Mannheim, Schwetzingen und München – geliebt oder nicht – das sind Orte, die man mit Kurfürst Karl Theodor (1724-1799) verbindet. Aber Neuburg an der Donau? Doch nicht nur als Residenzstadt des Fürstentums Pfalz-Neuburg, das zum Herrschaftsgebiet Karl Theodors zählte, lässt sich Neuburg mit dem Kurfürsten in Zusammenhang bringen, Karl Theodor hinterließ hier auch vielfältige Spuren.
Zunächst zur Vorgeschichte – eine Reihe von Todesfällen und eine Vollwaise
Kurfürst Karl III. Philipp von der Pfalz (1661-1742) hatte, obwohl er dreimal – zweimal mit polnischen Fürstentöchtern, zuletzt mit einer Gräfin von Thurn und Taxis – vermählt war, nur eine einzige überlebende Tochter aus erster Ehe. Damit war mindestens ihm schon frühzeitig klar, dass mit ihm die Hauptlinie der Herzöge von Pfalz-Neuburg aussterben wird. Deshalb verheiratete er vorausschauend seine Tochter mit Joseph Karl Emanuel (1694-1729), dem Erbprinzen von Pfalz-Sulzbach, einer Wittelsbacher Nebenlinie, und band so dieses 1656 abgespaltene Fürstentum wieder an Neuburg. Als dann dieser Schwiegersohn sowie dessen jüngerer Bruder und Nachfolger Johann Christian (1700-1733) früh verstarben, erwählte Karl III. Philipp den damals achtjährigen Erben und Vollwaisen Karl Theodor zu seinem Nachfolger.
Karl Theodor hatte bereits im Alter von vier Jahren seine Mutter verloren, die bei der Geburt eines weiteren Kindes zusammen mit diesem verstorben war. Von seiner Mutter erbte er – als unbedeutendes Prinzchen geboren – die Markgrafschaft von Bergen op Zoom. Mit dem frühen Tod seines Onkels und seines Vaters war Karl Theodor dann bereits im Kindesalter Herzog von Pfalz-Sulzbach. Karl III. Philipp ließ den Knaben aus dessen Heimat in der Nähe von Brüssel in seine Residenzstadt bringen und von den Jesuiten zum künftigen Kurfürsten erziehen. Außerdem plante Karl III. Philipp die Hochzeit seiner Enkelin Elisabeth Auguste (1721-1794), die aus der Ehe seiner einzigen Tochter mit Karl Theodors Onkel stammt, mit seinem Ziehsohn und sicherte damit die Erbfolge für seine Lande.
Eine politische Hochzeit, große Hoffnungen und doch wenig Glück
Im Vorfeld der geplanten Hochzeit ließ Karl III. Philipp für das junge Paar einen Trakt im barocken Ostflügel des Neuburger Schlosses neu ausstatten und mit seinen schönen, noch heute erhaltenen Stuckdecken des Rokoko versehen – schließlich sollten die Frischvermählten hier für die Erbprinzenzeit Wohnung beziehen.
Im sogenannten Malerei-Kabinett zeigt das von Karl III. Philipp beauftragte Deckengemälde, welche Hoffnungen in diese Ehe gesetzt wurden: Im Zentrum thront auf Wolken Providentia divina, die göttliche Vorsehung – sie hat das Paar zusammengeführt. Ihr Gnadenstrahl fällt auf zwei brennende Herzen als Symbol der ehelichen Verbindung von Karl Theodor und Elisabeth Auguste. Die beiden Herzen hält Palatina, die Allegorie der Kurpfalz, dargestellt mit Hermelinmantel, Kurhut und dem pfälzischen Wappen zu ihren Füßen. Die Ehe soll zum Wohl der Kurpfalz dienen und den Fortbestand der Dynastie sichern. Gegenüber verkündet Fama den Ruhm des jungen Fürsten – auf ihrem roten Fanfarentuch steht in glänzend goldenen Buchstaben „Vivat CT“, also: Es lebe Karl Theodor!
Diese lang geplante Hochzeit des gerade erst 17-jährigen Karl Theodors fand dann am 17. Januar 1742, dem 21. Geburtstag der Braut, in Mannheim statt. Da der Drahtzieher Karl III. Philipp jedoch bereits im Jahr der Hochzeit an Sylvester starb, wurde nichts daraus, dass das Paar in Neuburg einziehen konnte. Karl Theodor übernahm am Neujahrstag 1743 mit seinem Regierungsantritt nun auch als Kurfürst von der Pfalz und Herzog in Pfalz-Neuburg, Jülich und Berg die Residenz seines Vorgängers in Mannheim.
Doch auch aus den Hoffnungen für die Ehe wurde nicht viel: die Ehe des Kurfürstenpaares war glücklos und blieb ohne Erben. Nach über 19 Jahren Ehe kam zwar im Juni 1761 endlich der lang ersehnte Stammhalter zur Welt, verstarb jedoch bereits am Tag nach seiner Geburt.
Spätestens seitdem lebte Elisabeth Auguste getrennt von ihrem Mann in Oggersheim. Doch auch vorher schon prägten Liebhaber und Mätressen auf beiden Seiten die Ehe. Am pikantesten dürfte sein, dass Elisabeth Auguste eine langjährige Affäre mit dem bayerischen Herzog Clemens Franz (1722-1770) hatte, wovon über hundert Briefe zeugen. Dieser Clemens Franz war zum einen der Ehemann ihrer Schwester, zum anderen aber als Enkel des bayerischen Kurfürsten Max Emanuel in Anbetracht der kinderlosen Ehe des bayerischen Kurfürsten Max III. Joseph Thronanwärter auf den bayerischen Thron. Da Clemens Franz bereits 1770 verstarb, erbte Karl Theodor …
Doch zurück nach Neuburg – einen Besuch ist es immer wert
Die Neuburger Residenz diente Karl Theodors Stiefmutter Eleonore Philippine (1712-1759) bis zu ihrem Tod als Witwensitz.
Für den inneren Torbogen stiftete Karl Theodor ein Ziergitter mit seinem Wappen. Er selbst und seine Frau kamen erstmals 1752 zu einem längeren Aufenthalt nach Neuburg, worauf das Allianzwappen am Residenztor verweist.
Im Vorfeld dieser Reise ließ Karl Theodor die rund 80 Jahre zuvor errichteten Neuburger Schlossgrotten renovieren. Zur höfischen Belustigung waren die Schlossgrotten mit Effekten und künstlichen Wasserspielen ausgestattet, welche die Gäste aus Figuren, Ornamenten und Bodenöffnungen unvermutet mit Wasser bespritzten. Diese Wasserspiele waren bis ins 19. Jahrhundert funktionsfähig, was wohl der Renovierung durch Karl Theodor zu verdanken war. An diese Maßnahme erinnern in zwei Lünetten der großen Grottenhalle die mit Muscheln gestalteten Initialen CPT für Carl Philipp Theodor und EMAA für seine Gemahlin Elisabeth Maria Aloysia Auguste mit der Jahreszahl 1747.
Die vier Relieftondi aus Stuck in der Höhle des Pan gehören zu einem Zyklus der vier Jahreszeiten und Elemente und gehen ebenfalls auf Karl Theodors Renovierungskampagne zurück, ebenso das dortige Parkett – was wohl eindeutig der besseren Akustik für die Hofmusik diente.
Nach dem Bau einer schnurgeraden barocken Straße zwischen den Schlössern Neuburg und Grünau ließ Karl Theodor auch das ab 1530 errichtete Schloss Grünau, etwa 7 km östlich von Neuburg, in Stand setzen, wie eine dortige Inschrift mit Chronogramm aus dem Jahr 1751 außen am Torturm zeigt.
Dort hielt Karl Theodor große Jagdgesellschaften ab. Außerdem veranlasste Karl Theodor ab 1790 mit der Trockenlegung und Besiedlung des altbayerischen Donaumooses südlich von Neuburg die größte Neulandgewinnung in Bayern seit dem Mittelalter durch ein 250 km langes Kanalnetz, was die Region bis heute prägt.
Bald entstand im ursprünglich größten bayerischen Niedermoor die erste Kolonistensiedlung im Donaumoos, die nach dem Landesherrn ihren Namen „Karlskron“ erhielt. Der Kurfürst nahm am 26. Mai 1794 den Fortschritt der Mooskolonisation persönlich in Augenschein, woran eine Gedenktafel am Rathaus in Karlskron erinnert. Für sein uneheliches Töchterchen Maria Walburga von Warenberg (1790-1797) erwarb Karl Theodor in der Nähe Gründe im Donaumoos und ließ dort vier Höfe errichten. Das Gebiet wurde seinem Zweck folgend „Brautlach“ (heute Ortsteil von Karlshuld) genannt, erhielt 1795 die Niedergerichtsbarkeit und wurde 1796 zur Hofmark erklärt, was aber nach dem frühen Tod des Mädchens wieder rückgängig gemacht wurde. Auch das benachbarte „Karlshuld“ wurde nach Karl Theodor benannt. Ebenso verweist der Ortsname „Neuschwetzingen“ auf den Kurfürsten und seine Sommerresidenz in Schwetzingen.
Doch nicht nur 1752 und 1794 war Karl Theodor in der Gegend. Er stattete ihr weit häufiger Besuche ab. So kündigte Carl Theodor von Gottes Gnaden Pfalzgraf bey Rhein, des heiligen Römischen Reichs Erzschatzmeister und Churfürst in Bayern, zu Jülich, Cleve und Berg, Herzog Fürst zu Mörs, Marquis zu Bergen-Opzoom etc. am 22. Januar 1771 eigenhändig aus Mannheim an: Wir seind gnädigst entschloßen, eine Reyß nacher Neuburg zu machen und diese unter Göttlicher Leithung den 18. Tag nächsten Monats Februarii anzutretten … Also – auf nach Neuburg!
Impressionen aus Schloss Neuburg