine Juden mehr bei ihnen ansässig sein sollten. Die Umsetzung unterband dann allerdings der König. Vielleicht stand das Ganze auch in einem gewissen Zusammenhang mit dem Krieg gegen die böhmischen Hussiten, die als Ketzer galten, aber Anfang des Jahres den Reichstruppen eine schmerzliche Niederlage bereitet hatten. Auffälligerweise wurden Juden gerade in diesen Jahren (von Wiener Theologen und anderen) in gefährliche Nähe zu den Hussiten gerückt…1515 kam es schließlich unter den Zollern in einer Zeit nochmals gewachsenen allgemeinen Judenhasses in Hof, Kulmbach und Bayreuth tatsächlich zu Plünderungen und v.a. Vertreibungen.
Zwischen diesen Phasen, in denen die Zollern der Verfolgung und Unrecht gegen Juden selbst Vorschub leisteten, betrieben sie meist in ihren Landen, wie viele andere Herrscher, eine sogenannte Schutzpolitik. Hinter dem Schutzstatus der jüdischen Bevölkerung verbarg sich allerdings keine fürsorgliche Handlung des Herrschers. Vielmehr wurde mit dem „Schutzgeld“ eine ursprünglich dem Kaiser zustehende Sondersteuer erhoben, die ausschließlich Juden zu entrichten hatten. Konnte diese nicht beglichen werden, drohte die Ausweisung. Im 14./15. Jahrhundert kamen noch Sonderabgaben wie der Goldene Opferpfennig, Krönungssteuer und der Dritte Pfennig hinzu, außerdem wurde den Zollern als Landesfürsten zugestanden, eigene Abgaben von den Juden zu verlangen. Schließlich benötigten gerade die Herrschenden die Finanzkraft der Juden für ihren eigenen, dauernden Geldbedarf. Für die Mischung aus relativem „Schutz“ und strengster Einforderung der Abgaben steht die Haltung des berühmten Albrecht Achilles (reg. 1440-1486). Die Tatsache jedoch, dass die diffamierenden Reliefs am Tor des Herrschaftssitzes angebracht und belassen wurden, belegen ohne Zweifel eine grundsätzliche und zur Schau getragene Geringschätzung von Juden auch durch die Cadolzburg Burgherren.
Derartige Bildwerke schürten über Jahrhunderte Hass gegen Juden. Ausgrenzung, Verfolgung und Mord waren die Folge. Immer wieder wird daher diskutiert, ob man sie komplett entfernen sollte. Doch würde dies die historische Tatsache nicht aus der Welt schaffen, sondern vielmehr unsichtbar machen. Konfrontiert mit dieser Erscheinungsform am Baudenkmal, mahnt die historische Darstellung so permanent alle Menschen, gegen jede Form von Antisemitismus vorzugehen.
Titelbild: © Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege.