Die aufsehenerregenden Biografien von Mätressen führten lange Zeit ein Schattendasein, was der moralischen Verurteilung der Zeitgenossen, aber auch der nachfolgenden Generationen geschuldet ist. Oftmals waren sie kluge, ehrgeizige Frauen, die sich dem gesellschaftlichen Rollenklischee widersetzten, ihre eigenen Interessen verteidigten und ihren gewonnen Einfluss am Hof zu nutzen verstanden. Eine von ihnen war die Französin Hippolyte Clairon, gefeierter Schauspielstar der Pariser Comédie Française und langjährige Mätresse des Markgrafen Alexander von Ansbach-Bayreuth (1736–1806).
Claire Josèphe Léris, so ihr Geburtsname, kam am 25. Januar 1723 als uneheliche Tochter einer Näherin und eines Offiziers in Flandern zur Welt. Mit elf Jahren zog sie mit ihrer Mutter nach Paris, wo sie ein Freund in die berühmte Comédie Française ausführte. Fasziniert von der Theatervorstellung nahm Claire daraufhin gegen den Willen der Mutter Schauspielunterricht, und debütierte schließlich 1736 an der Pariser Comédie Italienne.
Da Hippolyte Clairon, wie sie sich fortan nannte, kein dauerhaftes Engagement in Paris erhielt, zog sie nach Rouen, wo sie sich einer Schauspieltruppe anschloss und schnell Zugang zur gehobenen Gesellschaft fand. Ihr ausschweifendes Liebesleben in dieser Zeit ließ sie Gegenstand einer Schmähschrift werden. Damit haftete ihr noch Jahre später der Makel der Sittenlosigkeit an, was der jungen, talentierten Schauspielerin die Aufnahme in die Pariser Comédie Française zunächst erschwerte. Doch schließlich konnte Clairon dort im September 1743 ihr Debüt mit der Titelrolle in „Phädra“, einer Tragödie von Jean Racine feiern. Die durchweg positiven Kritiken führten zu weiteren vielbeachteten Auftritten, vor allem in Stücken von Molière und Voltaire.
Mitte der 1750er Jahre war Clairon die einflussreichste Schauspielerin der Comédie Française und erhielt – angesichts von Exkommunikation und Verlust der Bürgerrechte für Schauspieler – für eine Vertreterin ihres Standes damals die größtmögliche Anerkennung. Gleichzeitig trat sie leidenschaftlich für die Rehabilitation des Schauspielerstandes ein und wurde dabei von keinem geringeren als Voltaire unterstützt, dessen bevorzugte Tragödin sie mittlerweile war. Dieser Protest bewog Clairon 1765, auf dem Höhepunkt ihrer Schauspielkarriere, zum Verlassen der Comédie Française. Sie verkehrte jedoch weiterhin in den Pariser Salons, pflegte Kontakte zu den bedeutendsten Intellektuellen der Zeit wie Denis Diderot oder D’Alembert und nutzte ihre Zeit verstärkt zu umfassender Lektüre sowie zur Erweiterung ihrer naturwissenschaftlichen Sammlung.
Im Herbst 1770 lernte Clairon den 13 Jahre jüngeren Markgrafen Alexander von Ansbach-Bayreuth in ihrem Pariser Salon kennen. Das Angebot des Markgrafen, an seinem Hof zu leben, nahm sie gerne an, denn nach dem Ende ihrer glänzenden Schauspielkarriere blickte sie einer finanziell unsicheren Zukunft entgegen. Für den Markgrafen bestand der Reiz der gefeierten Tragödin vor allem darin, dass sie für ihn die französische Kultur verkörperte, die er gerne verinnerlichen wollte. 1773 zog Clairon nach Ansbach, wo sie den Markgrafen zunächst beim Aufbau der Schlossbibliothek unterstützte. Zum Missfallen der Minister und der Landesverwaltung nahm sie aber auch offizielle Verpflichtungen wahr und versuchte, durch Reformen Einfluss auf das Staatsleben zu nehmen. So wurden beispielsweise die gefährlichen und kostspieligen Parforcejagden auf ihr Betreiben hin abgeschafft oder katholische Gottesdienste in Ansbach offiziell geduldet.
Auch wenn Hippolyte Clairon vom Markgrafen nur eine bescheidene Besoldung erhielt, waren ihre äußeren Lebensumstände in Ansbach durchaus beeindruckend, so dass sie von Voltaire auch scherzhaft „la princesse baireuth“ genannt wurde. Sie wohnte im Weißen Schloss in Triesdorf, dem markgräflichen Landsitz, und beschäftigte zwei Maîtres d’hôtel, einen Kammerdiener, fünf Lakaien, mehrere Zofen und eine französische Köchin. Sie tauschte Einladungen mit Hofdamen aus und war – nach eigenen Angaben – ein selbstverständlicher Gast beim Souper der Markgräfin Friederike Caroline.
Bald jedoch wich der anfängliche Enthusiasmus Clairons einer zunehmenden Ernüchterung. Sie litt unter dem raueren Klima und der deutschen Küche, vermisste ihre Pariser Freunde und hoffte vergeblich, eine französische Schauspieltruppe nach Ansbach holen zu können. Auch klagte sie über die schlechten Französischkenntnisse und den Mangel an leichter Lebensart beim fränkischen Adel.
„Am Hof gibt es kaum ein Dutzend Leute, die sich auf Französisch unterhalten können, und alle anderen verstehen kein Wort. (…) Den Frauen dieses Landes fehlt es an Anmut, (…). Sauberkeit ist nicht ihr Element.“
Hippolyte Clairon, 1774
Hippolyte Clairon war der Pariser Salonkultur während ihrer Ansbacher Zeit weiterhin verbunden und unternahm – teilweise in Begleitung des Markgrafen – mehrfach lange Reisen in ihre Heimat. Das Verhältnis zu ihm verschlechterte sich 1786, als Markgraf Alexander eine Beziehung mit der Engländerin Lady Elizabeth Craven einging. Hatte sie davor einige andere seiner Mätressen stillschweigend hingenommen, war Clairon in ihren Gefühlen tief verletzt, als der Markgraf sie für die junge, selbstbewusste Aristokratin, die getrennt von ihrem Ehemann lebte, verließ.
„Von nun an beabsichtige ich, auf Ihre Zustimmung und sogar, wenn ich es für richtig halte, auf Ihre Begleitung zu verzichten. Ich war zu lange unter Ihrer Vormundschaft.“
Markgraf Alexander von Ansbach-Bayreuth, um 1786
Hippolyte Clairon zog Ende des Jahres 1786 nach Issy bei Paris, wo der Markgraf noch wenige Monate davor zusammen mit ihr ein Haus erworben hatte. Ihre Enttäuschung verarbeitete sie in ihren Mémoiren, die sie veröffentlichte, und mit denen sie pikante Einblicke in ihr Privatleben und die Zeit am Ansbacher Markgrafenhof gab. In einem letzten Brief an den mittlerweile verwitweten Markgrafen im Jahr 1791 führte sie ihm seine Verantwortungslosigkeit vor Augen, nachdem dieser seine Fürstentümer Ansbach und Bayreuth an Preußen abgetreten hatte, um mit Lady Elizabeth Craven ein Leben in England zu führen. Vielleicht war es eine späte Genugtuung für Clairon, dass Craven – trotz adeliger Herkunft und Heirat mit dem Markgrafen – als seine vormalige Mätresse nie die erhoffte gesellschaftliche Anerkennung erfuhr.
In ihren letzten Lebensjahren machte sich Hippolyte Clairon vor allem einen Namen als Autorin theoretischer Schriften zur Schauspielkunst und bewegte sich weiterhin in ihren gewohnten intellektuellen Kreisen. Am 29. Januar 1803 verstarb sie in Paris.
Literatur
Maren Isabell Schmidt-von Essen, Mademoiselle Clairon. Verwandlungen einer Schauspielerin, Frankfurt am Main, 1994.
Arno Störkel, Christian Friedrich Carl Alexander. Der letzte Markgraf von Ansbach-Bayreuth, Ansbach 1995.