Von Tanja Kohwagner-Nikolai und Olga Reks //
Ob Maskenbälle, Festumzüge, Reiterspiele oder Theateraufführungen – kaum eine höfische Festlichkeit kam ohne Kostüme aus. Der Bayreuther Hof bildete hier keine Ausnahme. Obwohl eine große Zahl an Aufführungen überliefert ist, haben sich wohl aufgrund eines Brandes 1753 keine Kostüme, sondern nur zwei Inventare aus den Jahren 1716 und 1720 erhalten. Sie berichten detailliert über die Art der Verkleidungen und die dafür verwendeten, oft prächtigen Stoffe und Materialien. Johann Meßelreuter, der über 30 Jahre lang den markgräflichen Kostümfundus in Bayreuth hütete, veröffentlichte 1723 das Buch „Neu-eröffneter Masquen-Saal (…)“, das über 200 Kostüme für unterschiedliche Gelegenheiten zeigt. Auf Grundlage dieser Kupferstiche, der Inventare sowie kostümhistorischer Forschungen und auch anhand originaler Kostüme entstanden für das Markgräfliche Opernhaus: Welterbe & Museum drei Kostümrekonstruktionen: die antike Prinzessin Penelope sowie die Elemente Feuer und Wasser. Dazu gehören auch die entsprechenden Perücken.
Perücken und Puder gehören im Barock unabdingbar dazu – sowohl zum Theater als auch zur adeligen Gesellschaft allgemein. Die feine Gesellschaft verzichtete damals bei der Körperpflege weitgehend auf die Verwendung von Wasser: Sich am ganzen Körper zu waschen war unüblich, ja galt sogar als unschicklich und vor allem gesundheitsschädlich. So wurde das Gesicht üblicherweise morgens nur mit einem wasser-, brandwein- oder rosenwassergetränkten Tuch abgerieben. Gegen Körpergeruch versuchte man, mit korrigierenden Duftmitteln anzukämpfen. Beim Schminken wurde das Gesicht weiß abgedeckt. Hier ein Rezeptbespiel für ein solches Weiß:
„Ein halbes Pfund guter weißer Bleizucker [Blei(II)acetat] wird in zwei Maaß kochenden destillirten Wasser gelöst und die Flüssigkeit auf ein Filtrum gebracht, damit sie recht hell ablaufe. Nun verfertiget man sich eine Auflösung von Potasche in reinem Wasser, und filtrirt sie ebenfalls. Jetzt tröpfelt man von der Potaschenauflösung in die Auflösung des Bleizuckers so lange, bis kein weißer Niederschlag entsteht, läßt diesen setzen, gießt die darüber stehende Flüssigkeit ab, übergießt den Niederschlag mit frischem Wasser und wiederholt dieses acht und mehrere Male. Endlich bringt man ihn auf ein Filtrum von weißem Druckpapier, und trocknet ihn im Schatten.“
Das weiße Schminken des Gesichts war jedoch für Damen und Herren mehr als nur Mode. Zwar schadete das verwendete Bleiacetat der Haut, aber das war meist egal. Denn mit der weißen Schminke konnten Hautunreinheiten, Pockennarben und andere Schönheitsfehler kaschiert werden – und weißer Bleizucker deckte wenigstens gut. Die zeitgenössischen Rezepturen erwähnen für weiße Schminke meist die Pulverform, weil Cremes ohne Konservierungsstoffe bzw. Kühlung zum Ranzigwerden oder Schimmeln neigten. Pulver wird zwar nicht schlecht, aber es staubt. Daher wurden weiße Schminken mit Hilfe eines Bindemittels zu einem Teig gemischt, zu Kügelchen gerollt und getrocknet.
„Will man sich derselben bedienen, so verfährt man dabei auf folgende Art. Man muß erstlich eine gute Pommade bereiten. Nun nimmt man die kleinen getrockneten Kügelchen der weißen Schminke, thut davon in ein kleines Büchschen von Porcellain, zerreibt es mit einem kleinen gläsernen Löffel und setzt von der Pommade hinzu, und such alles auf das genaueste zu vereinigen. Wenn man es braucht, so streicht man davon ins Gesicht, vertheilt es gleichförmig, und wischt es mit Fließpapier ab. Dadurch erhält das Gesicht den Glanz, und ist jetzt in den Stand gesetzt, das Roth aufzunehmen.“
Wangen und Lippen wurden also rot gefärbt. Auch für die Herstellung von Rouge gibt es zeitgenössische Rezepte wie dieses, dessen Basis der Karminfarbstoff aus den Cochenilleschildläusen bildet:
„Man nimmt zwei Unzen gepulverte Cochenille, läßt sie in einem reinen zinnernen Kessel mit 4 Maaß destillirten Wasser, oder auch blos Regenwasser 5 Minuten lang kochen; das Wasser muß aber vorher zum Kochen gebracht seyn, ehe man die Cochenille darein thut. Nun setzt man eine Drachme gepulverten römischen Alaun hinzu, nimmt den Kessel vom Feuer, und gießt die Brühe durch ein Tuch in eine saubere Porcelainschaale. Man setzt diese an einen kalten Ort, und bedeckt sie mit Fließpapier. Nun setzt man etwa alle 2 Stunden zwei Tropfen Zinnauflösung hinzu, so daß sechszehn Tropfen Zinnauflösung hinein kommen, und läßt alles einige Tage stehen. Nach Verlauf dieser Zeit wird sich der Carmin auf den Boden und an den Seiten des Gefäßes abgesetzt haben. Man gießt nun behutsam das Klare davon ab, läßt den Carmin im Gefäße trocken werden, und kehrt ihn mit einer reinen Feder auf ein geglättetes Papier.“
Bei Hof galt ein starker Kontrast zwischen Weiß und Rot als vorbildlich, auf der Bühne wurde er weiter verstärkt und sorgte so für weithin sichtbare Mimik.
Dazu trugen Groß und Klein der obersten Gesellschaftsschicht nach französischer Mode Perücken je nach finanziellen Mitteln aus Menschen-, Ziegen- oder Pferdehaar, die man mit einem je nach Mode weißen oder grau, lila, gelb und blau gefärbten Puder überstäubte:
„Man nehme ein Pfund der feinsten Stärke [Die Basis aller Poudres ist gewöhnlich Stärke (amylum) aus Waizen bereitet. Sie muß sehr weiß, locker, trocken und fein seyn, und durchaus keinen Geruch besitzen.], zwei Unzen florentinische Violenwurzel, mache alles zum feinsten Pulver …“
Damit dieser Puder nicht bei jeder noch so kleinen Bewegung von der Perücke auf Schultern und Kostüme niederrieselte, wurden wohlriechende Öle zugesetzt oder die Perücken durch Pomaden gefestigt, wobei Walrat – auch Spermazeti, Weißer Amber oder Cetaceum genannt – eine weiße bis leicht gelbliche, wachsähnliche Substanz aus dem Kopf bzw. Hohlräumen unter der Haut von Pottwalen eine gleichermaßen wichtige wie kostspielige Zutat war:
„Man lasse in einer zinnernen Pfanne eine Drachme weißes Wachs, 2½ Drachme Wallrath und zwei Unzen frisches Mandelöl bei gelinden Feuer schmelzen, entferne das Gefäß vom Feuer, und rühre es stark durcheinander, bis es zu erkalten anfängt, dann setze man tropfenweise eine Unze Rosenwasser hinzu, welches man durch starkes Durcheinander-Reiben damit zu vereinigen sucht.“
Diese Rezepte finden sich beispielsweise in dem Buch von Johann Bartholomäus Trommsdorff „Kallopistria, oder die Kunst der Toilette für die elegante Welt. Eine Anleitung zur Verfertigung unschädlicher Parfüms und Schönheitsmittel, Pulver, Pommaden, Schminken, Pasten, aromatischen Bädern und aller hierher gehörigen Mittel, welche dazu dienen, die Schönheit zu erhöhen, zu erhalten, oder herzustellen. Erfurt 1805“. Auf dergleichen authentische Rezepturen haben wir bei unserem Workshop aus vielerlei – sicher nachvollziehbaren – Gründen verzichtet. Schließlich sollen die Studierenden des Studiengangs Maskenbild der Theaterakademie August Everding in München lernen, mit modernen Mitteln Makeup und Perücken für Theater und Bühne zu schaffen, deren Optik den barocken Vorbildern so nah wie möglich kommen – ohne die Gesundheit von Schauspielerinnen und Schauspielern zu gefährden.
So hatten die Studierenden des Studiengangs Maskenbild zum Abschluss des ersten Studienjahres die einzigartige Möglichkeit, in die Welt des Barocks und Rokokos einzutauchen und auf der Bühne des Markgräflichen Opernhauses und der Museumsbühne in die Rollen der höfischen Damen zu schlüpfen. Dazu wurden im Vorfeld in der Werkstatt die Perücken vorbereitet. Ziel war es, dass die zukünftigen Maskenbildnerinnen so viel wie möglich selbst gestalten. Dabei war es eine wichtige Aufgabe, die Quellen zu analysieren, eigene Interpretationen zu entwickeln und diese mit historischer Ästhetik zu verbinden. Es wurden extra Perückenunterbauten und Haartressen hergestellt. Selbst die Kunstblumen aus Seide sind von Hand gemacht. So hat die Gestaltung der Frisuren einige Wochen in Anspruch genommen und Stück für Stück wurde eine vergangene Epoche zum Leben erweckt!
Es ist sehr faszinierend, die Entwicklung der Mode in der Menschengeschichte zu betrachten. Noch faszinierender ist es, die Epochen zu analysieren und dann nachzugestalten. Eine großartige Unterstützung leistete die Dozentin für Kostümgeschichte und Stilkunde, die Bühnen- und Kostümbildnerin Monika Gora, mit wunderbar passenden historischen Kleidern aus dem Fundus des Theaters Niedersachsen.
Sie unterstützte uns dann auch beim Workshoptag in Bayreuth, wo immer eine helfende Hand notwendig war, denn in Bayreuth ging es dann erst richtig los: bereits am Vortag wurde alles angeliefert und die Garderobe eingerichtet. Am nächsten Morgen starteten wir früh, die ersten Haare mussten „verräumt“ werden, denn die Studentinnen waren Maskenbildnerinnen und Model in einem. Was sie dabei erlebt haben, berichten sie am besten selbst – links stehen immer die Kommentare der jeweiligen Maskenbildnerin, die nur teileweise zu sehen sind, rechts (oder unter einem großen Bild) äußert sich das Model.
Solche Projekte sind von unschätzbarem Wert für die Ausbildung im Bereich Maskenbild und Theater, da sie die theoretischen Kenntnisse mit praktischen Fähigkeiten und Erfahrungen verbinden.
Abschließend bedanken wir uns ganz herzlich bei allen, die diesen Workshop ermöglicht haben!