Noch gestern klapperten landesweit die Türen der Adventskalender, um sich den täglichen Anforderungen der Vorweihnachtszeit gestärkt mit etwas Süßem besser stellen zu können. Das Prinzip „Tür auf – Überraschung drin“ haben aber schon die verschiedenen Bauherren der Residenz über Jahrhunderte hinweg verinnerlicht und perfektioniert – unabhängig vom Festkalender…:
Hinter wuchtigen, geschnitzten und ornamentierten Türflügeln aus vier Jahrhunderten öffnen sich imposante Schauräume. Daneben gibt es – in Folge einer langen und verzwickten Bau- und Umbaugeschichte – zahlreiche, oft unscheinbare Türen und Törchen, die mit dem richtigen Schlüssel überraschende Abkürzungen über Dächer und Zwischengeschosse ermöglichen – oder hinter denen auch schon mal lang vermisste Mitarbeiter auftauchen, die sich einst im Labyrinth der Gänge verlaufen hatten.
Und schließlich ist auch manchmal die Tür selbst die fast größte Überraschung und genauerer Betrachtung wert. Bestes Beispiel ist die Tür des Miniaturenkabinetts in den Reichen Zimmern, den offiziellen kurfürstlichen Wohnräumen aus den 1730er Jahren.
Wie für einen adventlichen Blogbeitrag angefertigt, strahlen die beiden Flügel in festlichen Gold- und Rottönen. Ein Gespinst aus feinsten Rokokoschnitzereien bedeckt die gesamte Fläche. Dahinter erschließt sich dem Blick ein kostbar ausgeschmückter, nur wenige Quadratmeter messender Raum, dessen roten Wände bis zur Decke mit prunkvoll gerahmten Kleingemälden bedeckt sind. Nominell als ein privater, höchst exklusiver Rückzugsraum für den Bauherrn, Kurfürst Karl Albrecht (reg. 1726-1745) und wenige vertraute Gäste konzipiert, hat er die Anmutung eines Allerheiligsten.
Bei Festen im Appartement spielten Türen eine große Rolle: sonst verschlossen, wurden sie bei diesen feierlichen Gelegenheiten für Gäste und Zuschauer geöffnet. Da alle auf einer Achse angeordnet sind, erschloss sich so eine beeindruckende Tiefenflucht.
Deren Endpunkte bildeten im Osten die Grüne Galerie und im Westen das Miniaturenkabinett, also zwei hochrangige Gemäldesammlungen – einmal im monumentalen, einmal im Miniaturfomat, ausgestattet in den Komplementärfarben Grün und Rot, also eine bis ins Detail kalkulierte Inszenierung.
Erst wenn die beiden Türflügel des Miniaturkabinetts aufschwangen, enthüllten sie den Besuchern ihre prachtvolle Schauseite. Aufmerksamkeit dürfte vor allem der gänzlich glatte und leuchtend zinnoberrote Überzug erregt haben: Es handelt sich Lackarbeit, eine exotische Handwerkstechnik, die in den damals noch so fernen, exotischen Ländern Asiens geübt wurde. Der überaus mühselige und langwierige Arbeitsprozess, den Grundstoff aus dem Harz asiatischer Lackbäume zu gewinnen und in unzähligen Schichten, dazu ohne Verunreinigungen, auf das Trägermaterial aufzubringen, schließlich der weite Transportweg erklären den hohen Preis von Lackobjekten im 18. Jahrhundert und die Versuche der Europäer, die begehrte Technik zu kopieren. Ein ganzes Kabinett mit enorm kostspieligen Lackvertäfelungen auszustatten, deren Glanz mit der Vergoldung und der Feinheit der Miniaturen konkurrierte, war daher die eindeutige Demonstration eines wahrhaft fürstlichen Selbstbewusstseins.
Die beiden Türflügel sind aber nicht nur wegen ihrer Schönheit und Kostbarkeit für uns von größtem Wert: Als große Teile der Residenz 1944 ausbrannten, blieben von den Vertäfelungen des Miniaturkabinetts allein die Türen erhalten, da sie rechtzeitig geborgen werden konnten. Mit ihren originalen Schnitzereien stellten sie daher ein zentrales Element bei der 2001 abgeschlossenen Rekonstruktion des Kabinetts dar, das als Vorbild und Orientierung dienen konnte.
Dank der Proben, die von den Türflügeln abgenommen wurden, konnte in aufwändigen Versuchsreihen die komplizierte Herstellung der gänzlich glatten, farbintensiven und glänzenden Oberflächen nachvollzogen werden.
Insofern ist unsere Tür tatsächlich der Tür eines Adventskalenders vergleichbar – sie verbirgt eine festliche Überraschung und ist selbst ein Geschenk …
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