Derzeit arbeitet die Bayerische Schlösserverwaltung an einem neuen Ausstellungsraum zu den Pferden des Ansbacher Hofs im 18. Jahrhundert, insbesondere zu drei historisch bedeutsamen Pferdepräparaten. Von vielen Ansbachern stark vermisst, waren die kuriosen Vierbeiner viele Jahre nicht ausgestellt. Als kleinen Vorgeschmack und für mehr Hintergrundinformationen gibt es auf dem Schlösserblog nun ein paar spannende Beiträge rund um das Thema „Pferde am Hof“. Heute berichtet Restauratorin Marion Biesalski von der Arbeit an den sehr speziellen Objekten.
Was kannst du eigentlich?
Diese Frage, die als umgangssprachliche Verunglimpfung einer Person, der nichts gelingt, kursiert, sollte mir mal gestellt werden! Dann könnte man Einiges darüber erfahren, was eine Skulpturen-Restauratorin kann. Pferde restaurieren nämlich zum Beispiel nicht. Und auch andere Tierpräparate nicht. Ja, aber…???
Jemanden finden, der’s kann!
Als Skulpturenfachfrau war ich schon die Richtige für die Ansbacher Pferde, immerhin sind die Tierhäute auf geschnitzte Holzträger aufgezogen, was sich spätestens dadurch offenbarte, dass Holzkäfer die Objekte als nahrhafte Umgebung für ihre Larven erkannt hatten. Nach der erfolgreichen Beseitigung des Schädlingsbefalls stellte sich die Frage, wer die bedauernswerten Kreaturen wieder in würdige Ausstellungsstücke verwandeln kann?
Üblicherweise gehört es zu unseren Aufgaben, ein Konzept für die Bearbeitung der uns anvertrauten Objekte auszuarbeiten. Was mit Pferdehäuten zu tun ist, wusste ich aber nicht. Es gab zum damaligen Zeitpunkt auch keine auf Präparate spezialisierten Restauratoren. Eine Recherche im gesamten deutschsprachigen Raum führte mich schließlich zu zwei Spezialisten aus den Reihen der Präparatoren, die bereit waren, nach den Grundsätzen moderner Restaurierung zu arbeiten. Auf diesem Weg galt es die unterschiedlichsten Einstellungen und Arbeitsweisen zu diskutieren und bestandserhaltendes Vorgehen gegenüber Ansätzen zu verteidigen, die hauptsächlich eine Verbesserung ästhetischer Aspekte auf Kosten des Originals im Blick hatten. Die gefundenen Fachleute verstanden es ganz vortrefflich, u.a. durch Entfernung alter, ungeeigneter Restaurierungsversuche, Schließung offener Nähte, Kittungen und Retuschen die Pferde zu konsolidieren und ästhetisch aufzuwerten. Große Eingriffe, wie die bei Präparaten oft praktizierte Abnahme der Felle vom Korpus, konnten vermieden werden.
Herstellungstechniken untersuchen:
Stammen die Tiere tatsächlich aus dem 18. Jahrhundert, wie die in Quellen und Legenden beschriebenen Pferde? Oder könnten es Repliken aus späterer Zeit sein? Das absolute Alter der Tiere konnte nicht ermittelt werden. Sehr aussagekräftig war allerdings eine Röntgenuntersuchung aller Holzkörper:
Die folgenden drei Bilder zeigen die Pferde im Röntgenbild. Je heller ein Bereich ist, desto mehr Material wurde erfasst. Um die technischen Details leichter ablesbar zu machen, sind sie hier mit Farbstiften nachgezeichnet. Einzelne Holzblöcke sind dünn schwarz umrandet, Holzdübel sind ockerfarben nachgezeichnet, Metallteile orange. Schraffuren deuten die Holzmaserung an.
Pferd 1: Das ist der „Tiger“, das weiße Pferd mit den rotbraunen Flecken. Der Korpus ist in klassischer Holzbildhauertechnik aus einem Stück gearbeitet. Auskragende Elemente wurden mit Dübeln oder Schlitz-und-Zapfenverbindungen, beides typische Holzverbindungstechniken, angesetzt. Auffällig ist eine nachträgliche Verbesserung: Der Hals war zu kurz, die bestehende Holzverbindung wurde durchgesägt, eine „Verlängerung“ mit drei Dübeln eingefügt.
Pferd 2: Bei dem Braunen sparte man sich in entscheidenden Bereichen traditionelle Holzverbindungstechniken. Die Holzblöcke sind mit Metallbändern verbunden. Viel unkomplizierter konnten so Anpassungen in den Dimensionen vorgenommen werden: Am Kopf setzte man nachträglich noch ein „Verlängerungsstück“ ein, die zwei mittig getrennten Teile des Leibes wurden einfach im passenden Abstand verbunden.
Warum musste man solche Veränderungen vornehmen? Nun, es ging auch anders:
Pferd 3: Bei dem Schecken mit dem großen weißen Fleck ist alles aus einem Guss angefertigt: Klassische Bildhauertechnik, Holzdübel als Verbinder, keine nachträglichen Änderungen, keine Tricks.
Das ist alles schön zu wissen, aber was kann man mit diesen Informationen anfangen?
Befunde vergleichen und bewerten:
Im Gegensatz zur „herkömmlichen“ Bildhauerei liegt die Kunst der Präparation nicht darin „irgendein“ Tier zu formen, sondern genau das Tier in seinen individuellen Dimensionen nachzubilden, dessen Haut Verwendung finden soll. Wenn diese Ausformungen nicht genau bekannt sind (und die Tierhaut abgezogen daliegt, wie ein abgelegter Anzug), dann tut sich der Präparator schwer und muss sehr wahrscheinlich Korrekturen vornehmen (siehe Pferd 1 und 2). Nur wenn das Tier noch lebendig oder als vollständiger Kadaver zum Abnehmen der Maße zur Verfügung steht, kann auf Anhieb ein „perfekter“ Korpus geschaffen werden (Pferd 3).
Wenn man nun noch bedenkt, dass bei Pferd 1 genau die empfindlichsten Hautpartien um Augen und Nüstern entfernt und durch groteske Schnitzerei ersetzt sind, und dass Pferd 2 eine durch Verwesung gezeichnete Haut und ein versiegeltes (Einschuss-)loch am Hals aufweist, dann liegt der Schluss nahe, dass genau diese Tiere wegen Ihrer besonderen Verdienste in einer Schlacht oder wegen besonderer Züchtungsmerkmale erhalten werden sollten. Anzunehmen ist ein überraschendes Ableben, Häutung des Kadavers, um die Haut ohne Körper leichter zu erhalten oder zu transportieren, eine Zeitspanne, die zu überbrücken war, bis das Fell gegerbt werden konnte. Dies passt zur Legende um die Schlacht bei Schmidmühlen oder den „plötzlichen Tod“ nach einem Parforceritt zur brennenden Residenz. Unwahrscheinlich ist es hingegen, dass man in späterer Zeit solchermaßen beschädigte Pferde als Ersatz für ältere Exemplare präpariert hätte.
Was ist mit Pferd 3? Könnte das später entstanden sein?
Zur Klärung dieser Frage lohnt sich ein Blick in die Geschichte der Präparationstechnik: Im 19. Jahrhundert beginnt eine verstärkte Reisetätigkeit zu fernen Kontinenten. In den entstehenden Naturkundemuseen präsentieren Wissenschaftler „ausgestopfte“ Tiere aus fernen Ländern, Adel und gehobenes Bürgertum erfreuen sich an Großwildjagden, deren Beute zu Hause angemessen präsentiert werden muss. Erst jetzt erfand man geschicktere Präparationsmethoden, die leichtere Bauweise mit passgenauer Ausformung ermöglichten. Im Wesentlichen zeichnete sich „moderne“ Präparationstechnik dadurch aus, dass aus dünnen Holzlatten oder Draht ein Grundgerüst geschaffen wurde. Zwischen Gerüst und Haut wurden Stroh und Werg eingebracht, bis das Tier in den passenden Dimensionen „ausgestopft“ war.
Es ist also nicht anzunehmen, dass man sich in späterer Zeit noch mit holzbildhauerischen Methoden herumgeplagt hätte. Hinzu kommt, dass Pferde-Experten unserem „Schecken“ eine besondere und seltene Fellzeichnung zusprechen, was eine Präparation zu Markgrafenzeiten sehr wahrscheinlich macht. Und die Markgrafenzeit endete in Ansbach im Jahre 1791.
Erzählen:
Die Bedeutung unserer drei Pferdepräparate erschließt sich dem Betrachter nicht auf Anhieb. Dass es sich bei ihnen nicht einfach um Kadaver, sondern um sehr seltene, kulturhistorisch interessante Objekte handelt, muss man erklären. Deswegen hoffen wir, mit Blogbeiträgen und hoffentlich bald wieder mit Führungen unsere Leser und Besucher für unsere außergewöhnlichen Ausstellungsstücke zu begeistern.