In diesem Jahr feiert das Traumschloss König Ludwigs II. (1845‒1886) ein rundes Jubiläum: Am 5. September 1869 kam es zur Grundsteinlegung der „Neuen Burg“, die somit in diesem Jahr 150 Jahre alt wird.
Zu diesem Anlass wird im Schloss am 6. September 2019 die erste Ausstellung überhaupt eröffnet. In der zweimonatigen Sonderausstellung sind bisher größtenteils unveröffentlichte Entwürfe zu Bau und Ausstattung Neuschwansteins zu sehen.
Die „Neue Burg“ als Hommage an das Mittelalter
Obwohl reine Reminiszenz an die Sagen von Gralsrittern und Herzoginnen, ist Neuschwanstein zum Inbegriff einer romantischen Burg des Mittelalters geworden. Der Wiederaufbau alter Burgen war im Historismus üblich. Einzigartig in Neuschwanstein ist, dass von den beiden kleinen mittelalterlichen Burgen auf dem Höhenzug nur noch Ruinen standen. Das ermöglichte es Ludwig II. seine „Neue Burg“ in Anlehnung an die Eisenacher Wartburg ganz nach seinen Vorstellungen zu konzipieren.
In Architektur, Ausstattung und Malerei offenbart sich die Verehrung Ludwigs II. für die Kultur und das Königtum des Mittelalters. So schrieb der König an Richard Wagner:
„Ich habe die Absicht, die alte Burgruine Hohenschwangau bei der Pöllatschlucht neu aufbauen zu lassen im echten Styl der alten deutschen Ritterburgen […]“.
Errichtet und ausgestattet in mittelalterlichen Formen, aber mit damals modernster Technik , ist Neuschwanstein heute eines der berühmtesten Bauwerke des Historismus und veranschaulicht die unverkennbar selbstständigen Leistungen der Kunst des 19. Jahrhunderts.
Die Planung des Schlosses lag in den Händen von Eduard Riedel, dessen Ideen von dem Bühnenmaler Christian Jank in dekorativen Prospekten veranschaulicht wurden. Ab 1874 war Georg von Dollmann für das Bauvorhaben verantwortlich. Die Innenausstattung des Palas konnte bis zum Jahr 1886, dem Todesjahr König Ludwigs II., im dritten und vierten Stock mit Wohnung, Thronsaal und Sängersaal weitgehend vollendet werden.
Die Ausstattung
Wie kein anderes Bauwerk zeugt Neuschwanstein von den Idealen und Sehnsüchten Ludwigs II. Das Schloss war kein Schauplatz königlicher Repräsentation, sondern ein Ort des Rückzugs. Hier flüchtete sich Ludwig II. in eine Traumwelt – die poetische Welt des Mittelalters.
Ludwig II. war an all seinen Bauten wesentlich schöpferisch beteiligt. Sie bildeten den Hauptinhalt seines Lebens und sind sein Lebenswerk. Der König überprüfte jedes Detail von Bau und Ausstattung seiner Schlösser anhand der Entwürfe und ließ häufig Korrekturen vornehmen, ehe er die Ausführung genehmigte. In Neuschwanstein beschäftigte sich Ludwig II. besonders mit der Planung der Wandgemäldezyklen. Er ließ von dem Literaturhistoriker Hyacinth Holland, einem Spezialisten in mittelalterlicher Ikonografie, verschiedenartige Vorschläge ausarbeiten.
Die Wandgemälde Neuschwansteins sind inspiriert von den Opern Richard Wagners, dem der König das Schloss widmete. Als direkte Vorlagen für die Ausgestaltung dienten jene Sagen des Mittelalters, auf die auch der Komponist zurückgegriffen hatte.
In den Wandbildern des Schlosses werden Geschichten um Liebe, Schuld, Buße und Erlösung thematisiert. Könige und Ritter, Dichter und Liebespaare bevölkern die Räume. Drei Figuren sind von zentraler Bedeutung: der Dichter Tannhäuser, der Schwanenritter Lohengrin und dessen Vater, der Gralskönig Parzival (Parsifal). Für Ludwig waren sie Vorbilder und Seelenverwandte.
Die Sonderausstellung „Neuschwanstein neu entdeckt / recently discovered“
Die Sonderausstellung ist etwas ganz besonderes, denn es handelt sich dabei um die erste überhaupt in Neuschwanstein.
Sie zeigt an die 30, teils unveröffentlichte Genehmigungsentwürfe für den Bau und die Innenausstattung der „Neuen Burg“. Die Ideen der Architekten und Künstler wurden mit Aquarell auf Papier gemalt und auf Kartons aufgezogen. Die Kartone zeigen 1:1-Entwürfe der Wandbilder und verdeutlichen den quantitativen und qualitativen Planungsaufwand. Die künstlerisch herausragenden Werke spiegeln die hohen Ansprüche des Bauherrn wider.
Besonders interessant ist die Gegenüberstellung der phanatsievollen und symbolüberladenen Entwürfe mit den Ausführungen im Schloss. Sie zeigen, dass die Künstler in ihren Entwürfen deutlich freier waren als bei den Wandgemälden.
Einen Schwerpunkt bilden die Entwürfe des Thronsaals, diesem faszinierenden Weiheraum des Herrschertums, in dem sich die idealistischen Beschwörungen Ludwigs II. konzentriert haben. In der Ausstellung kann man den geistigen Werdegang der Planung nachvollziehen.
In der Ausstellung sind außerdem die originale Schreibmappe Ludwigs II. aus seinem Arbeitszimmer und der Entwurf zur Grundsteinurkunde zu sehen.
Ein Blick hinter die Kulissen
Die Entwürfe stammen aus dem Archiv in Neuschwanstein. Sie wurden in den vergangenen Monaten im Restaurierungszentrum der Bayrischen Schlösserverwaltung in Schloss Nymphenburg für die Ausstellung vorbereitet. Im Zuge ihrer sorgfältigen Reinigung kam eine atemberaubende Farbenpracht und Detailfreude zum Vorschein.
Des Weiteren wurden für die Entwürfe Passepartouts angefertigt. Die Anfertigung passgenauer Passepartouts in die für die Ausstellung vorgesehenen Eichenrahmen ist eine aufwendige und schwierige Arbeit, insbesondere da die Entwürfe von Neuschwanstein unterschiedliche Größen haben, zum Teil beschädigt oder asymmetrisch sind. Daher ist es bei der Einpassung in die Passepartouts besonders wichtig, dass keine relevanten Stellen überdeckt werden. Diese millimetergenaue Arbeit verlangt viel Geduld und handwerkliches Geschick.
Weiterführende Informationen
Die zweimonatige Sonderausstellung ist vom 6. September bis Ende Oktober 2019 zu besichtigen.
Sie befindet sich im Zweisäulensaal des Palas und ist im Anschluss an die Führungen ohne Aufpreis frei zu besichtigen.
Weitere Informationen zu Neuschwanstein und der Sonderausstellung findet Ihr hier.
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