Heute jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag des Architekten Franz Jakob Kreuter (1813-1899). Dieser erste bayerische Zivilingenieur hatte nach seinen Münchner Studienjahren erste Erfahrungen im Baubüro von Friedrich von Gärtner, der die prominentesten Gebäude der Ludwigsstraße entwarf, gesammelt.
Später, nach einer Reise durch England, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts führenden Industrienation, brillierte Kreuter vor allem im Eisenbahn- und Brückenbau.
Das alles ist aber noch nicht der Grund, warum wir uns in der Residenz heute gerne seiner erinnern: Kreuter lieferte den Entwurf für den Wintergarten Maximilians II. über den Dächern des alten Residenztheaters, der dort zwischen 1851-1854 Gestalt annahm. Die Idee eines solchen Paradieses hinter Glas, in dem das ganze Jahr über Sommer herrschte, hatte den dritten bayerischen König (regierte 1848-1864), der oft kränkelte und sich im harten oberbayerischen Winter in den schlecht geheizten Residenzräumen nach südlichen Gefilden sehnte, schon in seiner Kronprinzenzeit beschäftigt.
Einen ersten Versuch hatte Maximilian bereits früher in seinem prinzlichen Wohnsitz, dem von Gärtner errichteten, heute zerstörten Wittelsbacher Palais an der Brienner Straße unternehmen wollen. Richtig befriedigend waren diese Planungen aber noch nicht – Maximilian schwebte Größeres vor: ein riesiger Eisen-Glas-Bau, der sich in drei Portalen zum Marstallplatz öffnen sollte, während die dahinter anschließende Halle, randvoll mit gut gepflegten tropischen Pflanzen, den Raum zwischen Königsbau und der klassizistischen Tempelfront des Nationaltheater füllen sollte.
Ungeschickterweise war der Platz schon belegt, nämlich von Cuvilliés altem Hofopernhaus aus der Mitte des 18. Jahrhunderts (heute an dieser Stelle das neue Residenztheater). Mit ziemlich viel Glück war diese besonders schöne Perle des Rokoko bis dahin allen Angriffen der klassizistischen Künstler, die für Maximilians Vater Ludwig I. gearbeitet hatten, und denen Cuvilliés „Schnörkel“ ein Greuel waren, entgangen. Und auch der neue König, der der Kunst des 18. Jh. erfreulicherweise ein wenig offener gegenüberstand, entschloss sich nach längerem Nachdenken, seinen Wintergartentraum etwas einzudampfen – sozusagen wie Schnee im Glashaus: Er ließ Kreuter seine Stahl-Glas-Konstruktion nicht an Stelle, sondern auf dem älteren Theaterbau konzipieren. Seinerzeit war eine solche stilistische Kombi alt/neu mindestens so gewagt und dürfte ebenso kontrovers diskutiert worden sein, wie vergleichbare Baupläne heute – die Kommentare des damaligen Publikums werden nicht nur königstreu gewesen sein.
Schlussendlich realisiert wurde das von Kreuter entworfene Projekt durch den Architekten August von Voit, einen Fachmann für die noch junge Technik des Glas-Eisen-Baus – im Anschluss an den Wintergarten baute Voit gleich weiter und errichtete im Alten Botanischen Garten den berühmten Glaspalast, den Münchner Ausstellungstempel nach dem Vorbild von Paxtons Londoner Kristallpalast.
Hinter der gläsernen Front, die sich über der Theaterfassade zwischen Königsbau und Nationaltheater aufspannte, legte Maximilians Hofgartendirektor Carl Effner zwischen gewundenen Wegen Rasenflächen und Brunnenbassins mit Fontänen an. Entlang ihrer Ränder und zwischen den Dachpfeilern wucherten subtropische Busch- und Hängepflanzen – allerdings schön ordentlich gestutzt und in biedermeierlicher Ordnung. Skulpturen mussten natürlich auch sein – einige haben sich im Bestand der Schlösserverwaltung erhalten.
Der König, der in der Residenz selbst ja wirklich nur wenig Aussicht auf Grünes hatte, nutzte den luftigen Tropenpark im Laufe seines kurzen Lebens intensiv – er muss ihn sehr geliebt haben. Umso trauriger, dass dieses innovative Stück Architektur, das in seiner technischen Meisterschaft und artifiziellen Anmutung für das 19. Jahrhundert so typisch gewesen ist, 1922 abgetragen wurde. Zweieinhalb Jahrzehnte später ging dann auch der Theaterbau, der dem Garten als Basis gedient hatte, im Bombenhagel unter.
Den Innenraum von Cuvilliés Theater können wir heute wieder genießen. Der von Kreuter entworfene Wintergarten bleibt verschwunden – an ihn erinnert noch eine Ausstellung im Residenzmuseum (Raum 54)…