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„Die verlorenen Räume“ der Residenz Bamberg

Verlorene Räume Residenz Bamberg neue Ausstellung

In der Neuen Residenz Bamberg lädt ein neuer Museumsraum dazu ein, unbekannte und zum Teil heute nicht mehr vorhandene Räume zu entdecken.

Die Neue Residenz verkörpert als Bauwerk das politische Herz des historischen Welterbes Bambergs. In den letzten Jahren war der Umgang mit diesem Gebäude gekennzeichnet von grundlegenden Sanierungsarbeiten, die in der Summe nichts weniger sind, als die umfangreichsten Instandsetzungarbeiten seit den Zeiten des Fürstbischofs Lothar Franz von Schönborn. Dabei ging es maßgeblich auch um jene Gebäudeteile, die man nicht zuvorderst wahrnimmt, also um Dächer und Dachstühle. Grundlegend saniert und restauriert wurden aber auch die Fassaden und drei der Prunkappartements mit dem Kaiserappartement, der Barockgalerie und zu guter Letzt dem Fürstbischöflichen Appartement und dem Kaisersaal.

Audienzzimmer Residenz Bamberg Fürstbischöfliches Appartement

Das Audienzzimmer des jünst restaurierten Fürstbischöflichen Appartements

Im Vergleich dazu nimmt sich der einzelne Museumsraum, der seit 7. April 2022 in der Neuen Residenz zu sehen ist, regelrecht bescheiden aus. Nichtsdestoweniger soll er künftig ein Scharnier bilden zwischen den verschiedenen Besichtigungsangeboten in der Residenz. Künftig sollen die Besucherinnen und Besucher nicht nur die Staatsgalerie mit barocker und altdeutscher Abteilung im freien Rundgang besichtigen können, sondern auch den Kaisersaal und das Kaiserappartement.

Die Restaurierung des Kaiserappartements – mit Eröffnung im Jahr 2009 – stand am Beginn der erfolgreichen und noch nicht vollständig abgeschlossenen Sanierungsgeschichte der Neuen Residenz. Man hatte sich dabei entschlossen, das Kaiserappartement recht getreu nach Fotografien um 1900, also in der Einrichtung des wittelsbachischen Erbprinzenpaars Rupprecht und Marie Gabriele, zu möblieren.

Vom Toilettezimmer zum Museumsraum

Im Nachgang der Restaurierung wurde auch das ehemalige Toilettezimmer der Prinzessin Marie Gabriele wieder museal nutzbar gemacht – nachdem es seit 1965 als Teil der Hausmeisterwohnung zu den Räumlichkeiten der Staatsbibliothek gezählt hatte. Um 1900 gehörte dieses Zimmer hingegen zu einer an das Kaiserappartement anschließenden Raumflucht, die neben den Kinderzimmern auch die Repräsentationsräume des Erbprinzen und designierten Thronfolgers Rupprecht beinhaltete.

residenz bamberg toilettezimmer

Das Toilettezimmer der Erbprinzessin Marie Gabriele um 1900

Durch den Einzug der Staatsbibliothek 1965 wurde die Raumflucht an mehreren Punkten gestört. Wie der Abgleich der Grundrisse um 1900 und der heutigen zeigt, wurden die Raumzusammenhänge vor allem vor allem zugunsten größerer Raumensembles verändert.

Die Umbaumaßnahmen bezogen sich nicht ausschließlich auf Zwischenwände, sondern auch auf das gesamte Erscheinungsbild der Räume: Heute fehlt die hölzerne Lambris. Der bauzeitliche Parkettfußboden und die Deckenstuckierung verschwanden. Während die Parketttafeln ausgebaut und teilweise zweitverwendet wurden, liegt die spätbarocke Vogel-Decke noch heute unberührt unter einer abgehängten Decke – so zumindest war zumindest bei Beginn der Umgestaltung unsere Vermutung nach einer bauseitigen Probebohrung im an den Raum anschließenden WC.

Alte Museumseinrichtung Residenz Bamberg

Die vorangegangene Museumseinrichtung

Gerade die Öffnung der Decke an zwei Stellen, die Einblick in die darunterliegende Barockdecke bieten, war das vielleicht wagemutigste Abenteuer der Ausstellungsgestaltung im ehemaligen Toilettezimmer. Jedenfalls war das Glücksgefühl aller Beteiligten nach unseren Probeöffnungen im Ausstellungsraum durchaus ein Großes.

Probeöffnung Decke Residenz Bamberg

Ein spannender Moment – Probeöffnungen

Dass der Raum in seiner einstigen Nutzung anschlussfähig an das Kaiserappartement sein sollte, war konzeptionell von vornherein klar. Hier wie dort geht es schließlich um die Wohnnutzung durch Rupprecht und Marie Gabriele. Darüberhinaus eröffnete der Raum aber auch die Chance, die abgegangenen Räume eingehender zu thematisieren.

Ebenso sollte der neue Ausstellungsbereich im Sinne einer zeitgemäßen, authentischen Präsentation auch die „Baunarben“, die durch den Einzug der Staatsbibliothek entstanden sind, offenlegen. Mit einer punktuellen graphischen Rekonstruktion der Lambris, einer Fußbodenöffnung, die den Blick auf das barocke Parkett erlaubt, und durch Deckenöffnungen. Auch die Thematisierung des neuen Raumzuschnitts durch den Einbau einer Bedienstetentoilette und einer Oberlichtöffnung in 1960er Jahre-Optik erschien uns eine Notwendigkeit.

Parketttafeln Residenz Bamberg Verlorene Räume

Die historischen Parketttafeln des Toilettezimmers

Bei den drei heute in die Ausstellung integrierten Parketttafeln, handelt es sich um die Reste eines Tafelparketts des frühen 18. Jahrhunderts. 1850 wurde es in Zweitverwendung in der Neuen Residenz Bamberg verlegt. Es wurde als adäquater Ersatz für den „verschlissenen“ historischen Boden dieses Raumes erworben. Ursprünglich stammte das Parkett aus dem Haus des Bamberger Anwalts Elsner. Für die Ausstellung wurden drei vormals deponierte Parketttafeln in die Bodengestaltung der 1960er Jahre integriert. In den ursprünglichen Zustand zurückgeführt wurde auch ein Wandschrank, der zwischenzeitlich zu einem Schrank geworden war.

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Der frisch restaurierte Wandschrank

Ein klarer musealer Schnitt

Wo vorher der Bruch mit der Hauptraumfolge mit einer etwas unentschiedenen Einrichtung keineswegs kaschiert, sondern im Gegenteil betont wurde, präsentiert sich der Raum nun als klarer musealer Schnitt mit durchgehend farbigen Wänden. Die abgegangenen Räume werden exemplarisch mit einzelnen, auch auf den historischen Fotos leicht wiedererkennbaren Objekten symbolisiert. So finden in dem kleinen Museumsraum eine Wiege, ein Wandschrank, ein Fayenceofen und eine Büste Prinzregent Luitpolds mit zeitgenössischem Podest Platz.

Verlorene Räume Lost Rooms Residenz Bamberg neue Ausstellung

Der neue Museumsraum

Nur kurz sei in diesem Zusammenhang angedeutet, welche Räume sich noch im Anschluss an die Raumflucht befanden: Bereits mit der Umgestaltung der Residenz in ein Museum in den 1920er Jahren unter Heinrich Kreisel wurde der ursprüngliche Raumzusammenhang zugunsten einer Rückführung in einen fiktiven barocken Zustand aufgegeben. Vollends verändert wurde die Raumfolge schließlich mit dem Einzug der Bamberger Staatsbibliothek. Einzig der vordere Teil des Kaiserappartements bis zum Schreibzimmer blieb von den notwendigen Anpassungen an die neue Nutzung unberührt.

Schreibzimmer Erbprinz Rupprecht Residenz Bamberg 1900

Das Schreibzimmer des Erbprinzen Rupprecht um 1900

In der Anlage der Raumflucht um 1900 folgte auf das Toilettezimmer der Prinzessin tatsächlich – wie heute mit der etwas prosaischeren Hausmeistertoilette – ein kleines Bad, von dem im Gegensatz zu den anderen Räumen kein Foto erhalten ist. Daran schlossen das gemeinsame Schlafzimmer und das Kinderzimmer des Prinzen Luitpold an.

Die bemerkenswerte klassizistische Sitzgarnitur des Schlafzimmers ist heute in den Charlottenzimmern der Münchner Residenz zu bewundern. Das Appartement setzte sich fort mit einem zweiten Kinderzimmer, dann im Vierzehnheiligenpavillon mit dem Empfangssalon Rupprechts und seinem Schreibzimmer.

Im Kinderzimmer befand sich auch die Wiege des am 8. Mai 1901 geborenen Prinzen. Die Geburt ihres ersten Kindes dürfte für Rupprecht und Marie Gabriele ohne Zweifel das wichtigste Ereignis ihrer kurzen Bamberger Zeit gewesen sein. Zu Ehren des Prinzregenten und Großvaters Ruppechts erhielt das Kind den Namen Luitpold.

Das Modell der in Regensburg gefertigten Wiege in Empire-Formen erhielt auf der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900 eine Bronzemedaille. Die Bedeutung der Geburt des künftigen Thronfolgers schlägt sich nicht zuletzt im Kaufpreis des Prunkmöbels nieder: Mit stattlichen 500 Mark war es die teuerste Anschaffung der neugegründeten Bamberger Hofhaltung des Prinzenpaars.

Der Empfangssalon des Erbprinzen Rupprecht war um 1900 einer der am prachtvollsten ausgestatteten Räume der Neuen Residenz. Er befand sich im Anschluss an die Raumflucht des Kaiserappartements im Vierzehnheiligenpavillon.

Empfangssalon Erbprinz Rupprecht 1900 Residenz Bamberg

Der Empfangssalon des Erbprinzen Rupprecht um 1900

Ausgestattet war der Salon unter anderem mit einer qualitätsvollen klassizistischen Sitzgarnitur, einem Schreibschrank und einem monumentalen Schlachtengemälde. Zu diesem Raum gehörte auch jene Gipsbüste des Prinzregenten Luitpold von Bayern auf einem auffällig gefärbten blauen Stuckmarmorsockel, die jetzt im neuen Ausstellungsraum zu sehen ist.

Verlorene Räume Neue Residenz Bamberg neue Ausstellung

Es bleibt zu hoffen, dass dieser kleine neue Ausstellungsraum künftig wirklich als museales Scharnier zwischen den Prunkräumen einerseits und dem dringenden Bedürfnis unserer Besucherinnen und Besucher nach einem Blick hinter die Kulissen der – immer und in jedem Fall – historisierenden Möblierung von Schauappartements bilden kann.

 

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