Tipps und Aktuelles

Die Geschichte mit Frauen anders erzählen

Wirksam Frauennetzwerke Hohenzollern

Wer kann sich noch an den Geschichtsunterricht erinnern? Wie viele Frauen wurden darin behandelt? Vermutlich ging es kaum über Kleopatra und Rosa Luxemburg hinaus. Aber die Erzählung von Geschichte als reine Chronologie männlicher MachER ist weder zeitgemäß noch korrekt. Denn wenn bloß die Hälfte der Menschen beachtet wird, wird auch nur die halbe Wahrheit erzählt. Es ist Zeit, einmal genauer zu schauen, was originale Quellen wirklich über konkrete Frauen erzählen.

Ein einzigartiges Projekt

Dieser Aufgabe widmet sich das Ausstellungs- und Forschungsprojekt „WIRKSAM. Frauennetzwerke der Hohenzollern im Spätmittelalter“ unter Federführung der Bayerischen Schlösserverwaltung. Es zeigt, dass die Geschichten der Frauen zwar oft weniger Durchschlagskraft entwickelten, aber ebenso spannend zu verfolgen sind: Taktische Bündnisse, skandalöse Verlobungen oder Kriege um ihr Erbe sind nur einige der Aspekte, die beleuchtet werden können. Der Fokus unseres Projekts liegt nicht nur auf einzelnen Biografien, sondern besonders auf dem Netzwerk, das diese Frauen untereinander schufen. Einzigartig ist, dass sich die historischen Verbindungen der Damen auch in der Struktur des Projekts widerspiegeln: Nationale wie internationale Projekt- und Kooperationspartner stemmen diese gemeinsame Aufgaben zusammen. Über einen Zeitraum von 14 Monaten werden so an neun Ausstellungsorten vier Generationen von Frauen an ihren authentischen Wirkungsorten vorgestellt. Die intensive Zusammenarbeit fördert dabei neue Perspektiven und interessante Verknüpfungen zu Tage.

WIRKSAM-Netzwerk-Karte

Schon allein ein Blick auf die Landkarte zeigt: Die Hohenzollern Frauen saßen nicht an einem Ort fest! © BSV

Hohenzollerinnen?! Waren die nicht nur in Preußen?

Viele verbinden die Hohenzollern vor allem mit den preußischen Königen und Deutschen Kaisern, die insbesondere ab dem 18. Jahrhundert fest zum Schulwissen gehören. Die Anfänge der Dynastie gehen jedoch bis ins 11. Jahrhundert zur Schwäbischen Alb zurück. 1191 schließlich wurden die Zollern Burggrafen von Nürnberg, 1415 Kurfürsten der Mark Brandenburg. Dieser große Karrieresprung entwickelte sich von Franken aus, das gemeinsam mit Brandenburg ein wichtiger Herrschaftsbereich blieb und zunächst im Spagat bewältigt werden musste.

Cadolzburg Frauenprojekt Wirksam

Aus Franken gelang der Aufstieg der Hohenzollern. Die Burg Cadolzburg ist ein eindrucksvolles Beispiel der Macht der Dynastie. © BSV/Freudling

Handlungsspielräume hochadeliger Frauen im Mittelalter

Auch schon damals waren die hohenzollerischen Damen mit Rollenzuschreibungen konfrontiert: Von hochadeligen Frauen wurde erwartet, entweder gewinnbringend zu heiraten und den Nachwuchs zu garantieren oder für das Seelenheil der Familie im Kloster zu wirken – am besten an erster Stelle, als Äbtissin! Dennoch konnten sie ihre Handlungsspielräume je nach ihrer persönlichen Veranlagung, Herkunft und finanziellen Mitteln individuell nutzen. Die Quellen zeigen, dass sie nicht nur brave Fürstentöchter waren, die mit einer Schar von Kindern ihre Zeit stickend im Frauenzimmer verbrachten. Die Damen reisten umher, knüpften neue Beziehungen und waren unverzichtbar für die Repräsentation und die Vernetzung ihres Hauses. Manch weibliches Familienmitglied bereitete den Männern des Hauses durch ihr eigenständiges Handeln gegen die Interessen der Dynastie auch einiges an Ärger.

Ferne Zeit und doch so nah?

Das Bild von Persönlichkeiten vergangener Jahrhunderte hängt maßgeblich von der Geschichtsschreibung ab – ganz nach dem Zitat des Musicals Hamilton „You have no control who lives who dies who tells your story.“ Da die Auswertung von Quellen vor allem im 19. Jahrhundert durch das damalige Frauenbild der männlichen Historiker geprägt wurde, sind deren Erzählungen durchaus kritisch zu betrachten.

Nehmen wir als Beispiel Margarethe von Brandenburg (1413?–1465): Sie erlaubte es sich, in dritter Ehe eigenmächtig ihren Hofmeister und damit unter ihrem Stand  zu heiraten. Ein absoluter Bruch der Normen!  Ein bayerischer Abt und Chronist bezeichnete sie daraufhin als „ein großes, fettes, fleischiges und geiles Weib“. Aber wie sie wirklich ausgesehen hat, darüber gibt es keinerlei gesicherte Belege! Ein „Portrait“ ist nicht überliefert, die Quellen geben lediglich Aufschluss über eine Art „Gesichtsröte“. Diese könnte aber von einer leichten Rötung bis zu einem Feuermal gereicht haben. Die Übersetzung der lateinischen zeitgenössischen Beschreibung hängt maßgeblich von der Intention des Übersetzers ab: Da sie gegen die Normen der Zeit gehandelt hatte, wurde Margarethe in der Geschichtsschreibung abgestraft.

Auch heute wird Frauen noch Schönheit abgesprochen, wenn sie den gesellschaftlichen und moralischen Erwartungen nicht entsprechen. Im Zuge einer der Ausstellungen der Bayerischen Schlösserverwaltung wird die Theaterakademie August Everding sich im Studiengang Maskenbild mit Margarethe auseinandersetzen: Was wissen wir aus den Quellen wirklich von ihr und wie lässt sich dies künstlerisch einfangen?

Neuburg Theaterakademie Everding

Studierende fertigen eindrucksvolle Kunstwerke von Margarethe an, die in Neuburg zu sehen sein werden. © Theaterakademie August Everding München, Studiengang Maskenbild

Aufregende kommende Monate!

Besucherinnen und Besucher können sich bereits auf die Ausstellung „Eine Frau an der Macht. Elisabeth von Bayern (1383–1442)“ freuen, die ab 31.7. auf der Cadolzburg gezeigt wird. Von Sonderführungen, Musikveranstaltungen und anderen kreativen Formate können sich die Gäste begeistern lassen.

Cadolzburg Elisabeth_von_Bayern-Landshut_als_Stifterin und burg cadolzburg

links: Die Burg Cadolzburg, der Witwensitz Elisabeths von Bayern; rechts: Elisabeth von Bayern als Stifterin auf dem Cadolzburger Altar © Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg /Jörg P. Anders

Ein erstes Kennenlernen mit den Damen ist bereits über die Website der Hohenzollernorte möglich. Dort könnt ihr die anderen Ausstellungsorte und das Netzwerk unter den Frauen entdecken.

 


Teilnehmende Projektpartner sind:

Staatliches Burgmuseum, Burghausen
Burg Trausnitz, Landshut
Schloss Neuburg a. d. Donau
Burg Cadolzburg
Museum Bayerisches Vogtland, Hof
Humboldt Forum, Berlin
Stadtmuseum Nürtingen
Albrechtsburg Meißen
Münster Heilsbronn
Palazzo Ducale, Mantua

 


Titelbild: Verlobungsrings mit Inschrift „ych wyl“, Inv.-Nr. MA 3023 © Bayerisches Nationalmuseum München, Bastian Krack