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Elisabeth von Brandenburg: Ziehmutter, Lehrerin, Politikerin. Eine tatkräftige Herzogswitwe aus dem Haus der Zollern

Ein Gastbeitrag von Melina Wießler (Stadtmuseum Nürtingen) im Rahmen des Projekts „WIRKSAM. Frauennetzwerke der Hohenzollern im Spätmittelalter“ //

„Ich laß euch wissen, das ich zu hauß bin zogen gen Nurtingen, und volt fast gern, das ir einmall kemt und beseth, wie ich hauß hilt“, schrieb Elisabeth von Brandenburg im Winter 1499 nicht ohne Stolz an ihren Bruder, Markgraf Friedrich von Brandenburg. Der Brief ging an die fränkische Residenz in Ansbach; gerade erst hatte sie das Nürtinger Schloss, ihren Witwensitz, bezogen. In den folgenden 25 Jahren machte sie ihn für einige ihrer Nichten und Neffen zum geliebten Zuhause.

nürtingen stadtansicht

Kiesersches Forstlagerbuch. Eine der ersten glaubwürdigen Darstellungen Nürtingens stammt aus dem 17. Jahrhundert. Das Schloss neben der Stadtkirche hat da sein mittelalterliches Aussehen bereits verloren. Nürtingen, Andreas Kieser, 1683; Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 107/7 Bd. 5 Bl. 5 Bild 1

Der schwierigen, von zahlreichen Konflikten geprägten Ehe mit dem rücksichtslosen, verschwenderischen Grafen Eberhard VI. von Württemberg entkommen, konnte Elisabeth in Nürtingen freier über ihr Leben entscheiden als je zuvor. Hier war sie nicht länger dem Willen ihres Mannes ausgeliefert und auf den Beistand ihrer hohenzollerischen Familie angewiesen: Ihr Vater hatte sie jahrelang unterstützt und beraten, ihre Brüder hatten sie aus der sich zuspitzenden Lage in der Stuttgarter Residenz befreit und zu ihrer Stiefmutter ins fränkische Neustadt an der Aisch gebracht. Dort kam sie für ein Jahrzehnt unter. Indessen stellte sich Eberhard, inzwischen zum Herzog aufgestiegen, als völlig ungeeignet für die Regierung Württembergs heraus und wurde abgesetzt. Herzog Ulrich, sein Nachfolger, gestand Elisabeth zu, dass sie ihren Nürtinger Witwensitz vorzeitig beziehen durfte, noch zu Eberhards Lebenszeiten.

Stadtmuseum Nürtingen

Prominent: Die Sonderausstellung „Elisabeth von Brandenburg. Eine Hohenzollerin im Nürtinger Schloss“ dreht sich um die fürstliche Witwe, ihr Herkommen und ihr Leben in Ansbach, Stuttgart und vor allem Nürtingen. Foto: Stadtmuseum Nürtingen.

Recht bald darauf muss Elisabeth mit ihrem Bruder Friedrich vereinbart haben, einige seiner Kinder bei sich aufzuziehen. Schon 1500 schickte er seine sechsjährige Tochter Elisabeth nach Nürtingen, wenige Jahre später ihre Brüder Johann und Friedrich. Mit deren Aufnahme verhinderte die Herzogin, als Witwe in Einsamkeit und Bedeutungslosigkeit zu versinken. Ihre Ziehtöchter und -söhne boten reichlich Anlass, mit ihrem Bruder und dessen Frau Sophia von Polen, in engem und herzlichem Kontakt zu bleiben: Sie tauschten sich in ihren Briefen über „unnsere kinder hern und frawen“ aus.

Neben den dreien nahm Elisabeth von Brandenburg eine weitere, noch jüngere Nichte bei sich auf: Apollonia, eine Tochter ihrer Schwester Elisabeth, die mit einem Grafen von Henneberg verheiratet war.

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Elisabeths Neffen, Friedrich von Brandenburg und Johann von Brandenburg, sind im Markgrafenfenster im Chor der St. Sebald-Kirche in Nürnberg abgebildet. Foto: Nilaxus/CC BY-SA 4.0

Elisabeth sorgte nicht nur für das Wohlergehen der Kinder, sondern auch für deren Ausbildung und legte damit Grundsteine für ihre Zukunft. Ihrem Bruder Friedrich schrieb sie 1503, sie habe die Jungen „uff die schul“ gegeben. Der wiederum ermahnte diese brieflich: „das ir volget derselben unser lieben swester underricht“. Offenbar unterrichtete Elisabeth die Kinder zusätzlich selbst. Johann und Friedrich waren für eine kirchliche Laufbahn vorgesehen und wurden entsprechend ausgebildet. Der ältere, Johann, wechselte allerdings aus eigenem Willen heraus in den Dienst des Kaisers. Den 12-jährigen Friedrich schickte Elisabeth nach Meersburg, wo ihn der Bischof von Konstanz weihte. Während alle Kinder Lesen und Schreiben zu meistern hatten, zog Elisabeth die Mädchen darüber hinaus „in aller zucht und gueten geberden“ auf. Dazu gehörten von Frauen erwartete Fähigkeiten, etwa Handarbeit und Personalführung. Sie bezog ihre Nichte Elisabeth in die Nachwuchsförderung am Hof ein: Gemeinsam vermittelten sie die Kinder der Nürtinger Bediensteten zur Ausbildung an die Höfe der hohenzollerischen Verwandten.

Eine entscheidende Rolle für die Zukunft der Mädchen spielte Elisabeth mit Blick auf deren Verheiratung – freilich für jede auf eigene Weise, die kaum unterschiedlicher sein könnte.

apollonia gottfried Wildensteiner Altar

Der Wildensteiner Altar zeigt die Stifter, Gottfried Werner von Zimmern, und seine Frau, Apollonia. Meister von Meßkirch, 1536, Staatsgalerie Stuttgart, Inv.-Nr. 3820.

Ungewöhnlich selbstbestimmt heiratete Apollonia: Die Zimmerische Chronik berichtet in spektakulärer Weise von diesem Ereignis. Freiherr Gottfried Werner von Zimmern gehörte zum Gefolge des württembergischen Herzogs Ulrich und begleitete diesen auf seinen Besuchen bei Elisabeth oder auf den Jagden, zu denen Ulrich sie mit ihrem Frauenzimmer gelegentlich einlud. Dort begegneten sich der Freiherr und die 17 Jahre jüngere Apollonia. Als ein Unwetter das gesellige Beisammensein nach dem Abendessen im Frauenzimmer über die übliche Dauer hinaus verlängerte, sollen sich die beiden heimlich die Ehe versprochen haben. Ihr Gelöbnis machte das Paar erst zwei Jahre später bekannt. Elisabeth benachrichtigte daraufhin Apollonias Vater, Graf Hermann VIII. von Henneberg-Aschach-Römhild. Dieser schickte eine Gesandtschaft nach Nürtingen, um seine Tochter zu sich zu holen, die immerhin im Begriff war, nicht standesgemäß zu heiraten. Das vereitelten Elisabeth und Herzog Ulrich allerdings: Erstere verhinderte den Zugang zum Schloss, nachdem Apollonia sich weigerte mitzugehen. Letzterer schickte, so die Chronik, seinen Gefolgsmann Dietrich Speth mit 200 Pferden nach Nürtingen, um einer möglichen List Graf Hermanns zuvor zu kommen. Wenige Monate später gelang es dem Freiherrn von Zimmern schließlich, seine Verlobte zu sich zu holen. Die Hochzeit fand 1511 in Meßkirch statt; Apollonias Vater erkannte die Ehe erst zehn Jahre später an.

Stadtmuseum Nürtingen Wirksam Frauenprojekt

Eine gegenständliche Überlieferung aus Elisabeths Leben ist nicht erhalten. Das posthum angefertigte Inventar dokumentiert die reiche materielle Ausstattung in Nürtingen. Foto: Stadtmuseum Nürtingen.

Sorgfältig geplant und von politischer Tragweite war hingegen die Heirat von Elisabeths gleichnamiger Nichte. Die alte Herzogin hatte erfahren, dass ihr Cousin, Christoph von Baden, einen seiner Söhne in die von den Wittelsbachern regierte Pfalz verheiratet hatte und sich damit von der Verbindung zu den Häusern Württemberg und Hohenzollern entfernte. Diese Entwicklung gefiel auch Kaiser Maximilian nicht. Eine entscheidende Rolle, dabei, dem etwas entgegenzusetzen, fiel den Frauen am Nürtinger Hof zu: Für einen anderen Sohn Christophs, Ernst von Baden, war die jüngere Elisabeth eine ideale Heiratskandidatin, eine Tochter des Hauses Hohenzollern. Diese Ehe konnte die alte Beziehung der mit dem Kaiser verbundenen Hohenzollern zur Markgrafschaft Baden wieder stärken. Geschickt stach die Ziehmutter Elisabeths Ernsts Konkurrenten in der Werbung um die Braut aus, darunter den von Herzog Ulrich geförderten Herzog Heinrich von Braunschweig.

In Bad Liebenzell handelten die Väter Friedrich von Brandenburg und Christoph von Baden mit der Herzogin 1510 den Ehevertrag aus. Dabei bewies letztere ihr Geschick: Ihr verdankte das Brautpaar dieselbe personelle Ausstattung, wie Christoph sie einem anderen Sohn zugestanden hatte. Um ihn zu überzeugen, erklärte Elisabeth sich bereit, das Paar und die wahrscheinlich in Nürtingen geborenen Kinder gegen ein Kostgeld aus Baden bei sich leben zu lassen. Auch Apollonia weilte nach der Heirat immer wieder in Nürtingen, wo ihre Tochter Anna Spielgefährtinnen in den badischen Töchtern Margarethe und Elisabeth fand, wie die Zimmerische Chronik es darstellt: „do hetten die drei frölin vil gespillschaft mit ainandern“.

grabtafel elisabeth von brandenburg

Von Elisabeth von Baden ist keine Darstellung bekannt: Lediglich die Bronzeauflage ihrer Grabtafel existiert noch. Ihr Grabmal und das ihrer Tante sind im 16. Jahrhundert zeichnerisch dokumentiert worden. Vermutl. Johann Steiner, 1583, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Cod.hist.fol.130.

Gerade einmal acht weitere Jahre hatte Elisabeth ihre geliebte Ziehtochter bei sich, als sie den frühen Tod der 24-Jährigen beklagen musste: Sie habe „das liebst mensch so wir uff ertrich [auf dem Erdreich] gehabt an ir liebe verlorn“. Die enge Bindung reichte über das Lebensende hinaus: Die jüngere Elisabeth bestimmte kurz vor ihrem Tod testamentarisch, sie wolle dort beigesetzt werden, wo ihre Tante einst bestattet werden sollte. Dem entsprach die Herzogswitwe in ihrem eigenen Testament: Sie sorgte dafür, dass ihre Ziehtochter im Chor der Stuttgarter Stiftskirche ihre letzte Ruhe fand und bestimmte ihre eigene Grabstätte dort, an ihrer Seite.

 


Sonderausstellung, „Elisabeth von Brandenburg. Eine Hohenzollerin im Nürtinger Schloss“ (25.05.2025–21.09.2025)

In der Nähe des Nürtinger Schlossbergs porträtiert das Stadtmuseum Nürtingen eine Frau aus dem Haus der Hohenzollern, die nach jahrzehntelanger konfliktreicher Ehe mit einem schwierigen Gatten als Witwe in Nürtingen neu gewonnene Freiräume aktiv nutzte und gestaltete.

Öffnungszeiten: Di, Mi, Sa 14.30-17 Uhr; So 11-18 Uhr


 

Alle Informationen zum Projekt „WIRKSAM. Frauennetzwerke der Hohenzollern im Spätmittelalter“ findet ihr auf unserer Webseite.

Titelbild: Markgräfin Elisabeth von Brandenburg-Küstrin, um 1530/40, Burg Trausnitz