Die Prunkmöbel in Bayerns Schlössern halten so manche Überraschung parat. Sie verblüffen nicht nur durch vollendetes Kunsthandwerk und exquisite Materialien. Durch technisch ausgeklügelte Mechanismen lassen sich einige Möbel wie von Geisterhand öffnen – Spieltische verbergen ganze Spielesammlungen und Sekretäre ausgeklügelte Geheimfächer in ihrem Innern. Erkundet mit unseren Filmchen und Animationen die Geheimnisse von Nähtischchen, Sammlungsschränken und anderen Möbeln. In loser Folge stellen wir Euch einige unserer schönsten und spannendsten Stücke vor.
Entstanden sind die Filme und Animationen im Rahmen des Digitalisierungsprojektes „Prunkmöbel aus Bayerns Schlössern“ für das Internetportal bavarikon. bavarikon ist das Portal zur Kunst, Kultur und Landeskunde des Freistaats Bayern im Rahmen des Bayerischen Kulturkonzepts. Es präsentiert digital Kunst-, Kultur- und Wissensschätze aus Einrichtungen in Bayern. Die Bayerische Schlösserverwaltung ist hier Mitglied und präsentiert ausgewählte Schätze.
Technik im Büro: Wenn aus einem Schreibtisch ein mechanisches Meisterwerk wird
Dieses Rollbureau schuf der berühmteste Möbelkünstler seiner Zeit, David Roentgen. Es verfügt über eine komplexe Mechanik, die zugleich vor unerwünschtem Zugriff schützt: Ist die abschließbare mittlere Schublade unter dem Rolldeckel geöffnet, ist der Druckverschluss für die Schreibtischplatte erreichbar. Zieht man die entriegelte Schreibtischplatte hervor, öffnet sich automatisch der Rolldeckel und das Innenleben des Schreibtisches wird sichtbar. Wahre Geheimfächer befinden sich in den Schubkästen unter dem Rollzylinder: Mit einem Auslöser an der Unterseite des Schreibtisches können die Schubkästen entriegelt werden. Druckfedern schieben die Kisten nach vorne. Unter einer Jalousie verbirgt sich ein Fach. Wird ein weiterer Druckverschluss an der Außenwand des Kastens betätigt, können der vordere Teil des Schubkastens zur Seite geschwenkt und damit weitere Schubladen und Fächer freigegeben werden. In diesem Zylinderschreibtisch lässt sich also so manches Geheimnis verstauen.
Verpackt ist diese raffinierte Mechanik in einer Möbelarchitektur, die am Übergang vom Rokoko zum Klassizismus steht. Ein Furnier aus edlen Marketerien ziert das Möbel. Diese Einlegearbeiten aus unterschiedlichen, teils farbig eingefärbten Hölzern auf dunklem Grund sind stark verblasst. Gezeigt werden asiatische Motive, sogenannte Chinoiserien, in einst leuchtenden Rot-, Gelb- und Grüntönen nach Vorlagen von berühmten Künstlern wie François Boucher.
Ursprünglich im Neuen Schloss Schleißheim aufgestellt, gelangte der Schreibtisch mit dem Ende der Monarchie in das neu entstehende Residenzmuseum München, wo er ab 1922 nachgewiesen ist.
Die raffinierten Luxusmöbel des rheinischen Ebenisten David Roentgen waren an den europäischen Fürstenhöfen höchst beliebt. Die Manufaktur in Neuwied am Rhein, die Davids Vater Abraham gegründet hatte, beschäftigte zeitweise um die 80 Mitarbeiter und belieferte den französischen König Ludwig XVI. ebenso wie die Zarin Katharina die Große, Preußenkönig Friedrich den Großen oder die bayerischen Kurfürsten.
Den berühmten Schreibmöbeln der Manufaktur Roentgen hat sogar Johann Wolfgang von Goethe in seinem Roman „Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden“ ein literarisches Denkmal gesetzt. Im dritten Buch vergleicht der Erzähler seine reizvolle Damenbekanntschaft mit den kunstvollen Schreibmöbeln: „Wer einen künstlichen Schreibtisch von Roentgen gesehen hat, wo mit einem Zug viele Federn und Ressorts in Bewegung kommen, Pult und Schreibzeug, Brief- und Geldfächer sich auf einmal oder kurz nacheinander entwickeln, der wird sich eine Vorstellung machen können, wie sich jener Palast entfaltete, in welchen mich meine süße Begleiterin nunmehr hineinzog.“
Ihr habt noch nicht genug von sich derart entfaltenden Möbeln? Dann lohnt sich ein Blick in die Filme und Animationen des Metropolitan Museum of Art in New York. So manche Bewegung dieses Schreibtisches wird Euch bekannt vorkommen und hier werdet Ihr einige eindrucksvolle Objekte finden, bei denen man sich fragt: Ist das noch ein Möbel?
Der Zylinderschreibtisch auf einen Blick:
Zylinderschreibtisch in der Residenz München, Inventarnummer Res.Mü M 158
Geschaffen von David Roentgen, ca. 1773/75, in Neuwied
Maße: 119 x 123 x 67,5 cm
Material: Eiche, Nadelholz, Nussbaum, Kirsche; Furnier/Marketerie: Ahorn, Nussbaumwurzel, Rosenholz, Buchsbaum, verschiedene gefärbte Hölzer; vergoldete Bronzebeschläge
Literatur: Christoph Graf von Pfeil, Kat.-Nr. 66 Zylinderschreibtisch, in: Gerhard Hoyer (Hg.), Die Möbel der Residenz München, Bd. 2: Die deutschen Möbel des 16. bis 18. Jahrhunderts, S. 228-239.
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