Wer die Zeit rund um die Feiertage genutzt hat, um durch das Münchner Residenzmuseum zu streifen, hat womöglich die zwei Alabastervasen bereits entdeckt! In den „Päpstlichen Zimmern“ sind diese beiden besonderen Kostbarkeiten seit Oktober vergangenen Jahres zu sehen. Einige Besucher konnten die Aufstellung sogar direkt vor Ort miterleben. Unser Team aus Konservatoren und Restauratoren haben alle Kräfte gebündelt, um die Konservierung und Restaurierung dieser einzigartigen Schmuckstücke mit Sorgfalt und nach den neuesten Standards durchzuführen.
Vielleicht hattet ihr bereits die Gelegenheit, konntet einen Blick auf die Prunkvasen werfen und fragt euch: „Was wurde denn da überhaupt gemacht?“
In der Tat soll man den Kulturgütern eine Restaurierung nicht ansehen. Sie dient in erster Linie dem Erhalt und soll vor weiteren Schäden schützen. Umwelteinflüsse, Staub, mechanische Belastungen aber auch klimatische Schwankungen bedeuten Stress für die Objekte und können die Statik, aber auch die Wahrnehmung, verändern. Sie bergen ein Risiko für den Verlust von Informationen und führen letztendlich zum Zerfall. Durch die Konservierung und Restaurierung kann dieser natürliche Prozess verlangsamt werden.
Das Material und seine Verarbeitung
Schon die Wahl des Grundmaterials Alabaster, einer Varietät von Gips, zeichnet die Vasen aus. Das wasserempfindliche weiche Gestein lässt sich zwar gut bearbeiten, und war daher bei Bildhauern äußerst beliebt, ist aber auch sehr empfindlich. Selten findet man eine polierte historische Alabasteroberfläche. Schon eine zu hohe relative Luftfeuchtigkeit im Raum kann eine Mattierung der Oberfläche hervorrufen. Umso herausragender ist der Zustand unseres Vasenpaars mit einer noch immer glatten und feinen Oberflächenpolitur.
Die passgenaue Einarbeitung von Schmuck- und Edelsteinen hebt die Besonderheit in der Auswahl der Materialien noch hervor und verstärkt die farbenprächtige Wirkung im Kontrast zum weißen ebenen Alabaster. Der amphorengleiche Alabasterkorpus ist verziert mit Blütenband und Blätterfries, den sehr schlanken verjüngenden Hals und Fuß zieren Kanneluren. Gekrönt werden diese kunsthandwerklichen Meisterstücke durch ovale Miniaturmosaike, deren farbige Steine nur wenige bis einen Millimeter umfassen. Gerahmt sind sie mit einem aus Bronze gefertigten Perlenstab.
Aber gerade die Wahl der Materialien stellt eine Herausforderung für die Restaurierung dar. „Wie kann ich ein Material reinigen, dass empfindlich gegenüber Wasser ist?“
Die Konservierung und Restaurierung
Durch naturwissenschaftliche Untersuchungen wie die makroskopische und mikroskopische Betrachtung unter einem Stereomikroskop, aber auch die Betrachtung unter ultraviolettem Licht, identifizierten wir Schäden, Verunreinigungen, Anhaftungen und Altrestaurierungen. Die genaue Betrachtung lieferte zudem das Verständnis für die Verarbeitung und die kunsthandwerklichen Herstellungsmethoden.
Spuren des Herstellungsprozesses von Werkzeugen, Markierungen für die Passgenauigkeit, aber auch Korrekturen aufgrund von natürlichen Materialfehlern wurden schrittweise sichtbar.
Die Reinigung von wasserempfindlichen Materialien wie Gips oder Alabaster kann durch die Anwendung einer Gel-Kompresse erfolgen. Für die Herstellung kam ein wassergebundenes kolloidales Gel, hergestellt aus Rotalgen, allseits bekannt unter dem Namen Agar, zum Einsatz.
Die Besonderheit der Behandlung ist die vorangehende Sättigung des Wassers mit Gips, also Calciumsulfat, sodass kein Ionenaustausch stattfinden kann. Die Reinigungswirkung erfolgt durch die Bildung einer gebundenen Gelschicht, die z. B. Verunreinigungen anlöst oder diese aufquellen lässt. Eine Nachreinigung mit Alkohol nimmt dann die gelösten Stoffe ab. Diese sehr sanfte Methode ermöglicht ein lokal begrenztes und sehr kontrolliertes Arbeiten.
Zwei Brüche an den Ecken des Sockels wurden bei einer Altrestaurierung mit einem natürlichen Harz verklebt, welches gealtert und dadurch vergilbt war.
Nach der Reinigung mit Agar wurde die Klebung vorsichtig gelöst, ebenfalls gereinigt und mit einem alterungsstabilen und reversiblen Klebstoff erneuert. Die auffälligen Risse wurden verfüllt und mit Hilfe von Retuschen optisch an die Farbigkeit des umliegenden Materials angepasst.
Das Geheimnis des Henkels
„Was ist noch schwieriger als eine Reinigung von wasserempfindlichen Materialien?“ Genau. Ihre Abformung oder Ergänzung.
Inspiriert vom Agar-Gel und von seiner Struktur haben wir damit kleine Abformungen durchgeführt. Bei Bildhauern oder Künstlern kommen oft Silikone für die Abformung zum Einsatz. Nachteilig daran sind aber die auf der Oberfläche verbleibenden enthaltenen Öle und Fette. Die Verwendung des Agar-Gels zur Abformung hat große Vorteile. Zum einen entstehen keine unlöslichen Rückstände auf der Oberfläche, zum anderen ist die Form sehr schnell hergestellt, nachhaltig und ungiftig. Im Prozess wurde deutlich, dass die Form während der Trocknung, also während das enthaltene Wasser verdampft, schrumpft. Außerdem konnte Gips als Füllmaterial, also zum Gießen in die Form, nur beschränkt verwendet werden, da dieser ja wasserlöslich ist. Die Oberfläche der Abformung wurde also wieder angelöst. Lösung des Problems: Durch den Zusatz von Acrylemulsion zum Gips konnten gute Abformungen hergestellt werden. Für die Ergänzung des fehlenden Henkels wurde der vorhandene Henkel mit Agar-Gel abgeformt, mit Polymergips gegossen und im Anschluss an die Originalform angepasst.
Wie ihr seht, ist ein experimentelles und forschendes Weiterdenken bzw. Suchen nach Lösungen Teil der täglichen Herausforderungen eines jeden Restaurators!