Geheimnisse

Therese Kunigunde von Polen – Bayerische Regentin in Krisenzeiten

These Kunigunde Kurfürstin

Während der Spanische Erbfolgekrieg in Europa tobte und das bayerische Kurfürstentum eine der stürmischsten Phasen seiner Geschichte durchlebte, wurde Therese Kunigunde von Polen von ihrem ins Exil gezwungenen Gemahl, dem Kurfürsten Max Emanuel, mit der politischen und militärischen Regentschaft in Bayern betraut. Diese Entscheidung war außergewöhnlich, handelte es sich doch hier um keine Vormundschaftsregierung, wie an frühneuzeitlichen europäischen Fürstenhöfen üblich. Kurzum: So etwas hatte es in Bayern noch nie gegeben!

Therese Kunigunde wurde am 4. März 1676 im Schloss Wilanów nahe Warschau als Tochter des Königs Jan III. Sobieski und seiner Gattin Marie Casimire Louise de la Grange d´Arquien geboren. Sie wuchs am polnischen Hof auf, wo sie Sprachen (Französisch, Deutsch, Italienisch und Latein) lernte und nach den traditionellen Vorgaben der adeligen Bildung erzogen wurde; dazu gehörten unter anderem Frömmigkeit, Armenfürsorge, Treue und Unterordnung gegenüber dem Gemahl sowie eine gewisse Selbstständigkeit und Initiative in administrativen Belangen.

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François de Troy, Therese Kunigunde als Braut, ca. 1695, Lviv National Art Gallery.

Insbesondere letztere sollten ihr später zugutekommen. Jung und von reizendem Aussehen, katholisch, gebildet, vielsprachig und vor allem reich, verkörperte die achtzehnjährige Therese Kunigunde alle Eigenschaften, um die Frau eines der wichtigsten Reichsfürsten der Zeit zu werden: des Türkensiegers Max Emanuel von Wittelsbach, Kurfürst von Bayern (1662–1726).

Dieser suchte nach einer unglücklichen Ehe mit Maria Antonia von Österreich, die 1692 an den Folgen einer Entbindung verstorben war, eine neue Gemahlin. Die polnische Prinzessin scheint von Anfang an die Favoritin gewesen zu sein und diese Wahl fand auch – worauf Max Emanuel nämlich zu achten hatte – den Konsens der damals dominierenden politischen Mächte in Europa (Österreich, Spanien und Frankreich). Ein einziger Schatten lag über dem harmonischen Projekt: da Therese Kunigunde Tochter eines gewählten und nicht eines geborenen Königs war, befürchtete Max Emanuel, dass eine solche Verbindung eine Art Abstieg seiner Dynastie und Beschädigung seiner Vorrechte als Reichsvikar des Heiligen Römischen Reiches bedeuten könnte.

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Henri Gascar, Max Emanuel vor Belgrad, 1689, München, BStGS – Alte Pinakothek.

Doch die politischen Vorteile, die Schönheit der Prinzessin – über die der Kammerdiener Dulac dem Kurfürsten ausdrücklich referierte – und ihre üppige Mitgift (500.000 Reichstaler!) überwogen alle Bedenken.

Am 19. August 1694 wurde die Vermählung per procura in Warschau vollzogen. Erst am 30. Dezember 1694 traf sich das Brautpaar persönlich bei Wesel am Rhein. Den Quellen nach hat Max Emanuel dafür todesmutig mitten im Winter den zugefrorenen Fluss überquert. Die Trauung erfolgte am 2. Januar 1695 in Brüssel, wo Max Emanuel seit 1691 als Generalstatthalter der Spanischen Niederlande residierte.

Therese war zunächst von dem Aussehen ihres Gemahls enttäuscht, änderte aber ihre Meinung, war sie doch schnell verzaubert von dessen charmanten Manieren: «Wie er mich entzückt! Und er ist sehr gut gelaunt und so lustig, wie der älteste Prinz [Jakub Ludwig Sobieski]» schrieb sie am 17. Februar 1695 ihrem jüngeren Bruder Alexander Sobieski.

Die ersten Ehejahre schienen glücklich zu verlaufen, doch bald traten Schwierigkeiten auf. Am Brüsseler Hof zeigte sich Therese Kunigunde zurückgezogen bezüglich des Hoflebens und der damit verbundenen Etikette: Sie widmete sich lieber karitativen und religiösen Aufgaben und beschäftigte sich intensiv mit der medizinischen Heilkunst. Sie bevorzugte die französische Sprache anstatt der deutschen und kleidete sich weiterhin nach polnischer Mode. Hinzu kam die Treulosigkeit Max Emanuels, der 1695 von seiner einflussreichen französischen Mätresse Agnes François Le Louchier (Gräfin von Arco) einen Sohn bekam. Aufgrund dieser Beziehung wurde der Brüsseler Hof Zeuge wütender Eifersuchtsszenen seitens der Kurfürstin. Die anhaltende Einmischung ihrer verwitweten Mutter Marie Casimire führte letztendlich aber immer wieder zur Versöhnung der Eheleute. Was die Nachkommenschaft betrifft, so kann man feststellen, dass es für die Wittelsbacher Dynastie eine erfolgreiche Verbindung war: Therese schenkte Max Emanuel zehn Kinder (darunter der spätere Kurfürst und Kaiser Karl VII. [1697–1745] und der Erzbischof und Kurfürst von Köln Clemens August [1700-1761]).

Johann Andreas Wolff Kurfürstin Therese Kunigunde

Johann Andreas Wolff, Bildnis der Kurfürstin Therese Kunigunde, 1704, Schloss Nymphenburg.

Unterdessen wurde Europa durch den Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges erschüttert: Max Emanuel stellte sich auf die Seite des Sonnenkönigs Ludwig XIV. und damit gegen die Allianz von Österreich, England und den Niederlanden.

Die Besetzung der Spanischen Niederlande zwang die fürstliche Familie im Mai 1701 zur Rückkehr in die Residenzstadt München, was Therese schon lange ersehnt hatte. Während Max Emanuel auf dem Schlachtfeld kämpfte, nahm sie am Münchner Hof eine immer bedeutendere Rolle ein und wurde in einer Zeit großer Unsicherheit zum Symbol und zur Garantin der politischen und dynastischen Kontinuität für das Kurfürstentum Bayern.

Die bisher der Politik gegenüber eher zurückhaltende Kurfürstin konnte nicht ahnen, welche harte Prüfungen ihr in den nächsten Jahren bevorstanden. In Folge der katastrophalen militärischen Niederlagen von Schellenberg (2. Juli 1704) und Höchstädt (13. August 1704) floh Max Emanuel ins französische Exil und entschloss sich, seiner Gattin die politische und militärische Macht zu übertragen. Dies führte nun dazu, dass am 17. August 1704 das Kurfürstentum Bayern erstmals eine Regentin bekam.

Während der kriegerischen Zeit litt Bayern unter Einfällen und Plünderungen und das Volk war mit Hunger und Armut geschlagen; Therese konnte aber nur geringen Einfluss auf den Verlauf der Dinge nehmen und sich den politischen Machenschaften der Gegner nicht widersetzen. Am 7. November 1704 wurde der Vertrag von Ilbesheim abgeschlossen: Nur das Rentamt München mit den dazugehörigen Liegenschaften verblieb in der Hand der Regentin, der Rest wurde der kaiserlichen Herrschaft einverleibt.

In den darauffolgenden Monaten versuchte Therese Kunigunde, das Rentamt München zu regieren, so gut sie konnte, seine Finanzierung sicherzustellen und einige wirtschaftspolitische Maßnahmen einzuleiten. Im Februar 1705 entschloss sie sich, die Alpen zu überqueren, um ihre Mutter, Marie Casimire, die mittlerweile Gast der römischen Kurie war, zu treffen. Die Kurfürstin wollte sie überzeugen, die Regierung Münchens an ihrer Stelle zu übernehmen. Auf ihrem Rückweg geschah jedoch etwas Unerwartetes: Die Habsburger verweigerten der Kurfürstin die Passage nach München, sodass sie sich wieder nach Venedig begab, wo sie fortan im Exil für 10 Jahre leben sollte.

Im Gegensatz zu Max Emanuel, der sich mittlerweile ein luxuriöses Exil am französischen Hof gönnte, musste sich Therese in Venedig mit einem für eine Frau ihres Ranges bescheidenen, zurückgezogenen Leben begnügen. Sie verfügte nur über begrenzte finanzielle Mittel und war lediglich von einer kleinen Dienerschaft umgeben. Trotz des dürftigen Haushaltes und der angespannten finanziellen Lage verzichtete Therese Kunigunde nicht auf Kunst, Musik und Kultur. Sie genoss, was Venedig zu dieser Zeit zu bieten hatte und besuchte Komödien, Musik- und Opernaufführungen in den Theatern und Ospedali, wo sie Logen anmietete. Zudem widmete sie sich weiterhin karitativen und frommen Beschäftigungen und suchte sich auf den Inseln Murano und Giudecca auch landwirtschaftlich zu verwirklichen. In diesen Aufgaben fand sie vielleicht Schutz und Trost vor dem Schmerz über die Trennung von ihrer Familie und vor allem von ihren Kindern, mit denen sie nicht im Briefwechsel stehen durfte.

Johann Jacob Kleinschmidt nach Cosmas Damian Asam, Therese Kunigunde als Penelope

Johann Jacob Kleinschmidt nach Cosmas Damian Asam, Therese Kunigunde als Penelope, Kupferstich aus der Festschrift „Fortitudo Leonina in Utraque Fortuna Maximiliani Emmanuelis, Monachii 1715.

Der allegorische Stich aus der „Fortitudo Leonina“ – einer 1715 von den Jesuiten der oberdeutschen Ordensprovinz herausgegebenen Festschrift – zeigt die Kurfürstin als Penelope, die an ihrem Sekretär in einem venezianischen Palast mit Blick auf die Punta della Dogana und die Kirche Santa Maria della Salute einen Brief an ihren fernen Odysseus (nämlich Max Emanuel) schreibt. Sie wartet sehnsüchtig auf die Wiedervereinigung mit ihrem Gatten und ihren Kindern, die in den Medaillons verbildlicht sind.

In dieser Darstellung werden vor allem Thereses Tugenden gepriesen: Die den Spiegel umgebenden Kartuschen mit Inschriften sowie der Text auf dem Podest stellen sie in den Rang der vier tugendhaften Frauen des Alten Testaments (Rahel, Susanna, Judith und Sarah).

Joseph Vivien, Allegorie auf die Wiedervereinigung Kurfürst Max Emanuels mit seiner Familie

Joseph Vivien, Allegorie auf die Wiedervereinigung Kurfürst Max Emanuels mit seiner Familie, 1733, BStGS – Staatsgalerie im Neuen Schloss Schleißheim.

1715 findet in Schloss Lichtenberg am Lech die glückliche Wiedervereinigung der Kurfürstenfamilie statt. In den folgenden Jahren wird sich Therese der Leitung wirtschaftlicher Vorhaben, vor allem im Landschloss Blutenburg auf der Hofmark Menzing bei München, widmen. Hier ließ sie sich ihr Appartement im chinoisen Stil, einer Mode der Zeit, umbauen und einrichten. Darüber hinaus hielt sie sich abwechselnd in Friedberg und in München auf, in der dortigen Residenz, Schloss Nymphenburg sowie in Schloss Schleißheim, und bemühte sich um die Wiederbelebung des kulturellen und musikalischen Lebens am Münchner Hof.

In Schloss Nymphenburg bewohnte sie die Räume südlich des Festsaals, die in der Zeit von Henriette Adelaide von Savoyen (1636­­­–1676), ihrer Schwiegermutter, eingerichtet worden waren. Hier im Nördlichen Salettl, das mit der anschließenden Galerie zu den von Max Emanuel zwischen 1716 und 1719 bewohnten Appartements im ersten nördlichen Nordpavillon (heute nicht zugänglich) führt, befindet sich das ganzfigurige Porträt Thereses, das Franz Joseph Winter nach Joseph Vivien schuf. Heute schmückt das Original neben dem Bildnis von Max Emanuel das Audienzzimmer von Schloss Schleißheim.

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Franz Joseph Winter, Kurfürst Max Emanuel von Bayern und Kurfürstin Theresia Kunigunde von Bayern, 1725. Schloss Nordkirchen, Jupitersaal © Bildarchiv Foto Marburg / Andreas Lechtape.

Die für die Kurfürstin konzipierte Räume des Gelben Appartements in Schloss Schleißheim (so genannt wegen der ursprünglichen gelben Wandbespannung) wurden zwischen 1722 und 1726 eingerichtet, aber erst von ihrer Schwiegertochter Maria Amalia genutzt. Auf Wunsch Thereses wurde hier die Kapelle mit den von Wilhelm Pfeiffer 1629 signierten Scagliola-Tafeln aus der Münchner Residenz ausgestattet.

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Kammerkapelle, Neues Schloss Schleißheim. Foto: Frank Burchert. franksfotografieblog.de.

Die Jahre im Exil in der Lagune waren Therese Kunigunde wohl trotz aller Schwierigkeiten in guter Erinnerung geblieben. Denn nach dem Tod Max Emanuels 1726 beschloss sie, nach Venedig zurückzukehren. Mit den dort ansässigen künstlerischen Persönlichkeiten hatte sie in all den Jahren weiterhin Kontakt gepflegt, vor allem mit Sängern und Musikern. So hätte sie unter anderem gerne Vivaldi an ihren Hof nach München verpflichtet, was ihr aber nicht gelungen war.

Therese Kunigunde, Kurfürstin und für kurze Zeit bayerische Regentin, starb am 11. März 1730 in Venedig. Ihr Leichnam wurde nach München gebracht und neben ihrem Gemahl in der Gruft der Theatinerkirche beigesetzt.

 


Literatur

Ludwig Hüttl: Max Emanuel. Der blaue Kurfürst 1679–1726. Eine politische Biographie, München 1976, S. 229-235, 410-413.

Britta Kägler: Weibliche Regentschaft in Krisenzeiten. Zur Interimsregierung der bayerischen Kurfürstin Therese Kunigunde (1704/05), in: zeitenblicke 8, Nr. 2, [20.05.2021], URL: http://www.zeitenblicke.de/2009/2/kaegler/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-19660

Claudia von Kruedener: Kurfürstin Therese Kunigunde von Bayern (1676­–1730) und ihre Friedenspolitik in europäischen Dimensionen zwischen Papst und Kaiser, Regensburg 2020.


Titelbild: Ausschnitt aus: Franz Joseph Winter, Kurfürstin Theresia Kunigunde von Bayern, 1725, Schloss Nordkirchen, Jupitersaal © Bildarchiv Foto Marburg / Andreas Lechtape.