Im Neuen Schloss Bayreuth wird eine Sammlung präsentiert, die ihresgleichen sucht. Nirgends in der internationalen Museumslandschaft findet sich eine vergleichbare Kollektion sogenannter galanter Miniaturen. Wem verdankt die Bayerische Schlösserverwaltung diese einzigartige Sammlung und was versteht man eigentlich unter dem Begriff „galante Miniaturen“?
Die Sammler
Dr. Eva und Dr. Hans-Ullrich Löer sind begeisterte Kunstsammler. Gemeinsam und über viele Jahre hinweg haben sie die Sammlung kleiner Malereien zusammengetragen. Doch wie kam es dazu, den Fokus ausgerechnet auf Miniaturen zu legen? Lächelnd berichtet Dr. Eva Löer während der Präsentation des Ausstellungskatalogs im Juni 2019 wie die Kollektion entstanden ist: Den Anfang machte eine Miniatur als Geburtstagsgeschenk an ihren Mann. Das kleine Gemälde wurde voller Begeisterung empfangen und durch ein Pendant zu ihrem Geburtstag erwidert. Dieser Austausch entwickelte sich zur Tradition an Festtagen. Nach fast drei Jahrzehnten des eifrigen Schenkens fanden an die 100 Arbeiten ihren Platz im Hause Löer. Offensichtlich hatte das Paar in der Miniaturenmalerei das perfekte Medium entdeckt, um sich gegenseitig ihre Liebe und Verehrung der Kunst zu zeigen.
Um der Sammlung einen festen und würdigen Platz zu geben, entschied sich das Paar, die Kunstwerke der Bayerischen Schlösserverwaltung als Schenkung zu überlassen. Und damit nicht genug: Sie stellten finanzielle Mittel zur Verfügung, mit denen die wissenschaftliche Bearbeitung der Objekte durch den Kunsthistoriker und Restaurator Bernd Pappe finanziert werden konnte. Herr Pappe aus Bern gilt als herausragender Miniaturenexperte.
Die Miniaturenmalerei
Die Miniaturenmalerei erlebte im 18. Jahrhundert ihre Blütezeit. Die kleinen Bilder wurden an den europäischen Höfen gesammelt, getauscht oder in doppeldeutiger Absicht verschenkt. Ein Großteil der Werke stammt aus Frankreich, doch auch aus anderen Ländern wie Deutschland, Belgien und den Niederlanden. Unter den Künstlern sind besonders zwei Vertreter ihres Fachs zu nennen, nämlich der aus Riga stammende und in Paris erfolgreiche Carl Gustav Klingstedt (1657-1734) sowie der französische Hofminiaturenmaler Jacques Charlier (1706-1790). Inhaltlich geht es prinzipiell um Liebe und Lust, wobei die Mythologie thematisch klar im Vordergrund steht. Viele Abbildungen beziehen sich auf die „Metamorphosen“ des Dichters Ovid. Sie waren im Barock eine der prominentesten Inspirationsquellen für Künstler, die sich mit der Götterwelt und den amourösen Ausschweifungen des Göttervaters beschäftigten. Daneben gibt es noch andere Schwerpunkte wie etwa moralisierend-satirische Alltagsszenen und erotisch konnotierte Darstellungen.
Doch was versteht man unter dem Begriff „galante Miniaturen“?
Um diese Frage zu beantworten, werfen wir einen Blick auf die zeitgenössische Geisteshaltung.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gewann die Aufklärung immer größere Bedeutung. Damit einher ging der Wunsch, im Einklang mit der Natur zu leben. Zudem entwickelte sich ein neues Liebesmodell, ein Ideal der Zuneigung und Freundschaft zwischen den Ehepartnern. Liebenswürdiger Ausdruck dessen ist die Schäferidylle. In der Miniaturensammlung Löer finden sich ganz herrliche Beispiele auf höchstem künstlerischen Niveau.
Im 18. Jahrhundert erweiterte sich die Bedeutung des Galanten in Richtung amourös. Das galante Verhalten wurde in den oberen Gesellschaftsschichten das bestimmende Paradigma. Der Begriff beschreibt einen spielerischen, amourös konnotierten Umgang der Geschlechter miteinander. Im privaten Bereich konnte die Bedeutung weit ausgedehnt werden, sodass sie sich von zarten Schäferszenen ins prickelnd Erotische oder eindeutig Sexuelle öffnen konnte. Die Vielfältigkeit der Werke zeigt faszinierende Einblicke in ein weites Panorama sozialer Verhaltensweisen, die von höfischer Gesellschaft in weite Bereiche der Bevölkerung ausstrahlten.
Kleine Freiräume
Der private Charakter der Miniaturen ermöglichte den Künstlern Freiräume, wie sie in der Staffeleimalerei nicht gegeben waren. Aktdarstellungen einer sich ungeniert präsentierenden Frau ohne jegliche mythologische Verkleidung und Anspielung wie Goyas „Nackte Maja“ (um 1800) galten als skandalös. Nicht so bei den Miniaturen: Die Sammlung Löer besitzt ein herausragendes Beispiel, welches geradezu mustergültig zeigt, dass die Miniaturenmalerei schon sehr viel früher den Schritt der Entmythologisierung wagte. Ohne das sonst pflichtschuldig untergebrachte Bildelement des goldenen Regens – Symbol des Samens des Göttervaters – offenbart sich die vollkommen unbekleidete Schönheit dem Auge des Betrachters.
Die galante Bildsprache der Miniaturen
Des Weiteren bestechen die kleinen Gemälde durch eine wunderbar charmante Bildsprache und Detailfreudigkeit. Zu den beliebtesten Darstellungen gehörte das erheiternde Motiv des unter dem Hut versteckten Vögelchens. Eine Miniatur zeigt einen selig lächelnden Jüngling im Land der schönen Träume. Er wird von zwei Frauen in Augenschein genommen, die sich brennend dafür interessieren, was der junge Mann wohl unter seinem Hut verstecken mag. Vielleicht ein Vögelchen? Die bescheidene Größe zeigt eine der Damen mit den Fingern an. Ihr pfiffiger Ausdruck lässt erahnen, dass aus dem Traum des Schlafenden bald für alle drei Beteiligten Wirklichkeit werden könnte.
Das Neue Schloss Bayreuth als perfekter Ausstellungsort
Die Sammlung „Galante Miniaturen – Sammlung Dr. Löer“ überspannt ein breites Spektrum an Themen und Künstlern und ist daher für eine museale Präsentation optimal geeignet. Als das Ehepaar der Bayerischen Schlösserverwaltung die Sammlung als Schenkung anbot, kam eigentlich nur ein Ort in Frage, der den passenden Rahmen bieten konnte: das Neue Schloss Bayreuth.
Die Schlösser und Gartenanlagen im Bayreuth des 18. Jahrhunderts sind weitgehend das Werk von Markgräfin Wilhelmine (1709-1758). In Architektur, Stuck und Malerei offenbaren sich nicht nur die künstlerischen Vorlieben der Markgräfin, sondern verdeutlichen sich ihr Charakter, Denken und Handeln. Das Neue Schloss verzaubert vor allem durch seine zarte, intime und verspielte Gestalt, also dem, was man heute unter „Bayreuther Rokoko“ versteht.
Das Rokoko spiegelt ein feinsinniges, geradezu beschwingtes Lebensgefühl wider. Galanterie und zarte Sinnlichkeit durchdringen die Kunst und offenbaren sich auf kokette Weise in allerlei gegenständlichen Details. Die Miniaturenmalerei entspricht der Verführungskunst und der freizügigen Fantasie der Zeit auf besonders treffende Weise.
Die Stücke der Sammlung Dr. Löer präsentieren sich in drei Räumen der Neuen Residenz, die wie geschaffen für die Ausstellung scheinen. Sie befinden sich im privaten Bereich des Herrenflügels, in dem sich eine verblüffende Vielzahl erotischer Stuckdekorationen versteckt. Der langgezogene Hauptraum diente offensichtlich als Schlafzimmer, denn im Zentrum der mit Rosenblüten verzierten Decke schwebt ein schlafender Jüngling, der von Amors Liebespfeil unter Beschuss genommen wird.
Alle Informationen zum Neuen Schloss Bayreuth und der Welt der Wilhelmine findet Ihr auf unserer Webseite. Wir freuen uns auf Euren Besuch!
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